Ein Blick in die Zukunft der Speichertechnik

1980 tausendfach billiger

20.06.1975

ANAHEIM/MÜNCHEN - Wenn die Voraussagen einiger Experten zutreffen, dann dürfte in einigen Jahren Tabellierpapier das "Kostspieligste" an der ganzen Datenverarbeitung sein - unter der Voraussetzung, daß dann überhaupt noch ausgedruckt wird: "Niedrige Preise für Speicher und logische Schaltungen werden dazu führen, daß Hardware im Überfluß produziert werden kann" sagte Dr. B. J. Greenblott, ein IBM-Wissenschaftler, anläßlich eines Symposions über Zukunftsaspekte der EDV, das während der National Computer Conference (NCC) in Anaheim stattfand. "Dadurch wird es möglich sein, Tausende von Leuten, die nie Computerbenutzer waren, mit Rechnerkapazitäten zu versorgen", fügte der IBM-Mann hinzu.

Noch vor 1980 werde sich - wie Dr. B. J. Greenblott ausführte - das Preis/Leistungsverhältnis bei Speichern in Halbleitertechnologie vertausendfachen. Es könnte dann ein 4-Megabyte-Speicher zu einem Preis angeboten werden, zu dem man heute einen 4 K-Prozessor bekomme. Die reale Packungsdichte bei IBM's Band- und Plattenspeichern werde 1980 10E6 oder 10E7 Bytes pro cm2 betragen. Dabei seien keine revolutionären Erfindungen zu erwarten, sondern lediglich evolutionäre Schritte.

Beam-Speicher hat Produktionsreife

Einen großen Schritt nach vorn hat General Electric mit der Entwicklung eines neuen Speichermediums getan, das bis zu tausendmal schneller sein soll als herkömmliche Magnetplattenspeicher. Unter der Bezeichnung Beamos (Beam addressed metal oxide semiconductor) ist in den Labors des GE Forschungs- und Entwicklungszentrums ein Speicher zur Produktionsreife gelangt, der vorerst nur für den Einsatz im militärischen Bereich gedacht ist, später jedoch auch in kommerziellen Systemen verwendet werden dürfte.

Diese Reihenfolge hat ja schon Tradition.

Eine 32 Millionen Bit-Einheit hat nach Angaben von General Electric eine Zugriffszeit von 30 Mikrosekunden und eine Übertragungsrate von 10 Millionen Bit/Sek.

Einsatz für die Platte?

"Die Einführung dieses superschnellen, elektronischen Hilfsspeichers wird für die gesamte Computerindustrie von ebenso großer Bedeutung sein wie die der Platte", sagte Dr. Arthur M. Bueche, Vize-Präsident des GE-Forschungs- und Entwicklungs-Zentrums. Beamus dürfte billiger sein als alle bekannten Speichermedien. Es kann davon ausgegangen werden, daß ein 32 Millionen-Bit-Beamos-Speicher 0,2 bis 1 Cent pro Bit kosten wird. Beamos benutzt eine elektronische Optik mit einem Satz von 289 Linsen, die einen Kathodenstrahl zum Lesen, Schreiben odet Löschen des Speicherinhaltes auf vier kleine Silikon-Chips lenken, die eine Kapazität von je 8 Millionen Bits haben.

Kostenreduzierung in Sicht

16 oder mehr Beamos-Speichereinheiten können zusammengeschlossen werden, daraus ergibt sich eine Gesamtkapazität von bis zu 500 Millionen Bits. In einem "Multi-Unit-System" werden im parallelen Zugriff Übertragungsraten bis zu 160 Millionen Bit/Sekunde erreicht, wie Bueche erklärte.

"Die Auswirkungen von Beamos auf das Operating und die Architektur von Rechnern dürften weitreichender sein als mancher heute glauben mag. Es kann jetzt schon gesagt werden, daß die Vermarktung des neuen Speichermediums eine Reduzierung der Software- und Hardwarekosten mit sich bringen wird", fügte er hinzu.

Beamos ist bereits Gegenwart und es ist nicht mit Sicherheit vorherzusehen, "wohin der Zug geht".

Für Greenblott ist nicht zu erwarten, daß derartige "exotische" Dinge oder auch der Magnet-Blasenspeicher in absehbarer Zeit in den Hauptstrom der Technologie einmünden werden. Zumindest werden sie kaum mit der LSI-Technik (Large Scale Integration) und Band-/Platte-Techniken konkurrieren können.

"Totgesagte leben länger"

Derselben Meinung ist auch Michael Shebanow, Vice President der Pertec Corp. Er vertritt die These daß die neuen Massenspeicher-Technologien die Magnetplatte als Direktzugriffs-Speicher in absehbarer Zeit nicht ersetzen werden: "Um erfolgreich zu sein, muß eine neue Technologie mehr Leistung zum gleichen Preis bieten oder die gleiche Leistung zu einem niedrigeren Preis." Gerade das hätten neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Speichertechnik nicht unter Beweis stellen können. Shebanow zieht bei seiner Prognose wirtschaftliche Gesichtspunkte mit ins Kalkül: "lch glaube nicht, daß in den nächsten Jahren neue Speichermedien billiger verkauft werden können als Magnetplatten. Obwohl es sie sicher geben wird." Und letztlich habe einen allzu raschen Fortschritt noch immer ein natürliches Beharrungsvermögen verhindert. Shebanow: "Eingeführte Technologien sterben nicht so leicht."