IT im Gesundheitswesen/Elektronische Patientenakte (EPA) erleichtert die Abrechnung

2003 Diagnosis Related Groups einüben

22.11.2002
Schon bald ticken die Uhren für deutsche Kliniken anders: Die Diagnosis Related Groups (DRGs) werden eingeführt. Dies zieht erhebliche Änderungen für das Finanzierungssystem im Gesundheitswesen nach sich. Ab 2004 wird die Umsetzung von DRGs obligatorisch. Von Jürgen Dreckmann*

Die Wurzeln für das künftige Finanzierungssystem im Gesundheitswesen liegen in den USA. Dort nahmen die Diagnosis Related Groups (DRGs) oder Fallpauschalen Ende der 70er Jahre ihren Ursprung, und zwar mit der Entwicklung der ersten Systeme zur Klassifikation von stationären Behandlungsfällen. Ähnliche Systeme wurden daraufhin auch international eingeführt: unter anderem in den meisten skandinavischen Ländern, in Österreich, der Schweiz sowie in Australien. Letzteres ist für die Kliniken hierzulande bedeutsam - denn Australien steht Pate für die DRGs in Deutschland. Den Ausschlag, sich am australischen Beispiel zu orientieren, gab das Votum einer von der Bundesregierung beauftragten Expertenkommission. Diese nahm die unterschiedlichen Ausprägungen der DRGs unter die Lupe und kam zu dem Schluss, dass das 1992 auf nationaler Ebene eingeführte australische Modell am besten auf Deutschland übertragbar sei.

Die Umgestaltung des Abrechnungsmodus hat hier wie da die gleiche Motivation: Es muss gespart werden! Die bisherige Abrechnung von Krankenhausleistungen mit den Krankenkassen ist kompliziert: Rund 75 Prozent aller Krankenhausaufenthalte werden über den Pflegesatz abgerechnet - das ist der Betrag, den die Krankenkasse pro Tag und Versicherten an die Klinik bezahlt. In dieser Abrechnungsform kommt es nur auf die Länge des Aufenthaltes an. Einzelleistungen spielen keine Rolle. Die restlichen zirka 25 Prozent der Klinikaufenthalte werden über deutschlandweit vereinbarte Fallpauschalen abgerechnet. Diese gelten nur für überschaubare und kalkulierbare Operationen wie zum Beispiel Blinddarm- und Mandelentfernung. Der Festbetrag deckt Vorbereitung, Operation und Nachsorge ab, unabhängig davon, wie lange der Patient im Krankenhaus liegt.

Die DRGs revolutionieren nun dieses wenig kosteneffiziente Abrechnungsmodell. DRGs sind Fallpauschalen, die auf einer diagnostizierten Grunderkrankung basieren. Sie sollen Leistung, Wirtschaftlichkeit und Qualität belohnen und vor allem vergleichbar machen. So erhalten die Krankenkassen erstmals einen Einblick in die tatsächlich erbrachten Leistungen und deren Kosten. Der Vorteil für die Patienten besteht darin, dass sie Krankenhäuser in Leistung und Qualität vergleichen und sich bewusst für ein Haus entscheiden können.

Für Krankenhäuser bedeutet die Einführung der DRGs grundlegende Verbesserungen von Aufbau- und Ablauforganisation administrativer, medizinischer und pflegerischer Krankenhausprozesse. Dabei gilt es, die veränderten Voraussetzungen an die Funktionalität und Güte der diversen softwarebasierenden Kontroll-, Prozess- und Krankenhausinformationssysteme zu beachten.

Faktor Nummer eins: Die EPA

Neben dem elektronischen Einkauf (E-Procurement) für medizinische und pharmazeutische Produkte oder der Ein- und Überweisung von Patienten via E-Mail bietet hier vor allem die elektronische Patientenakte (EPA) einen guten Ansatzpunkt zur Effizienzsteigerung. Unter Klinikvorständen und Krankenhaus-IT-Spezialisten wird sie seit geraumer Zeit stark diskutiert, wie eine Befragung der Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus-IT im April 2002 zeigt. Dort führt die EPA die Liste von Themen an, die den IT-Verantwortlichen unter den Nägeln brennen. Die EPA soll in elektronischer Form alle Dokumente enthalten, die, wie etwa Röntgenbilder des Patienten, gegenwärtig in Papierform vorliegen und bei Visiten im klobigen Rollcontainer mitgeführt werden.

Die Vorteile der EPA liegen aber nicht nur in einer verbesserten Verfügbarkeit der Patientendaten auf einem schlanken Laptop oder handlichen Personal Digital Assistant, sondern auch in der Möglichkeit, Dokumente vor unberechtigtem Zugriff effektiv zu schützen. Der Kreis der Zugriffsberechtigten ist dabei nicht konstant, sondern kann sich beim Verlegen auf eine neue Station, beim Wechsel des behandelnden Arztes oder bei Freigabe durch den Patienten ändern. Hier wird das System durch entsprechende Rechte- und Rollenkonzepte unterstützt. Auf dieser Grundlage kann die EPA helfen, Kosten zu senken und gleichzeitig die medizinische Behandlungsqualität zu steigern, indem beispielsweise doppelte Röntgenaufnahmen vermieden werden.

Die EPA setzt eine Kommunikationsplattform voraus, die im Wesentlichen aus gängigen Internet-Komponenten besteht: universellem Browser als Frontend, Web-Server, TCP/IP-Netzwerk, Applikations-Server sowie Java. Zwei Prinzipien lassen sich für die Architektur postulieren: Die fachlichen Komponenten müssen technisch gekapselt werden, um unterschiedlichen Innovationszyklen Rechnung zu tragen. Bei der Einführung einer neuen Hardware- oder Softwarekomponente muss dann nicht das gesamte System neu ausgerichtet werden. Zusätzlich sind weitestgehend medizinische sowie technische Standards zu setzen und damit proprietäre Lösungen zu vermeiden.

Standortübergreifende Kommunikation

Für das Berechtigungssystem wird empfohlen, eine dezentrale LDAP (Lightweight Directory Access Protocol)-Infrastruktur mit hierarchischer Synchronisation am Standort der Zentrale aufzubauen.

Um die Kommunikation für alle Parteien zu vereinfachen, ist es notwendig, den Standard Health-Level HL 7 in der XML-Ausprägung einzusetzen. HL 7 wurde speziell für das Gesundheitswesen entwickelt. Die Kombination von HL 7 und XML unterstützt den Datenaustausch und reduziert die Schnittstellen-Problematik erheblich, indem festgelegt wird, wie und welche Informationen ausgetauscht werden.

Genauso wichtig wie die Fragen der Kompatibilität gestalten sich aber auch Aspekte rund um das Thema Verfügbarkeit, denn der Gesetzgeber schreibt eine Frist von 30 Jahren zur Aufbewahrung der Patientendaten vor. Während dieser Zeit sollten die Dokumente online vorhanden sein und - um einen direkten Zugriff zu gewährleisten - nicht etwa auf Mikrofiche ausgelagert werden. Die Archivierung kann deshalb zweistufig verlaufen: Via raschem RAID-Zugriff (Redundant Array of Inexpensive Disks) während des stationären Aufenthalts und der unmittelbaren Nachbehandlung oder via direktem Online-Zugriff auf Jukeboxen, welche die ausgelagerten Dokumente enthalten, für den Zeitraum danach.

IT-Systeme fit für die EPA machen

Die Ablage und Wiedergabe der Dokumente kann dabei zum Beispiel eine Javabean steuern. Bestimmte Systeme simulieren im Zuge dessen ein File-System innerhalb der Jukebox, so dass die Referenzierung im zentralen Index transparent und für alle Dokumente gleichartig ist.

Will ein Krankenhaus die EPA einführen, muss es vor allem das IT-System in den Blick nehmen und sich komplexen technischen Fragen stellen. Die Verantwortlichen sollten sich hier von Experten unterstützen lassen. Beispielsweise wurde bereits speziell für Kliniken ein IT-Checkup entwickelt. Dabei wird die IT-Infrastruktur unter die Lupe genommen, Schwachstellen werden identifiziert und die Voraussetzungen für eine moderne IT-Architektur geschaffen. Hierfür sind Schnittstellen und Prozesse hinsichtlich der Patientendokumentation zu analysieren. Dies betrifft insbesondere Bereiche wie Verlaufsbeschreibungen oder auch Befunde aus den Abteilungen wie Labor, Sonografie oder Radiologie. Darüber hinaus ist die Integrationsfähigkeit mit den vorhandenen Systemen zu gewährleisten, damit der Datenaustausch zwischen behandelndem und nachbehandelndem Arzt reibungslos verläuft.

Eine weitere Anforderung an die IT ist die revisionssichere und regelbasierende Archivierung. Dazu sind Komponenten nötig, die die Übertragung der Dokumente ins Archiv protokollieren. Des Weiteren bietet der IT-Checkup eine Reihe von Beratungskomponenten, mit denen Kliniken Geschäftsmodelle zum E-Procurement oder zur Beratung über das Internet entwickeln können.

Fazit: Zur Einführung der EPA bedarf es einer sauberen, individuell an die Klinikbedürfnisse angepassten IT-Konzeption. Die Technologien dafür sind verfügbar. Kliniken können also beginnen, ihr papierenes Übergewicht auf Idealmaße zu trimmen und damit die Anforderungen der DRGs zu erfüllen. Kosteneinsparungen nach australischem Vorbild sind dann garantiert: Denn die EPA bietet viele maßgebliche Erleichterungen für den Zugriff des Ärzte- und Pflegepersonals auf Patientendaten und Untersuchungsergebnisse. (bi)

*Jürgen Dreckmann ist vorsitzender Geschäftsführer bei Evodion IT in Hamburg.

Angeklickt

- Ab 2004 hängen die finanziellen Allokationen der Krankenkassen von einem durchgängigen, leistungsorientierten Vergütungssystem für den konkreten Behandlungsfall ab.

- Dies wirkt sich nachhaltig auf die Kostenverfolgung und Dokumentation aus und macht auch eine Änderung der Krankenhaus-IT-Systeme notwendig.

- Thema Nummer eins ist hier die elektronische Patientenakte.

Abb: Woher kommen die Daten für die elektronische Patientenakte?

Die EPA soll alle Dokumente in elektronischer Form enthalten, zum Beispiel Röntgenbilder, Aufzeichnungen des Hausarztes, Daten der Krankenkassen etc. Quelle: Evodion