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Microsoft muss Windows-Quellcode offen legen

18.02.2002
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im laufenden US-Kartellverfahren gegen Microsoft erlitt der Softwareriese eine deutliche Schlappe: Das Unternehmen muss den klagenden neun US-Bundesstaaten Teile seines Windows-Quellcodes offen legen. Dazu gehören auch die neueren Programme Windows XP und XP Embedded. Das teilte die vorsitzende Richterin Colleen Kollar-Cotelly beiden Parteien am vergangenen Freitag in einer Telefonkonferenz mit. Damit reagierte sie auf ein entsprechendes Gesuch der neun Bundesstaaten, die gegen Microsoft klagen. Die Microsoft-Gegner hatten Einblick in den Code verlangt, um die Behauptung des Softwarekonzerns überprüfen zu können, ob es tatsächlich nicht möglich ist, ein "abgespecktes" Betriebssystem ohne Internet Explorer, Instant Messaging und Media-Player auf den Markt zu bringen.

Allerdings lehnte Kollar-Cotelly das Gesuch der neun Bundesstaaten ab, wonach zur Überprüfung des Quellcodes ein unabhängiger Technologie-Experte herangezogen werden sollte. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass bis zur nächsten Anhörung in dem Verfahren am 6. März zu wenig Zeit sei, um einen Spezialisten zu benennen.

Microsoft hatte sich im Vorfeld vehement gegen die Forderung der Kläger gewehrt. Schließlich arbeite die Gegenseite mit Konkurrenten wie AOL Time Warner und Oracle zusammen. Microsoft befürchtet nach eigenem Bekunden, dass der Windows-Quellcode in falsche Hände geraten könnte. Anklage und Verteidigung wollen deshalb gemeinsam an Schutzvorkehrungen arbeiten, um die Art und Weise der Verwendung des Quellcodes in dem Verfahren festzulegen.

Öffentlichkeit gegen Aufhebung der Anklage

Unabhängig davon veröffentlichte das US-Justizministerium am vergangenen Freitag 47 öffentliche Kommentare, die nach dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung im Kartellprozess im vergangenen Jahr bei der Behörde eingegangen waren. Nur fünf davon fielen positiv aus. Das Department of Justice (DOJ) erklärte, insgesamt seien rund 30.000 Kommentare - die meisten per E-Mail - eingetroffen. Die bislang nicht veröffentlichten Kritiken sollen künftig im Internet und auf CD-ROMs erhältlich sein, hieß es. Nach der Sichtung aller Mitteilungen stehe die öffentliche Meinung zwei zu eins gegen die Beilegung, erklärte das DOJ.

Die derzeit freigegebenen Kommentare deuten denn auch auf eine überwiegend negative Stimmung in der Öffentlichkeit hin. Neben Konkurrenzunternehmen, Verbraucherschützern und Open-Source-Verfechtern meldeten sich Stimmen aus der Bevölkerung zu Wort. Ein IT-Experte schrieb beispielsweise: "Microsofts Methode, seinen potenziellen Mitbewerbern die Luft zum Atmen zu nehmen, sollte verboten werden."

Richterin Kollar-Kotelly will diese Kommentare nach eigenen Angaben bei einer Entscheidung über eine eventuelle Beilegung berücksichtigen. Ob es eine Einigung geben wird, dürfte sich im März herausstellen. Im vergangenen Jahr waren das DOJ und neun US-Bundesstaaten aus dem ursprünglichen Kartellverfahren ausgeschert. Sie hatten sich mit Microsoft außergerichtlich auf eine Einschränkung bestimmter Geschäftspraktiken geeinigt, den Sourcecode von Windows jedoch unangetastet gelassen. (ka)