2009 - das kommt auf Sie zu!

15.12.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Für IT-Abteilungen ist es in der Krise entscheidend, sich richtig zu positionieren und die wichtigen Themen zu besetzen.

Deutschland erwartet 2009 die schlimmste Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit dieser wenig ermutigenden Prognose verabschiedete sich die Bundesregierung in den Weihnachtsurlaub. Von Aussagen, die hiesige Wirtschaft werde im laufenden Jahr stagnieren oder gar leicht wachsen, haben sich die Politiker längst verabschiedet. Im Wirtschaftsministerium hält man inzwischen einen Konjunktureinbruch von bis zu drei Prozent für möglich. Ende Januar will Bundeswirtschaftsminister Michael Glos mit einer überarbeiteten Prognose an die Öffentlichkeit gehen.

Die will jedoch nicht mehr jeder hören. Selbst renommierte Ökonomen wie Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, plädierten dafür, angesichts der grassierenden Horrorszenarien auf weitere Prognosen zu verzichten. In Krisenzeiten würden die Vorhersagen oft negativ überzeichnet. Der Finanzexperte befürchtet, dass sich die Prophezeiungen letztendlich selbst erfüllen könnten. Zudem sei die aktuelle Krise Zimmermann zufolge in ihrem Ausmaß schwer einzuschätzen: "Wir können sagen, da passiert etwas Schlimmes, aber wie schlimm es wird, können wir nicht sagen."

Kaum ein Analyst zweifelt daran, dass 2009 weltweit ein schweres Jahr für die IT-Branche sein und der Druck auf Anbieter und Anwender steigen wird. Sicher ist jedoch nichts. Aus Sicht von Hartmut Lüerßen, Partner bei der Lünendonk GmbH, ist die wirtschaftliche Entwicklung für 2009 derzeit kaum seriös prognostizierbar. Das zeigten die mehrmals korrigierten Ausblicke der großen Wirtschaftsforschungsinstitute für 2009. Auch die Prognosen für den IT-Markt gingen weit auseinander.

Wie schlimm erwischt es die IT?

Gartner geht davon aus, dass sich die IT-Budgets weltweit zwischen im besten Fall einem Plus von 2,3 Prozent und im schlechtesten Fall einem Minus von 2,5 Prozent bewegen. Am wahrscheinlichsten sei im kommenden Jahr eine Stagnation der IT-Ausgaben. Auch in Europa sei 2009 ein Schrumpfen des Marktes wahrscheinlich. Optimistischer sind die Auguren von IDC. Für die Region Emea erwarten sie noch knapp drei Prozent Wachstum. Allerdings haben auch sie ihre Erwartungen deutlich reduziert: Die aktuelle Wachstumsprognose liegt 1,5 Prozentpunkte unter dem letzten Forecast vor der Finanzkrise.

"Der IT-Markt in Westeuropa ist für die absehbare Zukunft in eine Phase relativ schleppenden Wachstums eingetreten", konstatiert IDCs Research Director Marcel Warmerdam. "Viele IT-Anwender ändern angesichts der bevorstehenden härteren Zeiten bereits ihre Prioritäten und verschieben Projekte oder blasen sie gleich ganz ab." Diese Entwicklungen werden sich negativ im deutschen IT-Markt bemerkbar machen. Die hiesigen Geschäfte sollen den IDC-Analysten zufolge im laufenden Jahr im Vergleich zu 2008 lediglich um ein Prozent zulegen.

Krise ist nicht gleich Krise

Trotz der schlechten Aussichten gehen die Experten nicht von einer Katastrophe aus. Christophe Chalons, Geschäftsführer von Pierre Audoin Consultants (PAC) in München, hält die deutsche IT-Szene für krisenerfahren. Zwar habe der hiesige IT-Markt gerade vier freundliche Jahre hinter sich, allerdings seien die Wachstumsraten weit unter dem Niveau der zweiten Hälfte der 90er Jahre geblieben, denen die Dotcom-Krise folgte. "Darüber hinaus war die letzte Krise eine IT-Krise", sagt Chalons. "Das Platzen der E-Business-Blase war das Ende eines Traums, der sich auf IT stützte. Es war die Zeit des 'IT doesn't matter'."

In ihrem Umfeld ähnelte die jetzige Krise eher der von 1992 und 1993, vergleicht der PAC-Experte. Damals habe sich der IT-Markt ziemlich schnell erholt, weil IT als Schlüssel zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung erkannt worden sei. Das werde sich jetzt wiederholen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen würden inzwischen IT als strategisches Werkzeug sehen, um die Performance ihrer Firma zu erhöhen. Damit stelle die IT einen unerlässlichen Erfolgsfaktor dar, und die zahlreichen Compliance-Vorgaben verstärkten noch einmal die Notwendigkeit einer verlässlichen IT. Chalons' Fazit heute: "IT matters."

"IT ist schlank aufgestellt"

Auch Gartner glaubt daran, dass die IT-Branche der aufziehenden Krise trotzen kann. Im Gegensatz zur letzten IT-Krise im Jahr 2001 seien die IT-Funktionen in den Unternehmen personell und in ihrer technischen Ausstattung schlank aufgestellt. Den Vorwurf, mehr Geld ausgegeben zu haben als nötig, brauche sich die IT dieses Mal nicht gefallen zu lassen. Seit Jahren gelte schließlich das Diktat "Do more with less", sagt Gartners Chef-Researcher Peter Sondergaard. Außerdem sei die IT noch stärker als zur Jahrhundertwende integraler Bestandteil der Unternehmensprozesse. "CEOs betrachten die IT deshalb nicht als erste Adresse, wenn es um Budgetkürzungen geht."

Dennoch wird die Krise nicht spurlos an den IT-Abteilungen vorübergehen. Weltweit müssen die Unternehmen ihre Kosten reduzieren, und die IT werde nicht darum herumkommen, einen Teil dieser Senkungen zu schultern, sagen die Gartner-Analysten - als Solidaritätsbeitrag quasi. Der wachsende finanzielle Druck hat indes auch positive Aspekte. Dadurch beschleunigten sich die bereits seit einigen Jahren laufenden Wandlungsprozesse, glaubt Frank Gens, Chefanalyst bei IDC. "Eine nur langsam wachsende Weltwirtschaft hat im IT-Markt eine Wirkung wie ein Schnellkochtopf: Sie führt dazu, dass Entwicklungen schneller vonstatten gehen und sich neue Technologien und Geschäftsmodelle schneller im Markt durchsetzen."

Mit Innovationen aus dem Tal

Mit Innovationen der Krise entgegentreten, lautet ein Rezept gegen die schwierigen Zeiten. "Die IT-Abteilungen werden sich aus der Krise herausinnovieren müssen", schreibt beispielsweise Gartner den CIOs ins Hausaufgabenheft. Kosten zu senken und Effizienz zu steigern reicht auch Chalons zufolge nicht aus, um die Leistungsfähigkeit einer Firma langfristig zu verbessern. Erfolg habe, wer innovativ sei. Dabei sei der IT-Einsatz ein kritischer Erfolgsfaktor. Eine Krise stelle zudem oft eine gute Gelegenheit dar, "heilige Kühe zu schlachten", erinnert der PAC-Experte. Jetzt sei eine gute Zeit, bislang unantastbare Unternehmensabläufe, Systeme und Organisationen radikal zu modernisieren.

Zwischen dem Anspruch, Innovationen voranzutreiben, und der Wirklichkeit klafft jedoch noch eine Lücke. In der momentanen Krise verändert sich die strategische Grundeinstellung der Firmen von "Angriff" auf "Verteidigung", beobachtet Chalons. Die meisten Unternehmen konzentrierten sich darauf, Portfolios, Prozesse sowie Mitarbeitereinsatz zu verbessern. Die Krise bedeute in aller Regel geringere Einnahmen und damit kleinere Investitionen sowie schließlich einen stärkeren Fokus auf kurzfristige Rentabilität. Diese Trends würden sich auf die IT-Investitionen auswirken, jedoch erwartet PAC keinen dramatischen Einbruch wie in den Jahren 2001 bis 2003.

Lünendonk-Analyst Lüerßen befürchtet für die beiden kommenden Jahre ähnliche Effekte, wie sie im Zuge der Dotcom-Krise zu beobachten waren. "Die Unternehmen reduzieren Kosten, fahren Investitionen zurück, befreien fest gebundenes Kapital und verlagern notwendige kontinuierliche Investitionen in Technologien für effiziente Prozesse auf den Dienstleister." Der Fokus verlagere sich vom "Change the Business" auf das "Run the Business": "Operative Effektivität steht im Mittelpunkt der verbleibenden Investitionen."

Der Kampf ums Überleben

Auch Nicole Dufft, Geschäftsführerin von Berlecon Research, sieht in turbulenten Zeiten die Gefahr, dass die Verantwortlichen in den Firmen IT und TK einmal mehr als reine Utility wahrnehmen und primär operativ ("muss problemlos laufen") und unter Kostengesichtspunkten ("darf nicht zu viel kosten") betrachten. Das Business werde 2009 vor allem mit wirtschaftlichen Herausforderungen - teilweise auch um das pure Überleben - kämpfen müssen "und kaum den Kopf frei haben für visionäre ITK-Projekte mit nicht absehbarem Ausgang".

Es wäre jedoch ein grober Fehler, wegen dieser Herausforderungen die Möglichkeiten der IT außer Acht zu lassen. Trotz Krise müssten die Unternehmen auf Flexibilität und Kosteneffizienz achten, lautet das Credo der Experten. Dabei dürften sie aber die eigene Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden. Dazu könnten ITK-Techniken einen erheblichen Beitrag leisten, ermuntert Berlecon-Chefin Dufft. Auch aus Sicht von PAC-Experte Chalons wird die Bedeutung von Kostensenkung und Effizienzsteigerung, Globalisierung, Flexibilität und Agilität sowie Fusionen und Übernahmen eher zu- als abnehmen. Genau diese Themen verlangten jedoch einen erheblichen Beitrag der IT.

Ein guter Zeitpunkt für den Wandel

Diesen Herausforderungen müssen sich die IT-Abteilungen stellen. Die Verantwortlichen konzentrierten sich jedoch oft zu schnell nur darauf, die Kosten zu reduzieren, kritisiert Luis Praxmarer, CEO der Experton Group. In der Vergangenheit hatte die IT meist ziemliche Schwierigkeiten, ihre Maßnahmen auf die Geschäftsstrategien und die Unternehmensausrichtung abzustimmen, kommentiert der Experte, "daran hat sich nichts geändert". Globale Initiativen, die alle Bereiche der IT und des IT-Managements betreffen, seien nicht unbedingt die Stärke der IT-Führungsmannschaft. "Zurzeit stehen Unternehmen, die Wirtschaft, die Umwelt und die Technologie vor einem Wendepunkt - ein guter Zeitpunkt für die IT, ihre Organisation neu zu gestalten."

Prognosen Einzelmärkte

PC-Austauschzyklen werden IDC zufolge verlängert, und auch die Nachfrage nach Servern und Storage soll angesichts der verschobenen oder zusammengestrichenen Projekte sinken. Die Einnahmen der Hersteller leiden unter den weiter fallenden Preisen. Der Hardwaresektor wird daher voraussichtlich 2009 zwei Prozent weniger umsetzen und soll erst 2011 wieder wachsen.

Beim PC-Absatz rechnet IDC 2009 nur noch mit einem weltweiten Wachstum von 3,8 Prozent bei einem Umsatzrückgang von 5,3 Prozent. 2007 waren die Verkäufe noch um satte 15 Prozent gestiegen.

Das Segment Smart Handheld Devices wird aus Sicht der IDC-Analysten zwischen 2007 und 2012 ein stabiles, wenn auch weniger dynamisches Wachstum als in den vorangegangenen Jahren aufweisen.

Der Softwaremarkt wächst den Marktforschern zufolge je nach Segment in unterschiedlichem Tempo. Zentralisierung, Konsolidierung und Virtualisierung sind die Treiber. Zudem soll sich die Nachfrage nach SaaS-Lösungen verstärken. IDC erwartet für Deutschland einen durchschnittlichen Anstieg der Ausgaben für Software von fünf Prozent für die kommenden Jahre.

Der deutsche Markt für IT-Services gestaltet sich 2009 durch die eingetrübte Konjunktur etwas zurückhaltender, gleichwohl wird dieses Segment IDC zufolge weiter wachsen. IT-Services-Investitionen von 4,7 Prozent mehr als im Jahr 2008 können als realistisch erwartet werden. Gestützt wird der Markt vor allem dadurch, dass Unternehmen verstärkt alternative und preislich attraktive Bezugsmodelle von Hard- und Software suchen.

Die Telekommunikationsbranche bekommt laut IDC die Auswirkungen des verlangsamten Wachstums ebenfalls zu spüren: Die weltweiten Umsätze gehen um die Hälfte zurück, was zu einer Konsolidierung der großen Anbieter führt und diese aggressiv in den Markt für Cloud-Services drängen lässt.

Die Online-Wirtschaft profitiert IDC zufolge von der Krise, denn immer mehr Menschen kaufen über das Internet ein, zum einen wegen der günstigeren Preise, zum anderen, weil manche Produkte in der schwächelnden Offline-Wirtschaft schwerer zu finden sind.