Mitarbeiter (legal) abwerben

5 Tipps für den War for Talents

19.03.2024
Von 
Josef Günthner ist Mitgründer und Geschäftsführer von Paltron, einer auf die IT-Branche spezialisierten Personalberatung.
Talente und Fachkräfte abzuwerben ist legal - wenn Sie dabei bestimmte Regeln beachten.
Im Kampf um IT-Spezialisten und Marktanteile kann es ein probates Mittel sein, Talente - mit legalen Methoden - von der Konkurrenz abzuwerben.
Im Kampf um IT-Spezialisten und Marktanteile kann es ein probates Mittel sein, Talente - mit legalen Methoden - von der Konkurrenz abzuwerben.
Foto: eamesBot - shutterstock.com

Unbesetzte IT-Positionen stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen, sehen sich diese bei der Kandidatensuche mit einem leergefegten und von Opportunismus getriebenen Arbeitsmarkt konfrontiert. Nicht selten richtet sich der Blick da zur Konkurrenz und deren Angestellten. Die Verlockung, die Mitarbeitenden eines anderen Betriebs anzuwerben, scheint groß. Doch viele schrecken davor zurück, weil sie rechtliche und moralische Zweifel hegen. Müssen sie aber nicht, denn bis auf wenige Praktiken ist das Abwerben unbedenklich.

Mitarbeiter abwerben: Was nicht erlaubt ist

Der freie Arbeitsplatzwechsel ist in unserer sozialen Marktwirtschaft vorgesehen und unter den meisten Umständen auch völlig legal. Das Abwerben fremder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nur dann nicht erlaubt, wenn es vorsätzlich zur Schädigung des Konkurrenzunternehmens eingesetzt wird. Das ist beispielsweise der Fall:

  • wenn Angestellte der Konkurrenz abgeworben, anschließend aber doch nicht eingestellt werden;

  • wenn Sie mit der Intention handeln, die Betriebsgeheimnisse oder Interna eines anderen Unternehmens durch die Abwerbung in Erfahrung zu bringen;

  • wenn Arbeitnehmende durch falsche Versprechungen oder negative Aussagen über ihren aktuellen Arbeitgeber ins eigene Unternehmen gelockt werden sollen;

  • wenn Beschäftigte zum Vertragsbruch oder zu Handlungen, die eine sofortige Kündigung nach sich ziehen würden, aufgefordert werden;

  • wenn Arbeitnehmende mit einem bereits aufgesetzten Kündigungsschreiben überrumpelt und unter Druck gesetzt werden.

Ein Tabu ist ferner, frisch akquirierte - aber noch nicht eingestellte - Talente zum Abwerben ihrer Kolleginnen und Kollegen anzustiften oder ihnen gar Prämien dafür zu versprechen. Arbeitnehmende dürfen bei einem Unternehmenswechsel keine Teammitglieder abwerben, denn solange ihr Arbeitsverhältnis besteht, sind sie vertraglich zur Treue verpflichtet. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich das Team nicht über einen geplanten Stellenwechsel austauschen darf, auch wenn ein Talent dabei die Vorzüge des Konkurrenzunternehmens hervorhebt. Hat der Wechsel aber bereits stattgefunden und der Arbeitsvertrag ist aufgelöst, gelten für ehemalige Mitarbeitende die gleichen Regeln wie für Personalverantwortliche.

Falls Sie sich nicht an die genannten Regeln halten, verhalten Sie sich wettbewerbswidrig. Das kann rechtliche Konsequenzen haben. Werden Sie von der Konkurrenz oder dem Talent, das Sie eigentlich für sich gewinnen wollten, gemeldet, kann es zu einer Unterlassungsklage kommen. Werben Sie ein Talent auf illegalem Wege ab, können Sie zudem auf Schadensersatz verklagt werden. Im Fall der Fälle kann auch ein zeitlich begrenztes Beschäftigungsverbot für den neuen Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin verhängt werden.

Mitarbeiter legal abwerben: In 5 Schritten zum Erfolg

Konzentrieren Sie sich also lieber auf die legalen Methoden des Abwerbens; diese bergen ohnehin den Vorteil, dass Sie die frisch gewonnenen Talente langfristig an Ihr Unternehmen binden. Doch wie gehen Sie dabei am besten vor? Die folgenden fünf Schritte versprechen ein erfolgreiches Abwerben.

1. Gelungenes Employer Branding

Wollen Sie ein Talent von der Arbeit in Ihrem Unternehmen überzeugen, sollten Sie zuerst eine attraktive Arbeitgebermarke schaffen. Dazu müssen Sie wissen, was Ihr Unternehmen ausmacht. Welche Werte werden vertreten? Welche Kultur wird in Ihrer Organisation gelebt? Haben Sie diese Fragen beantwortet, sollten Sie sich entsprechend positionieren und Ihre Unternehmensbotschaften über Ihre Website, Social-Media-Kanäle, Newsletter und weitere firmeneigene Kanäle kommunizieren.

Auch die Pflege bekannter Bewertungsportale für Arbeitgeber wie kununu oder Glassdoor sollte im Employer Branding einen entscheidenden Platz einnehmen. Zuletzt können Ihre Mitarbeitenden einen echten Unterschied machen, indem sie ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Rest der Welt teilen. Als sogenannte Corporate Influencer können sie beispielsweise Einblicke in ihren Arbeitsalltag und das Miteinander im Team geben.

2. Kontaktaufnahme

Haben Sie ein Talent gefunden, das auf Ihr Stellenprofil passt, sollten Sie mit einer ersten Kontaktaufnahme starten. Hierbei ist es jedoch entscheidend, dass Sie das Thema Datenschutz nicht außer Acht lassen. Die DSGVO erlaubt nämlich nur, dass Sie öffentlich zugängliche Kontaktinformationen oder -möglichkeiten nutzen - wie beispielsweise ein öffentliches Profil in einem Karrierenetzwerk oder einem Fachportal. Haben Sie mit einer Nachricht, beispielsweise über LinkedIn, den Kontakt aufgenommen und eine Telefonnummer oder eine Mailadresse erhalten, müssen Sie das Talent über die Verarbeitung dieser Daten informieren und sich seine Einwilligung einholen.

Der Kandidat oder die Kandidatin muss zu jeder Zeit die Option haben, seine oder ihre Daten einzusehen, diese ändern oder löschen zu lassen. Kurz gesagt: Die DSGVO und ihre Stolpersteine führen dazu, dass vermehrt Headhunter zum Abwerben eingesetzt werden - denn diese haben durch ihr großes Netzwerk und professionelle Tools oft deutlich mehr Gestaltungsspielraum bei der Kaltakquise. Sitzen Sie beim Thema Datenschutz jedoch fest im Sattel und entscheiden sich für eine direkte Kontaktaufnahme, treten Sie dabei verbindlich, aber höflich zurückhaltend auf. In keinem Fall sollte sich Ihr Gegenüber bedrängt oder belästigt fühlen.

3. Attraktive Arbeitsbedingungen

Um Ihre Konkurrenz auszustechen, sollten Sie attraktivere Arbeitsbedingungen als Ihre Wettbewerber bieten. Dazu gehören zum einen moderne Strukturen und damit die Möglichkeit, remote zu arbeiten und sich die Arbeitszeiten flexibel einzuteilen. Darüber hinaus können Sie natürlich mit großzügigen Benefits und einem überdurchschnittlichen Gehalt punkten. Gerade für IT-Fachkräfte ist auch die technische Ausstattung im Unternehmen ein entscheidender Faktor. Außerdem sind viele an der Arbeit in interdisziplinären Teams interessiert - das stärkt den Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft und verleiht außerdem jeder Position eine besondere Rolle.

4. Onboarding angenehm gestalten

Konnten Sie das Talent von Ihrem Unternehmen überzeugen, gilt es, potenzielle Hindernisse abzubauen, die einem Wechsel im Wege stehen könnten. Dazu zählen zum einen formale Hürden wie das Einreichen eines Motivationsschreibens. Sie kennen den Lebenslauf und die Qualifikationen der Fachkraft, zusätzlich haben Sie sie in Gesprächen kennengelernt. Alle wichtigen Fragen sollten dabei beantwortet worden sein. Auch auf fachlicher Ebene sollten Sie Bedenken aus dem Weg räumen.

Beschreiben Sie dem Kandidaten oder der Kandidatin, wie das Onboarding ablaufen wird und wie Sie eventuelle fachliche Lücken schließen möchten. Nicht zuletzt kann auch das soziale Umfeld eine Hürde für den Wechsel darstellen. Stellen Sie deshalb sicher, dass sich Ihr bestehendes Team auf den Neuzugang freut und dass das neue Mitglied schnell Anschluss findet - beispielsweise mit Hilfe von Teamevents oder einem Mentorenprogramm innerhalb der ersten Wochen.

5. Maßnahmen zur Mitarbeiterzufriedenheit

Dieser letzte Schritt lohnt sich in doppelter Hinsicht: Zum einen binden Sie die frisch gewonnenen Talente an Ihr Unternehmen, zum anderen stärken Sie natürlich Ihre Arbeitgebermarke und stellen die Weichen für zukünftige Erfolge beim Abwerben. Um die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeitenden zu steigern, ist vor allem Kommunikation gefragt. Dazu gehört es, sich regelmäßig Feedback einzuholen und daran die Employee Experience zu messen. Also: Wie positiv oder negativ sind die Erlebnisse und Erfahrungen, die Ihre Angestellten an ihrem Arbeitsplatz sammeln?

Auch in Zeiten von Hybrid oder Remote Work sollten sich alle zugehörig und nicht isoliert fühlen. Genauso wichtig ist auch die Wertschätzung. Geben Sie Ihren Angestellten das Gefühl, dass ihre erbrachte Leistung gesehen wird. Geäußerte Wünsche und Bedürfnisse sollten in die Planung künftiger Projekte mit einbezogen werden. Schenken Sie Ihrem Team Vertrauen und Freiheiten in der Prozessgestaltung sowie die Möglichkeit zur Weiterbildung. (pg/fm)