Wohin es weiter geht

15 Jahre iPhone

14.01.2022
Von 
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Das erste iPhone hatte viele Macken, eine Eigenschaft sorgte für aber für den großen Durchbruch. Heute stößt das Konzept an seine Grenzen.
Das erste iPhone wirkt neben einem iPhone Max fast winzig.
Das erste iPhone wirkt neben einem iPhone Max fast winzig.

Vor 15 Jahren stellte Steve Jobs das erste iPhone vor (9. Januar 2007, 9.41 Uhr Ortszeit) und löste damit eine Welle moderner Smartphones aus. Selbst in entlegensten Himalaya-Dörfern sind sie bereits Alltag und sorgen für mobile Kommunikation und Unterhaltung. Die mobilen Geräte kann man ohne Zweifel als „disruptiv“ beschreiben, so machte Apple mit dem iPhone seine Kunden glücklich, aber ganze Branchen überflüssig. Kameras und Videokameras wurden durch immer besser werdende Smartphone-Kameras verdrängt, ebenso Navigationsgeräte, E-Book-Reader, Radios, teilweise auch Scanner, Fernseher, mobile Spielekonsolen und MP3-Player.

Blickt man auf die Zeit der Vorstellung zurück, wird oft vergessen, was das wirklich Revolutionäre an dem neuen Gerät war. Es war weder das Design noch das arg instabile Betriebssystem. Das iPhone hatte eine Eigenschaft, die Apple damals exklusiv anbot: Statt einer Tastatur wie bei Nokia oder Blackberry bot das iPhone nur einen funktionierenden Touchscreen, der eine neuartige Bedienung ermöglichte.

Die Bedeutung wurde anfangs oft gar nicht verstanden, dabei ist die intuitive Touchscreen-Bedienung heute völlig selbstverständlich. Erst später zeigte sich, welche Vorteile es brachte. Erst durch den Touchscreen war es möglich, auf Tasten zu verzichten und ein so kompaktes Gerät mit großem Display herzustellen. Apples iPhone war nicht das erste Gerät mit berührungssensitivem Bildschirm, das boten Palm, Handspring und Nokia schon lange – oft mit Stylus.

Als Nutzer des ersten Modells erinnert man sich aber, wie viele Schwächen das erste Modell hatte – und da gab es so manche Software- und Hardware-Schwächen. Es gab auch viele Konkurrenten: So hatte das Nokia N95 aus Sicht vieler Tester Vorzüge, eine erstklassige Videofunktion und bot UMTS – das bekam erst das iPhone 3G.

Was kommt nach dem Touchscreen?

Heute stößt das Smartphone mit Touchscreen aber vielleicht an immer mehr Grenzen und hat sich eigentlich kaum weiterentwickelt. Gut, es gibt erstmals faltbare Touchscreens, die das ausgeklappte Smartphone zum Tablet machen. Ob sich dies aber auf breiter Basis durchsetzen wird, ist fraglich.

Es gibt schließlich einige Defizite: Man könnte sogar die These aufstellen, dass der Touchscreen die Entwicklung der digitalen Welt in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt hat – etwa weg von der Tastatur oder Joystick-Bedienung. Das lenkte das Smartphone ein wenig von der produktiven Nutzung hin zur passiven Nutzung und dem Vertrauen auf Automatiken.

Eine weitere Folge eines Mobilgerätes ist, dass alles immer mehr auf den schnellen Häppchen-Konsum am Touchscreen zugeschnitten wurde. Statt mit einer Tastatur Nachrichten oder Notizen zu verfassen, wischt man durch Messages, tippt als Antwort auf Emojis und versucht die komplexesten Zusammenhänge mit möglichst wenig Zeichen zu erklären – etwa auf Twitter. Und statt an einer Kamera gezielt Blende und Bildausschnitt zu wählen, drückt man auf einen Button und vertraut auf die Automatik des Smartphones. Kein Wunder, dass viele den Verlust von "Fokus" feststellen.

So ist es wohl der mobilen Nutzung geschuldet, dass man Medien immer bruchstückhafter konsumiert und sich die Anbieter auf Häppchen-Journalismus und Boulevardthemen eingestellt haben. Diese Begeisterung für „Click-and-Go“ betrifft auch Videos, so sind immer mehr Nutzern traditionelle Youtube-Videos zu lang und es werden Youtube Shorts und Instagram Reels vorgezogen.

Das ist aber wohl nicht ganz richtig. Es gibt schließlich eine Gegenbewegung, die nach 15 Jahren Smartphone immer deutlicher wird und auch Notebook und Desktop sind noch immer da. Und es bleibt für viele immer noch das Bedürfnis nach einem intensiveren Erlebnis, auch Immersion genannt – erfüllt wird es aber oft nicht am iPhone. So sitzen weiter Film- und Serienfans noch für halbe Tage vor dem totgeglaubten Fernseher, um dort komplexen Serien zu folgen. Auch das Lesen von Büchern bleibt überraschend beliebt. So steigerte sich der Umsatz des Buchhandels 2021 gegenüber dem Vorjahr sogar um 3,2 Prozent. Und auch Konsolen wie die Playstation behaupten sich gut gegen das Smartphone.

Vermutlich hat das Smartphone einfach einen Status der Sättigung erreicht. Noch viele Jahre wird man ein Smartphone haben, nutzt es aber immer öfter als Werkzeug und seltener als einziges Gerät. Nicht ohne Grund investiert Apple immer mehr Zeit und Ressourcen in neue Gadgets wie Apple Watch, Homepod, Apple TV und Airpods. Zeigen doch Geräte wie die Apple Watch gut, wo die Grenzen des Smartphones liegen. Auch Apple kommende AR-Glasses werden wohl neue Bedienarten und Immersion bieten und damit weit über den Smartphone-Touchscreen hinausgehen. (Macwelt)