Schnittstellen im Betriebssystem BS2000 nur mit hohem Aufwand zu realisieren:

370-Anpassung stellt Siemens vor Probleme

11.06.1982

MÜNCHEN - Eines der bisher aufwendigsten Softwareprojekte der Siemens AG ist jetzt in München angelaufen: Die Schnittstellen der Systemreihe 7.500 sollen der "IBM-Welt" angepaßt sowie eine Verbindung zwischen den Betriebssystemen BS2000 und BS3000 geschaffen werden. Doch bevor die erste Programmzelle geschrieben ist, zeichnen sich im süddeutschen Elektrokonzern bereits massive Realisierungsprobleme ab. Insbesondere sollen die Siemens-Manager den Aufwand für ihr "Zukunftsprojekt" unterschätzt haben, heißt es an der Isar.

Die Aktion "Rettet BS2000", wie das Vorhaben von Siemensianer gern hinter vorgehaltener Hand bezeichnet wird, könnte sich als ein äußerst teueres und langwieriges Unterfangen herausstellen. Darüber sind sich inzwischen auch die Verantwortlichen im Unternehmensbereich Datenverarbeitung (UBD) einig. Zwar schätzte Vorstandsmitglied Dr. Claus Kessler den Umfang der " Lines of Codes" bei der Bekanntgabe der neuen "Schnittstellenpolitik" Anfang März noch auf rund 250 000 und andere Siemens-Manager die bei der Umstellung anfallenden Mannjahre auf etwa fünfzig; doch werden in der Münchner Konzernzentrale schon jetzt Stimmen laut, die die Kalkulation der UBD-Bosse anzweifeln. Auch bisherige Prognosen über den -Projektverlauf lassen nach Aussagen von Insidern des Elektrokonzerns erkennen, daß Kessler & Co. die Probleme beim "BS2000-Trimm" noch längst nicht im Griff hätten. Vielmehr habe das Siemens-Management die "Rettungsaktion" für das schon seit längerem ins Kreuzfeuer der Anwenderkritik geratene Betriebssystem übereilt eingeleitet. Erst nachdem sich die Münchner Systemspezialisten mit der Umstellungsthematik näher auseinander gesetzt hätten, wären die zu erwartenden Schwierigkeiten deutlich geworden.

Eines der wesentlichsten Probleme bei der PCM-Gratwanderung ist Siemens-Kennern zufolge "historisch" bedingt: Von dem einst beim amerikanischen Hersteller RCA gekauften BS2000 seien lediglich die neueren Module dokumentiert. Bei den kritischen Systemkomponenten gebe es aber weder eine korrekte Dokumentation, noch Mitarbeiter, die sich in den Grundelementen des Betriebssystems zurechtfinden würden. Univac-Entwickler, die das von RCA konzipierte BS2000 unter der Bezeichnung VS9 ebenfalls auf ihren Rechnern einsetzen, sehen denn auch einen "Höllenaufwand" auf die Münchner zukommen, der das Ergebnis "IBM-Kompatibilität" kaum noch rechtfertige. Ein komplettes 370-Interface in das BS2000 "hineinzuquetschen" entspräche einer Arbeit, die der Entwicklung eines neuen Betriebssystems gleichkäme.

Schwierigkeiten erwarten Siemens-Mitarbeiter auch in der unterschiedlichen Softwarearchitektur zwischen ihren eigenen Maschinen und der IBM-Hardware. Die Rechner der Systemreihe 7.500 liefen unter BS2000 mit vier Funktionszuständen, während der Marktführer auf seinen Prozessoren nur zwei eingesetzt haben - den Systemcode und den Usercode. Somit werden auch umfangreiche - Veränderungen im Ein-/Ausgabebereich der 7.500er Systeme erwartet.

Das Projekt wird nach Ansicht einiger Siemens-Spezialisten vermutlich soviel Leute auf sich ziehen, daß andere BS2000-Funktionserweiterungen blockiert würden. Ärgert sich ein UBD-Mitarbeiter: "Die Manpower, die für die BS2000 Anpassung bis 1985 aufgewendet werden soll, wird uns an allen Ecken fehlen." Während der gesamten Umstellung - darüber bestünden in München inzwischen auch bei den Verantwortlichen keine Zweifel - müßten mit Ausnahme kleinerer Korrekturen alle anderen BS2000-Entwicklungen eingefroren werden.

Zusätzliche Verzögerungen könnten Siemens-Beobachtern zufolge sogar noch entstehen, wenn die Hardware/Software-Schnittstellen der Serie 7.500 bereits auf den "IBM-Standard" ausgerichtet seien. Im Größtrechnerbereich der Münchner, der bereits seit 1978 IBM-kompatible Fujitsu-Maschinen vertreibt, beschäftige man sich schon heute intensiv mit der von IBM auf der H-Serie vorgeturnten 31-Bit-Adressierbarkeit. Die vom Siemens-Management angestrebte Kompatibilität "von der kleinsten 7.500er bis zum größten Fujitsu-Prozessor" (Kessler), könne somit bereits wieder anfrage gestellt sein, wenn die Japan-Jumbos mit dieser neuen Technologie arbeiteten. Die Umstellung bei den BS2000-Rechnern auf die 31 Bit-Architektur müßte nachgeschoben werden und könnte weitere zwei Jahre Entwicklungszeit in Anspruch nehmen.

Daß es den Siemens-Managern ernst ist mit der schnellen Realisierung der IBM-Kompatibilität, daran läßt Vorstandsmitglied Kessler keinen Zweifel. Auf einer internationalen Benutzertagung im italienischen Stresa gab sich der UBD-Chef optimistisch: "Wir sind entschlossen, unsere Entwicklungen überall dort wo es sinnvoll ist, auf die entsprechenden Weltstandards auszurichten.

US-Software AG: Mehr Umsatz, weniger Gewinn

In der COMPUTERWOCHE 22/82 vom 28. Mai wurde in dem Artikel "Software AG verabschiedet US-Management" (Seite 1) aufgrund eines Übersetzungsfehlers "schwache Umsatzentwicklung" als Ursache für einen Managementwechsel genannt. Wie aus dem Bericht zu entnehmen ist, führte jedoch ein erwarteter Gewinnrückgang durch gestiegene Kosten zu dem Revirement bei dem amerikanischen Zweig der Software AG. Zur Verdeutlichung die Zahlen: Umsatz 1980/81: 18 Millionen Dollar, Gewinn: 2,4 Millionen, erwarteter Umsatz 1981/82: 25 Millionen, Gewinn in den ersten drei Quartalen: 1,4 Millionen Dollar.