2008 - das Jahr der Evergreens

10.01.2008
Von Helmut Krcmar , Stefanie Leimeister  und Thomas Siekmann 
ERP und Prozessorientierung halten deutsche CIOs im kommenden Jahr für die wichtigsten Herausforderungen. Themen wie SOA, EAM und Industrialisierung hingegen fallen deutlich ab.
CIOs werden sich 2008 eigener Einschätzung nach heftigen Personalproblemen ausgesetzt sehen
CIOs werden sich 2008 eigener Einschätzung nach heftigen Personalproblemen ausgesetzt sehen
Nach dem Dafürhalten der Circle-CIOs steht auch im kommenden Jahr Bewährtes auf der Tagesordnung
Nach dem Dafürhalten der Circle-CIOs steht auch im kommenden Jahr Bewährtes auf der Tagesordnung
SOA und andere Trendthemen halten die CIOs noch für "unreif" und für überzogen diskutiert.
SOA und andere Trendthemen halten die CIOs noch für "unreif" und für überzogen diskutiert.

Dem kommenden Jahr sehen deutsche IT-Manager gelassen entgegen - ihrer Einschätzung nach wird die strategische Bedeutung der IT und die Rolle des CIO gewürdigt und steigt die Akzeptanz der IT innerhalb des Unternehmens weiter an. Zu diesem Ergebnis kommt eine deutschlandweite Umfrage unter den Mitgliedern des CIO Circle, der größten europäischen Vereinigung von IT-Verantwortlichen. An der Untersuchung beteiligten sich 123 CIOs und IT-Leiter aus dem deutschsprachigen Raum. Mit 60 Prozent Mittelstandsbeteiligung, einer harmonischen Verteilung der Berufserfahrung der Teilnehmer und einem ausgeglichenen Branchenmix stellen die Ergebnisse ein gutes Abbild der deutschen Wirtschaft dar.

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wieso CIOs Mode-themen nicht so wichtig sind; wie sie ihre Rolle im Unternehmen ein-schätzen; und welche Prioritätensie setzen.

Strategische Rolle der IT wächst weiter

Zwei Drittel der Befragten sehen für das Jahr 2008 wieder strategische Themen auf der Agenda - nur ein Drittel der CIOs schätzt den anhaltenden Kostendruck auf die IT und Sparprojekte als dominante Entwicklung ein. Dabei fällt auf, dass gerade die IT-Verantwortlichen im Mittelstand ihre positiven Optionen sehen, in großen Unternehmen und Konzernen finden sich eher skeptische Töne und wenig Hoffnung auf Änderung des Sparkurses.

Allerdings scheint die Erfahrung im Job die Einschätzung deutlich zu verändern: Die "alten Hasen" unter den CIOs mit einer Erfahrung von mehr als zehn Jahren reagieren eher verhalten auf die Frage, wie groß die Wahrnehmung der IT als strategisches Instrument des Unternehmens ist. Die jüngeren CIOs dagegen gehen bei dieser Frage mit gro-ßem Optimismus ins neue Jahr. Offen bleibt, ob dieser Unterschied in den Erwartungen die Folge "bremsender" Erfahrungen und lähmender Hierarchie in großen Unternehmen ist - oder das Anzeichen einer neuen Generation von CIOs mit einem veränderten Rollenverständnis.

IT und Geschäft greifenstärker ineinander

Beim Zusammenspiel zwischen IT und Geschäft schätzen sich 78 Prozent der Befragten als wichtigen Partner und Gestalter betrieblicher Prozesse ein. Nicht einmal 20 Prozent der Befragten erachten ihre Rolle im Unternehmen als gering oder auf die technische Umsetzung begrenzt. Insbesondere in großen Unternehmen zeigt sich deutlich, dass die IT-Verantwortlichen ihre Prozessverantwortung als etabliert sehen und die IT sich nah am Business bewegt. In kleinen Unternehmen und im Mittelstand scheint diese Prozessverantwortung hingegen noch kein Geschäftsalltag zu sein. Gerade dort herrscht mit 61 Prozent aber die optimistische Einschätzung, die eigene Rolle als Gestalter von Geschäftsprozessen im nächsten Jahr stärken zu können. Insgesamt wird deutlich, dass das Bild des CIO nicht mehr auf den "Techniker" begrenzt ist. Gerade bei CIOs mit langjähriger Berufserfahrung zeigt sich ein deutliches Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis als Mitgestalter von Geschäftsprozessen.

Nachhaltige IT-Strategie im Unternehmen setzt sich durch

Großes Selbstbewusstsein herrscht unter den Befragten im Hinblick auf die Wahrnehmung der IT-Strategie im Unternehmen. Über die Hälfte der CIOs ist der Meinung, dass die Qualität der Arbeit sich durchsetzt und auch Personal- und Richtungswechsel in der Unternehmensspitze übersteht. Wechsel der Geschäftsführungen oder Vorstände machen demnach keine Angst, lediglich ein Viertel der Befragten fürchtet, dass dann alle Bemühungen um Reputation der IT nutzlos werden und die Arbeit der vergangenen Jahre wenig zählt. Hier ist der Mittelstand deutlich enger an die Unternehmensführung gebunden: 53 Prozent der Mittelstands-CIOs sehen die Abhängigkeit ihres Erfolges von den Personen in Vorstand oder Geschäftsführung.

Fachkräftemangelin der IT hält an

Die Personalsituation im IT-Bereich ist nach wie vor angespannt und wird sich im nächsten Jahr noch weiter zuspitzen, so die einhellige Meinung der Befragten. Gegen den Trend sehen IT-Verantwortliche in kleinen Unternehmen dem Personalmangel gelassen entgegen - im Vergleich zu ihren Kollegen in Großunternehmen, die diese Entwicklung als deutlich größeres Problem empfinden.

Nach Prioritäten und Themen für 2008 gefragt, zeichnen die Umfrageteilnehmer ein klares Bild. Entgegen der Vermutung, neue Entwicklungen wie SOA oder die Industrialisierung der IT prägten die Agenda der CIOs, setzen die Befragten Schwerpunkte bei eher "bodenständigen" Themen:

Für über 70 Prozent der Befragten steht die Sicherung geschäftsnaher Systeme wie Enterprise Resource Planning (ERP) oder Customer-Relationship-Management im Fokus, während Themen wie Infrastruktur, Kommunikation oder Mobility ei-ne vergleichsweise geringe Rol-le spielen werden. In diesem Punkt sind sich die CIOs un-abhängig von Unternehmensgröße und Berufserfahrung einig. Auch bei konkreten Projekten zeigt sich, dass Prozessorien-tierung und -optimierung einerseits und Einführung und Weiterentwicklung von ERP-Systemen andererseits die beiden wichtigsten Umsetzungsthemen für 2008 sind. Dabei geht es bei ERP nicht allein um die Weiterentwicklung oder Einführung neuer Releases und Updates, sondern teilweise um komplette Neueinführungen und internationale Rollouts.

Bodenständig zeigen sich die CIOs ebenfalls bei der Einschätzung neuer Themen wie SOA, EAM und der Industrialisierung der IT. Gerade beim letzten Thema erwartet zwar mit 58 Pro-zent die klare Mehrheit der Befragten Veränderungen der Sourcing-Strukturen bei der IT-Beschaffung, mit einer gewan-delten Rolle und Wahrnehmung des CIO rechnet sie dagegen nicht. Strategische IT-Planung nutzt diese erweiterten Optionen als selbstverständliches Werkzeug. Ein Drittel der Befragten antwortet auf die Frage nach möglichen Veränderungen durch eine Industrialisierung der IT noch klarer und hält das Thema für völlig überzogen diskutiert und für ihr Unternehmen beziehungsweise die Rolle der IT nicht relevant.

Nüchternheitstatt Euphorie

Ähnlich ernüchternd ist die Einschätzung der IT-Entscheider beim aktuellen Thema Service-orientierte Architekturen (SOA). Fast die Hälfte der Befragten beurteilt Nutzen und Nutzung von SOA als verhalten und will erst einmal abwarten, was sich in der Praxis bewährt. Der Ansatz wird von der Mehrheit der Befragten als unreif betrachtet. Nur 13 Prozent der Befragten planen, bald in das Thema zu investieren. Die zahlreichen Diskussionen vergangener Monate scheinen bisher nicht zu einer durchdringenden Umsetzung des Ansatzes geführt zu haben.

Ebenfalls skeptisch beurteilen CIOs die Aussicht, im Rahmen eines Enterprise- Architecture-Managements (EAM) eine unternehmensweite Architektur von Geschäftsprozessen, Anwendungen und Daten bis hin zur IT-Infrastruktur aufzubauen und auf deren Basis ganzheitlich und langfristig zu planen. Zu viele Änderungen des Geschäfts und Notwendigkeit zu Kompromissen verhindern, dass ein solcher Ansatz in der Realität konsequent gelebt werden kann. Dabei nimmt die Einsicht in die grundsätzliche Notwendigkeit einer solchen Planung anscheinend mit der Berufserfahrung zu: Immerhin 32 Prozent der CIOs mit mehr als zehn Jahren Berufs-erfahrung in dieser Position begrüßen eine umfassende und ganzheitliche Architekturplanung in der IT und sehen das Potenzial, Änderungen in den Geschäftsabläufen durch EAM leichter umzusetzen. Folgt man der aktuellen Stimmung der CIOs, wird 2008 also das Jahr der Evergreens: Prozessorientierung und ERP-Systeme sind bereits seit Jahren ein Dauerbrenner und, wie sich zeigt, nach wie vor geschäftskritisch.

(ciw)