Router-Familie und Highend-Softswitch angekündigt

3Com meldet sich im Enterprise zurück

01.08.2003
Vor drei Jahren gab 3Com den "Corebuilder" und damit sein Standbein in Unternehmensnetzen auf. Jetzt will die Company wieder in dieses Marktsegment zurück und Cisco Kunden abjagen, wie Espen Lund, Geschäftsführer der 3Com GmbH, im Interview mit CW-Redakteur Peter Gruber verriet.

CW: 3Com hat in den letzten Jahren überwiegend negative Schlagzeilen gemacht. Erst der Rückzug aus dem Enterprise-Segment durch die Einstellung der Corebuilder-Serie, dann laufend Verluste sowie Entlassungen, und jetzt die Cisco-Klage gegen Ihren chinesischen Partner Huawei. Wie will 3Com aus der Krise kommen?

LUND: Unsere Marschroute steht fest. 3Com will um jeden Preis zurück ins Enterprise-Geschäft und dort neben Cisco eine wichtige Rolle spielen. Wir haben diesen Schritt lange geplant und verfügen auch über das Geld dafür.

CW: Woher dieser Sinneswandel?

LUND: Es war ein Fehler, den Corebuilder aufzugeben. In den vergangenen drei Jahren ist 3Com aus vielen Projekten hinausgeflogen, weil das Portfolio nur einen Teil des ausgeschriebenen Gesamtkonzepts abdeckte. Es hat sich eindeutig als Nachteil erwiesen, dass wir keine Routing-Technologie im Portfolio hatten. Wer im Enterprise-Geschäft langfristig mitspielen möchte, braucht eine komplette Palette.

CW: Woher nehmen Sie die Routing-Technik? Mottet 3Com den Corebuilder jetzt wieder aus?

LUND: Wir profitieren da von unserem Joint-Venture-Partner Huaweiund haben selbst auch viel vom alten Corebuilder mit eingebracht. Es wäre absurd gewesen, die bewährte Technik einfach wegzuschmeißen.

CW: Huawei hat im Router-Markt aber keinen großen Namen.

LUND: Deshalb ist die Zusammenarbeit für beide Partner so wichtig. Für 3Com, weil wir an WAN-Technik kommen, für Huawei, weil es sich einen Namen machen kann. Umfragen haben übrigens ergeben, dass 3Com immer noch als Nummer zwei nach Cisco im Markt wahrgenommen wird. Die Marke 3Com hat also nach wie vor einen Namen. Jedenfalls hat das Joint Venture mit den Chinesen bei Cisco für erhebliche Unruhe gesorgt.

CW: Noch haben Sie keine Router im Angebot. Wann ist damit zu rechnen?

LUND: Wir werden im September eine komplette Router-Familie vorstellen, die vom Soho- bis in den Headquarter-Bereich reicht. Die Palette wird im Umfang der von Cisco in nichts nachstehen.

CW: Sie haben den Bekanntheitsgrad der Marke 3Com angesprochen. Fürchten Sie nicht, dass Anwender bei einem chinesischen Partner die Nase rümpfen?

LUND: Nein, die meisten Hightech-Produkte werden ohnehin in Asien produziert.

CW: Trägt das Joint Venture auch schon andere Früchte?

LUND: Ja. Mit dem Chassis-ba-sierenden Layer-3-Core-Switch "7700", einer Komponente, die das LAN ins Enterprise erweitert, haben wir eine erste Koproduktion auf den Markt gebracht. Da wird bereits unsere Expansionsstrategie ins Enterprise sichtbar.

CW: Durch den Rückzug aus dem Enterprise-Markt hat 3Com drei Jahre der technologischen Weiterentwicklung verpasst.

LUND: In diesem Punkt müssen sich Kunden nicht sorgen. 3Com hat die Entwicklung nicht aus den Augen verloren und mit Huawei zudem einen erstklassigen Partner. Außerdem hatten wir auch Glück. Es hat im Layer-3-Switching und Routing keine großartigen technologischen Sprünge gegeben. Die Technik ist heute kein Problem, vielmehr geht es darum, wer zu welchen Preisen produzieren kann.

CW: Wie stehen da Ihre Chancen?

LUND: Huawei ist im Heimatmarkt die Nummer eins und hat mit 12 000 Ingenieuren ein enormes Entwicklungspotenzial. Außerdem sind die Fertigungsstätten auf dem modernsten Stand. Heute geht es ganz klar um Volumen und Preise - sprich Produktionskosten. Da sind wir mit dem Joint Venture sehr gut positioniert. Unser Ziel ist es, uns am Markt mit einer völlig anderen Preispolitik, aber vergleichbarem Portfolio als attraktive Alternative zu Cisco aufzustellen. Wir sehen gute Chancen, einen Teil des bestehenden IT-Gaps abzudecken.

CW: Welche Lücke meinen Sie?

LUND: Wir wissen, dass viele Unternehmen seit 2000 wenig in IT investiert haben und neues Networking-Equipment benötigen.

CW: Dazu müssten Sie aber erst das Vertrauen der Anwender zurückgewinnen. Mit der Aufgabe des Corebuilders vor drei Jahren hat sich 3Com keine Freunde gemacht.

LUND: Sie haben Recht. Es wird sicher IT-Manager geben, die uns diesen Schritt zunächst nicht glauben und erst einmal abwarten. Wir wissen aber auch, dass viele Endkunden und Vertriebspartner eine ernsthafte Alternative zu Cisco wollen, weil sie von diesem Hersteller abhängig sind. Es gibt im Markt einen enormen Bedarf für Produkte, die so gut sind wie die von Cisco, aber billiger.

CW: Cisco wird auf Ihre Preise doch reagieren?

LUND: Gewiss. Allerdings kennen wir unseren Konkurrenten sehr gut und wissen, dass Cisco eine Gewinnmarge von 70 Prozent einfahren muss, um kostendeckend zu sein. Das heißt, der Spielraum ist nicht sehr groß.

CW: In Ihrer Rechnung spielt aber auch der vermeintliche Nachholbedarf bei den Anwendern eine große Rolle. Warum sollen die ausgerechnet jetzt in 3Com-Produkte investieren?

LUND: Wenn Netzprojekte statt einer halben Million Dollar plötzlich nur noch 200 000 Dollar kosten, werden die Verantwortlichen darüber nachdenken.

CW: 3Com hat sich anfänglich stark im Bereich Voice over IP (VoIP) engagiert, mit Commworks aber seine TK-Tochter verscherbelt. War das kein Fehler?

LUND: Ich glaube nicht. 3Com hat ja Softswitch-Lösungen für IP-Telefonie im Angebot. Außerdem ist mit dem Verkauf von Commworks keine TK-Kompetenz verloren gegangen. 3Com hat wohlweislich darauf geachtet, Patente und Lizenzen zu behalten.

CW: Ihr Softswitch-Angebot ist bisher aber für höchstens 3000 Nebenstellen ausgelegt. Reicht 3Coms TK-Wissen auch aus, um Echtzeitlösungen in großem Stil anzubieten?

LUND: Ja, da werden wir Sie überraschen. 3Com wird Ende des Jahres einen Softswitch auf den Markt bringen, der in andere VoIP-Dimensionen vorstößt.

CW: Welche Größenordnung?

LUND: Wir sprechen von einem Softswitch, der bis zu 50 000 Teilnehmer versorgt. Ein solches Produkt kann man nicht auf den Markt bringen, wenn es echtzeitkritische Anwendungen wie Sprache und Video nicht zuverlässig beherrscht.

CW: Sie haben in diesem Interview eine Router-Familie sowie einen leistungsstarken Softswitch angekündigt, um bei den Großkunden wieder Fuß zu fassen. Kommt dieser Schritt auch, weil 3Com die Um-sätze in den bestehenden Segmenten wie Netzadapter oder Layer-2-Switches wegbrechen?

LUND: Natürlich sind Layer-2-Switches und Netzadapter kein Zukunftsmarkt. Das heißt, wir müssen unser Portfolio nach oben erweitern.

Es gibt aber noch einen anderen Grund für unseren Strategiewechsel. Kunden und Partner sagen immer wieder, wir wollen ein Projekt nur mit Lösungen eines Herstellers realisieren. Das wird sehr oft so vorgeschrieben und ist der Grund, warum Cisco die Ausschreibungen meist gewinnt: Sie bieten End-to-End alles aus einer Hand an. Das wollen wir jetzt auch.