15 Jahre zu spät, 15 Jahre umsonst?

21.06.1991

Wenn Steve Jobs 1976 beschlossen hätte, zu IBM zu gehen, anstatt gemeinsam mit Stephen Wozniak die Firma Apple zu gründen, wäre den geplagten Anwendern in der /370-Mainframe-Welt einiges Ungemach erspart geblieben des weiteren angenommen natürlich, Jobs Entwurf wäre nicht im großen blauen Papierkorb gelandet. Dann könnten DV-Gazetten heute freilich auch nicht mit einer Schlagzeile wie dieser aufwerten: "Apple und IBM Corp.: Gemeinsam gegen die Microsoft-Vorherrschaft" (vgl. CW-NR. 24 vom 14. Juni 1991, Seite 1). Den Chronisten der Computerszene wäre vermutlich spätestens bei der Ankündigung des PS/2-Systems im Jahre 1987 aufgefallen, daß IBMs Arbeitsplatzrechner aus nichts bestand, was nicht auch die jungen "alten" Apple-Entwickler - in besserer Ausführung - längst besessen hätten.

Daß sich die phantastische Idee des "Personal Computing", der "verteilten Intelligenz", gegen das zentralistische System der IBM-Mainframe-Datenverarbeitung lange Zeit nicht durchsetzen konnte, gehört zu den Merkwürdigkeiten der DV-Geschichte. Diese läßt sich auch anders als IBM-zensiert erzählen. Demnach scheint es, als habe "benutzerfreundliche" Arbeitsplatztechnik, die diese Bezeichnung verdient, nur in der DV-Subkultur der Lisa-Mäuse und Mac-Ikonen entstehen können. Jobs wußte, warum er einen Bogen um das mit VSAM, CICS und TSO verminte IBM-Hostgebiet machte.

Worum es der mächtigen IBM mit ihrer Weigerung ging, von der "Oberflächen"-Bewegung (Mac-User-Interface), die unten - bei den Benutzern - stattfand, überhaupt Kenntnis zu nehmen, kann nur vermutet werden: Nachlässigkeit, Arroganz oder Absicht, den unruhigen PC-Geist in der Flasche gefangen zu halten - als Held steht Big Blue in der Nachbetrachtung in keinem Fall da.

Damit wäre die Spekulation über eine IBM-Apple-Ehe um einen interessanten Aspekt angereichert. Akers und Sculley geben sich als große Strategen, die das Wohl ihrer Unternehmen im Auge haben. Der IBM-Chef ist nicht zu widerlegen, wenn er zwei Gründe für eine mögliche Zusammenarbeit anbietet: Das Negativ-Image des "bösen Mainframers" wäre beseitigt, ein lästiger PC-Konkurrent an die breite Brust gedrückt. Für den Apple-Boß bleibt nur die Krücke einer "Self-fulfilling Prophecy". Was kann der Mac-Lieferant schon gewinnen?

Würde nicht wieder einmal der Spielverlauf im DV-Geschäft auf den Kopf gestellt? Die Leute kaufen den Macintosh, weil es für sie offenbar nichts Vergleichbares gibt. Die Anwender mögen den Mac. Solchen Lobes konnte sich die IBM in bezug auf den PC noch nie erfreuen. So gesehen macht eine Anlehnung an Big Blue für Apple keinen Sinn. Und wer weiß, vielleicht sträuben sich bei den Apple-Fans ja auch die Nackenhaare, wenn sie an IBM als Bettgenosse denken.