Projektmanagement

Projektleiter sind Chefs ohne Macht

27.07.2015
Von Michael Schweizer
Projektleitung ist eine Strapaze – und für IT-Experten eine große Karrierechance, sagt die Management-Trainerin Hedwig Kellner und gibt Tipps, wie Sie Projektteams richtig anleiten.

Frau Kellner, an einem Projektleiter zerren sein Vorgesetzter, seine Mitarbeiter und, wenn vorhanden, der externe Kunde, und alle in eine andere Richtung. Warum sollte man sich diese Position antun?

Hedwig Kellner: Weil sie für Informatiker die große Karrierechance ist. Firmen wollen nicht mehr ungeprüft den besten Entwickler zum Chef der Entwicklung machen, wo er dann vielleicht als Chef versagt und als Entwickler nicht mehr zur Verfügung steht. Sondern sie wollen testen, wie er Projekte leitet. Wenn er das schafft, eignet er sich auch für eine Linienfunktion.

Projektleiter haben normalerweise keine formelle Autorität. Deshalb müssen sie natürliche Autorität haben oder simulieren.
Projektleiter haben normalerweise keine formelle Autorität. Deshalb müssen sie natürliche Autorität haben oder simulieren.
Foto: Antrey - Fotolia.com

Testen heißt hier ins kalte Wasser werfen?

Kellner: Man kann es auch positiv sehen. Als Projektleiter lernt man die vier grundsätzlichen Führungsfunktionen. Erstens Delegieren. Zweitens Motivieren – wenn man selbst Spaß an der Arbeit hat, kann man daraus nicht schließen, dass andere ihn auch haben. Drittens Planen: Was schiefgehen kann, geht irgendwann schief, darauf muss man vorbereitet sein. Viertens Kontrolle: Das Auge des Bauern macht die Kühe fett. Sobald man Verantwortung für die Arbeit anderer hat, lernt man, sie zu kontrollieren.

Als Leiter ist man ja immer Einzelkämpfer.

Kellner: Nein, um ein Projekt erfolgreich zu leiten, muss man sich im Unternehmen gut vernetzen. Man ist geradezu gezwungen, nützliche Kontakte zu knüpfen. Projektleiter sammeln Wissen für das nächste Gehaltsgespräch. Sie erfahren, wo sie sich intern bewerben können.

Was ist für einen Projektleiter das Schwierigste?

Kellner: Projektleiter haben normalerweise keine formelle Autorität. Deshalb müssen sie natürliche Autorität haben oder simulieren.

Wie macht man das?

Kellner: Beginnen wir mal damit, wie man es nicht machen sollte. Mit Projektleitungen werden oft junge Leute betraut. Die treten häufig zu kumpelhaft auf. Am Anfang hat man dann eine tolle Stimmung im Team. Aber wehe, man muss Druck machen oder unbeliebte Aufgaben verteilen.

Ein zweites Problem für Projektleiter kann sein, dass sie von etablierten Führungskräften, mit denen sie kooperieren müssen, nicht anerkannt werden. Da heißt es sinngemäß: Mit dir rede ich nicht, schick deinen Chef. Der Projektleiter muss hier klarmachen, dass er seine Position nicht aus eigener Anmaßung ausübt, sondern im Auftrag des Unternehmens.

Drittens sollte ein Projektleiter nie so dumm sein, bei Schwierigkeiten im Team seinen Chef um Hilfe zu bitten, denn der wird dann auch weiterhin in seine Arbeit hineinregieren. Entweder man erreicht das Ziel mit dem Team alleine oder eben nicht.

Können wir zur Positivliste übergehen?

Kellner: Wichtig ist selbstbewusstes Auftreten. Ein Projektleiter sollte sich anhören, was alle zu sagen haben, und dann souverän entscheiden. Das signalisiert: Ich hab’s im Griff.

Das kann man aber auch übertreiben.

Kellner: Ja, wenn man es falsch macht. Ein Projektleiter muss allen sympathisch sein. Er muss immer freundlich und höflich sein und Zeit für einen Plausch haben. Ich habe noch keinen Stinkstiefel oder Autisten als erfolgreichen Projektleiter erlebt.

Klingt alles zusammen sehr schwierig.

Kellner: Man muss es eben lernen. Das wäre der nächste Tipp für angehende Projektleiter: Kauf dir ein gutes Führungshandbuch oder besuche ein gutes Seminar. Delegieren, Motivieren, Planen und Kontrollieren sind nicht selbsterklärend, sondern man muss bestimmte Methoden sauber beherrschen. Führungskräfte müssen gut in Führung sein, nicht unbedingt auch fachlich. Das ist für IT-Leute und Ingenieure, die sich gerne übers Fachliche definieren, schwierig.

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