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Napster: Eine Milliarde Dollar für die Musikindustrie

21.02.2001
Die Online-Musikbörse Napster hat der Musikindustrie Lizenzgebühren von einer Milliarde Dollar für die nächsten fünf Jahre in Aussicht gestellt. Die Labels reagierten jedoch skeptisch.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In dem Bemühen, Napster vor der Schließung zu bewahren, will die umstrittene Tauschbörse die Musikindustrie für entgangene Umsätze entschädigen: Der Bertelsmann-Partner will den Musiklabels jährlich 200 Millionen Dollar an Copyright-Gebühren mit einer Laufzeit von fünf Jahren anbieten. Finanziert werden soll die Summe über die bereits seit langem angekündigte Einführung eines kostenpflichtigen Download-Services, zu dem Napster-Chef Hank Barry inzwischen Einzelheiten verlauten ließ.

Mit dem Friedensangebot hofft Napster, die Musikindustrie von weiteren gerichtlichen Schritten abzuhalten. Verschiedene Konzerne hatten in der vergangenen Woche die Wiedereinsetzung einer einstweiligen Verfügung gegen die US-Company erwirkt, wonach diese den illegalen Austausch von lizenzpflichtigen Liedern auf ihrer Website unterbinden muss (Computerwoche online berichtete). Mit Napsters Software können Benutzer die auf ihrer Festplatte gespeicherten MP3-Songs anderen Musikfans über das Web als Download zur Verfügung stellen. Napster verwaltet die Informationen darüber, auf welchen Client-Rechnern die MP3-Files zu finden sind.

Den Einigungsvorschlag stellten CEO Barry und Napster-Gründer Shawn Fanning zusammen mit ihrem Partner Bertelsmann, der durch den Unternehmenschef Thomas Middelhoff und Andreas Schmidt, Leiter der Bertelsmann E-Commerce-Group, vertreten war, auf einer Pressekonferenz in San Franzisko vor. Die Zahlung stellt sich das Duo folgendermaßen vor: Pro Jahr bietet Napster Lizenzgebühren von 200 Millionen Dollar an, von denen 150 Millionen Dollar auf die fünf größten Labels - BMG, Sony, Vivendi Universal, Warner und EMI - entfallen. Die restlichen 50 Millionen Dollar sind für unabhängige Musikfirmen vorgesehen. Die Höhe der Copyright-Gebühren je Company aus diesem Pool richtet sich danach, wie oft deren Songs von Napster-Benutzern heruntergeladen wurden.

Napster-Anwender zahlen künftig zwischen drei und zehn Dollar

Napster-Kunden sollen ab Juli zur Kasse gebeten werden. Ein konkretes Gebührenmodell liegt zwar noch nicht vor, Barry erklärte jedoch, es werde voraussichtlich zwei Abonnement-Varianten geben. Eine "Basic Membership" mit einer begrenzten Zahl von Downloads werde zwischen 2,95 und 4,95 Dollar im Monat kosten. Für den grenzenlosen Musiktausch soll die "Premium Membership" eingeführt werden, für die die Anwender zwischen 5,95 und 9,95 Dollar zahlen könnten. Zudem will Napster die Übertragungsgeschwindigkeit für die Downloads auf 128 Kilobit pro Sekunde reduzieren.

Bei Napster zeigt man sich überzeugt, dass die Nutzer künftig bereit sein werden, für den Musiktausch zu bezahlen. Eine bei dem Marktforschungunsternehmen Harris Interactive in Auftrag gegebene Studie kam zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Anwender einverstanden sind, Gebühren an Napster zu entrichten. Barry erklärte, wenn nur 4,5 seiner derzeit über 60 Millionen Teilnehmer rund fünf Dollar im Monat zahlen würden, kämen rund 267 Millionen Dollar Umsatz im Jahr zusammen.

Die Fronten bleiben verhärtet

Ob die Plattenfirmen auf das Angebot eingehen wird, bleibt jedoch fraglich. Die ersten Reaktionen deuten auf eine nach wie vor skeptische Haltung gegenüber der Internet-Company hin. So zeigte sich Hilary Rosen, President und Chief Executive Officer der Recording Industry Association of America (RIAA), besonders empört über die Form, in der das Angebot unterbreitet wurde: "Napster weiß, wie man Lizenzen bekommt und über Abkommen verhandelt. Statt dies hinter verschlossener Tür zu tun, kündigen sie ihre Offerte in einer öffentlichen Pressekonferenz an." Effektiver wäre es gewesen, sich individuell mit den Plattenfirmen zusammenzusetzen. Rosen kritisierte ferner, dass Napster trotz des Gerichtsurteils in der vergangenen Woche seinen illegalen Musiktauschdienst weiterbetreibe. "Stoppt die Copyright-Verletzungen, stoppt die gerichtlichen Verzögerungstaktiken und verdoppelt eure Bemühungen, ein legales System zu schaffen", rief sie Napster in einer Stellungnahme auf.

Bertelsmann-Chef Middelhoff hingegen versuchte sein Bestes, sowohl die Verbraucher als auch die Labels von dem neuen Geschäftsmodell zu überzeugen. "Ich bin der einzige CEO in der gesamten Medien- und Unterhaltungsbranche, der ein objektives Urteil über Napster fällen kann." Er wies darauf hin, dass BMG zwar einer der Kläger gegen Napster, die Bertelsmann E-Commerce Group jedoch ein Partner der Musiktauschbörse ist. "Es ist Zeit für die Musikindustrie und Napster, eine Win-Win-Strategie zugunsten der Verbraucher, der Song-Schreiber, der Verleger und der Interpreten zu schaffen." Middelhoff rief die Plattenlabels dazu auf, die juristischen Schritte gegen Napster einzustellen.