Urteile aus der Vertragspraxis

3-2-UWG-2 Urteil OLG Stuttgart vom 6. Februar 1981 (2 U 174/80)Firmenbezeichnung "Informatik GmbH"

07.05.1982

Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemünd

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Auch eine Sachbezeichnung wie das Wort "Informatik" kann Namensfunktion haben und gegebenenfalls firmenrechtlich geschützt sein, wenn es in einem übertragenen Sinn gebraucht wird.

2. Das ist nicht der Fall, wenn eine Firma das Wort "Informatik" verwendet, die als gewerbliche Leistung die praktische Anwendung dessen erbringt, was die Informatik als Wissenschaft lehrt. Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Klägerin befaßt sich seit 1972 gewerblich mit elektronischer Daten- und Informationsverarbeitung. Seit 1976 lautet die Firma 'Informatik-Beratungsgesellschaft für Informationsverarbeitung ...mbHÆ. In ihren Geschäftsvordrucken, Werbeschriften und Zeitungsanzeigen nennt die Klägerin sich auch, 'Informatik- Beratungs GmbH' oder 'Informatik GmbH'.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der . . ., die sich mit Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften in mehreren Großstädten der Bundesrepublik auf dem gleichen Gebiet betätigt wie die Klägerin. Sie ist im Geschäftsverkehr unter der Firma ,XXX-Informatik GmbHÆ aufgetreten.

Die Klägerin sieht in der beabsichtigten Firma der Beklagten eine Verletzung ihres Namensrechts und begehrt im Wegei der einstweiligen Verfügung gemäß °° 16 UWG, 12 BGB Unterlassung." Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Das OLG hat ihn abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

"I. 1. Zwischen den vollständigen Firmen der Parteien ... besteht keine Verwechslungsgefahr. Das wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

2. Eine Verwechslungsgefahr wird aber auch nicht dadurch begründet daß die Klägerin den Firmenbestandteil, Informatik schlagwortartig benützt. Das Wort, Informatik ist für die Klägerin nicht geschützt. Es hat weder von Haus aus Namensfunktion (unten 3.), noch ist glaubhaft gemacht, daß es als Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin Verkehrsgeltung erlangt hat (unten 4.)

3. Informatik wird definiert als, 'wissenschaftliche Studienrichtung und InformationsverarbeitungÆ (Brockhaus Enzyklopädie 1970) oder, die Wissenschaft von den elektronischen Datenverarbeitungsanlagen und den Grundlagen ihrer Anwendung' (Meyers Enzyklopädisches Lexikon 1974).

Das Wort "Informatik" könnte in dem von der Klägerin gebrauchten Sinn trotzdem von Haus aus Namensfunktion haben, wenn die Klägerin es nicht in dem üblichen sondern im übertragenen Sinn gebrauchen würde.

Das Landgericht hat das mit der Begründung bejaht, unter Informatik werde nach allgemeinem Sprachgebrauch die Lehre der Informationsverarbeitung, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verstanden, nicht aber eine gewerbliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Das Wort Informatik werde für sich allein in der Fach- und Umgangssprache nicht als Bezeichnung für ein auf dem Gebiet der Datenverarbeitung tätiges Unternehmen aufgefaßt.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beklagte hat schon im 1. Rechtszug mit Recht darauf hingewiesen, daß beispielsweise das Wort ,Chemie' als Firmenbestandteil nicht geschützt werden kann. Das bezweifelt auch die Klägerin nicht. Es ist aber nicht einzusehen, warum das Wort Informatik besseren Schutz genießen soll, als das Wort Chemie.

Auch die Chemie ist eine Wissenschaft. Trotzdem kommt niemand auf die Idee daß eine Handelsgesellschaft, die das Wort in ihrer Firma führt, eine Forschungs- oder Lehranstalt sei. Sondern es ist von vornherein (das heißt nicht etwa erst aufgrund einer Bedeutungswandlung des Wortes ,Chemie') klar, daß diese Firma Chemikalien herstellt oder handelt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es nicht abwegig, die Informatik in die Nachbarschaft von ,ganzen' Wissenschaften zu rücken. Gäbe es eine ,ganze Wissenschaft', so wäre es die Informatik nicht weniger als die Chemie.

Der Gegenstand des Gewerbes beider Parteien ist nichts anderes als die praktische Anwendung dessen, was die Informatik als Wissenschaft lehrt. Wer diese Wissenschaft studiert hat, ist ,Informatiker-. Die Beklagte sucht in der beanstandeten Zeitungsanzeige Informatiker, und auch die Klägerin beschäftigt Informatiker....

5. Da das Wort Informatik für die Klägerin nicht geschützt ist, kommt es nicht darauf an, ob im Geschäftsverkehr Verwechslungen vorgekommen sind. Wenn die Klägerin von Kunden gefragt wurde, ob die beanstandete Anzeige von ihr stamme, oder ob sie von der XXX-Gruppe übernommen worden sei, so sind diese Pannen nicht darauf zurückzuführen, daß die Beklagte sich an den guten Ruf der Klägerin anhängt, sondern darauf, daß die Klägerin eine von Haus aus nicht unterscheidungskräftige Sachbezeichnung schlagwortartig benutzt, die eben deshalb weil sie nicht unterscheidungskräftig ist, auch anderen zur Benutzung offensteht".