Welche Technologien Digitalisierung besonders effizient antreiben können, ist kein Geheimnis. Schwieriger ist da schon die Frage zu beantworten, welche Lösung sich für welche Branche besonders gut eignet; worauf sich ein CIO sofort stürzen, was er zunächst lediglich im Auge behalten sollte.
In dem Paper "The Top Emerging Technologies for digital Predators" hat sich Forrester jetzt detailliert mit dieser Frage auseinandergesetzt und daraus eine Reihe praktischer Tipps für CIOs abgeleitet.
Immer etwas Geld bereithalten
Wichtigste Botschaft dabei: Wer vorne sein beziehungsweise dort bleiben möchte, sollte ständig etwas Kleingeld zum Investieren in der Hinterhand behalten.
Denn Erfolgsvoraussetzungen wandeln sich ebenso schnell wie die geeigneten Strategien. Antworten, die nicht technologiegebunden und -getrieben sind, gibt es nicht mehr. Deshalb gilt es, schnell reagieren zu können. Und dazu braucht es - auch - Geld.
Kundenzentrierung ist der Schlüssel
Die erfolgreichen Wandler nennt Forrester "Digitale Raubtiere" oder "Digitale Transformer". Beide zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie "Customer-obsessed" seien. Wie Beispielsweise Target, der hinter Wal Mart größte Discount-Einzelhändler der USA. Das Unternehmen hatte, wie CIO Brian Cornell kürzlich berichtete, eine Software für Produktempfehlungen auf seiner Webseite integriert und dadurch seinen Umsatz kurzfristig erheblich gesteigert.
Wichtigstes Geheimnis dahinter war die Zusammenführung von Online- und Point-of-Sale-Daten, also solchen, die vor Ort beim Kauf in einer Filiale anfallen.
4 Prinzipien erfolgreicher Kundenzentrierung
Das Beispiel von Target markiert eine von vier Prinzipien, die laut Forrester hinter erfolgreicher Kundenzentrierung (Customer-obsession) stecken.
Kundengetriebenheit: Das erste nennen die Analysten "Kundengetriebenheit", also die Fähigkeit und den Willen, immer und zuerst vor jeder Entscheidung die Perspektive des Kunden einzunehmen.
Insights-driven: Das zweite heißt in der Forrester-Diktion "Insights-driven". Es genügt nicht, so der Gedanke dahinter, Kundendaten zu haben, sondern man muss auch wissen, was man damit am besten macht. Als positives Beispiel dient hier der beschriebene US-Einzelhändler Target.
Trial-and-Error: Solche Lösungen - das ist das dritte Prinzip - lassen sich am besten nach dem Prinzip Trial-and-Error umsetzen, oder wie es neudeutsch heißt mit einem agilen Ansatz, der sich vortastet, kontinuierlich designt, testet, das Design ändert, wieder testet etc. pp. Hilfreich, ja unerlässlich sind dabei agile Teams, die nicht zwingend räumlich zusammensitzen, sondern ebenso gut übers Netz miteinander verbunden sein können.
Vernetzt statt abgeschottet: Viertes Prinzip: vernetzt statt abgeschottet. Kunden interessieren sich nicht für die interne Verfasstheit eines Unternehmens. Diese muss in der Lage sein, dem Kunden unterschiedlichste Lösungen aus verschiedenen Abteilungen in einem einheitlichen Ökosystem zu präsentieren. Also sollten "die ausgewählten Technologien in der Lage sein, solche einheitlichen Ökosysteme kurzfristig innerhalb und außerhalb des Unternehmens aufzubauen", schreibt Forrester dazu. Gemeint sind hier zum Beispiel Plattformen, die nicht nur viele Kunden, sondern bei Bedarf auch unterschiedliche Anbieter verbinden können.
Intelligente Agenten analysieren Kundenwünsche
Digitalraubtiere unter den CIOs - wie sich Forrester so lyrisch ausdrückt - sind in der Lage, ihr Technikportfolio auch von außen zu betrachten und die notwendigen Priorisierungen vorzunehmen. Für sie mündet eine richtig verstandene Kundenzentrierung direkt in Entscheidungen für die richtigen Technologien.
Dabei geht es darum, die genutzten Systeme so weit zu vereinfachen wie es sinnvoll ist - aber nicht weiter. Und zu investieren, vor allem in alles, was dem Kunden direkt nützt. Gemeint sind damit erstens direkte Touchpoints, also Geschäfte oder Onlineshops, und zweitens jene Backend-Systeme, die technologische Lösungen für diese Touchpoints hervorbringen.
Wichtig sind auch intelligente Agenten, Systeme, die Kundenverhalten erkennen, analysieren und auf dieser Basis eigenständig Entscheidungen treffen können. Bekannte Beispiele dafür sind Google Now oder Siri, und auf diesem Gebiet entsteht täglich mehr.
Internet of Things - die physische Welt digital abbilden
Auf der anderen Seite produzieren und senden - Stichwort Internet der Dinge - auch immer mehr Produkte Daten, und die große Herausforderung besteht darin, beides, also Kundendaten und Produktdaten, miteinander zu verbinden und die richtigen Schlüsse draus zu ziehen. "Die Fähigkeit, die physische Welt in einem digitalen Modell abzubilden wird in den kommenden 10 Jahren zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen", schreibt Forrester dazu.
Blockchain und 3D-Druck werden immer wichtiger
In Ergänzung dazu gibt es Technologien, in die CIOs wie eingangs beschrieben vielleicht noch nicht sofort investieren, deren Entwicklung sie aber unbedingt im Auge behalten sollten. Forrester hält hier vor allem zwei für beachtenswert.
Erstens die Blockchain-Technologie, also Datenbanken, deren Manipulationssicherheit durch Speicherung des Hashwertes des vorangehenden Datensatzes im jeweils nachfolgenden, also durch kryptographische, unauflöslich Verkettung, gewährleistet ist.
- Blockchain
Blockchain wird in den kommenden Jahren zur Schlüsseltechnologie in der IT werden. - (1) Transaktion
Die Transaktion ist die elementare Grundeinheit der Blockchain. Zwei Parteien tauschen Informationen miteinander aus. Dies kann der Transfer von Geld oder Vermögenswerten, der Abschluss eines Vertrags, eine Krankenakte oder eine Urkunde sein, die digital gespeichert wurde. Transaktionen funktionieren im Prinzip wie das Versenden von E-Mails. - (2) Verifizierung
Die Verifizierung prüft, ob eine Partei die entsprechenden Rechte für die Transaktion hat. Die Prüfung erfolgt augenblicklich oder es wird in eine Warteschlange geschrieben, die die Prüfung später durchführt. An dieser Stelle werden Knoten, also Computer oder Server im Netzwerk, eingebunden und die Transaktion verifiziert. - (3) Struktur
Die Transaktionen werden zu Blöcken zusammengefasst, wobei diese mit einer Hash-Funktion als Bit-Nummer verschlüsselt werden. Die Blöcke können durch die Zuweisung des Hash-Wertes eindeutig identifiziert werden. Ein Block enthält einen Header, eine Referenz auf den vorhergehenden Block und eine Gruppe von Transaktionen. Die Abfolge der verlinkten Hashes erzeugt eine sichere und unabhängige Kette. - (4) Validierung
Bevor die Blöcke erzeugt werden, müssen die Informationen validiert werden. Das am meisten verbreitete Konzept für die Validierung von Open-Source-Blockchains ist das „Proof of Work“-Prinzip. Dieses Verfahren stellt in der Regel die Lösung einer schweren mathematischen Aufgabe durch den Nutzer beziehungsweise dessen Computer dar. - (5) Blockchain Mining
Der Begriff Mining stammt aus der Bergbau und meint das „Schürfen“. Bei diesem Vorgang wird der Block erzeugt und gehasht. Um zum Zug zu kommen, müssen die Miner ein mathematisches Rätsel lösen. Wer als Erstes die Lösung hat, wird als Miner akzeptiert. Der Miner erhält für seine Arbeit ein Honorar in Form von Kryptowährung (Bitcoin). - (6) Die Kette
Nachdem die Blöcke validiert wurden und der Miner seine Arbeit verrichtet hat, werden die Kopien der Blöcke im Netzwerk an die Knoten verteilt. Jeder Knoten fügt den Block an der Kette in unveränderlicher und unmanipulierbarer Weise an. - (7) Verteidigung
Wenn ein unehrlicher Miner versucht, einen Block in der Kette zu ändern, so werden auch die Hash-Werte des Blockes und der nachfolgenden Blöcke geändert. Die anderen Knoten werden diese Manipulation erkennen und den Block von der Hauptkette ausschließen.
Das Verfahren ist die technische Basis für Kryptowährungen, kann aber auch zur Verbesserung und Vereinfachung anderer Transaktionsverfahren verwendet werden.
Auch wenn ein praktischer Nutzen für Unternehmen nach Ansicht von Forrester hier noch fünf bis zehn Jahre auf sich warten lassen dürfte, sollten CIOs sich schon heute damit beschäftigen. Das gelte vor allem für Juristen, Banker und Versicherungsexperten beziehungsweise für Unternehmen, die auf diesen Feldern aktiv sind.
Zweitens: 3D-Druck. Solche Verfahren und alles was damit zusammenhängt sind schon deutlich näher an praktischer Nutzbarkeit als die Blockchain-Technologie. Unternehmen sollten sich vor allem unter dem Aspekt der Vernetzung schon heute mit 3-D-Druck befassen, die Frage beantworten, welche Daten solche Drucker in Zukunft benötigen, wo diese herkommen werden und wie sie sich optimal aufbereiten lassen.