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Datenschützer protestieren gegen Google Gmail-Pläne

08.04.2004

Insgesamt 28 US-amerikanische Datenschützer- und Verbraucherrechtsgruppen haben gestern einen offenen Brief an Google geschickt und die Firma aufgefordert, ihre Pläne für einen kostenlosen E-Mail-Dienst zu überdenken, bei dem der Inhalt eingehende Nachrichten gescannt wird, um passende Textanzeigen einzublenden. "Gmail" solle so lange auf Eis gelegt werden, bis Google Datenschutzbedenken ausgeräumt habe, heißt es in dem an die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page adressierten Schreiben. Die Textanalyse zwecks Werbeeinblendung verletze "das bei einem E-Mail-Anbieter vorausgesetzte Vertrauen" und sei ein gefährlicher Präzedenzfall für den E-Mail-Datenschutz.

Ferner fordern die Bedenkenträger, Google solle klarstellen, wie lange es die in E-Mail-Konten aufgelaufenen Nachrichten auf seinen Servern zu speichern gedenke und außerdem schriftlich zusichern, dass es keine aus E-Mails abgegriffenen Daten mit anderen Informationen kombinieren werde, die es über Benutzer seiner Suchmaschine sammelt. Andere Firmen mit böseren Absichten als Google könnten dessen Infrastruktur nachbauen und missbrauchen, sorgen sich die Autoren. Außerdem könnten bei Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten Begehrlichkeiten auftauchen, bestimmte Gmail-Nutzer aufgrund des Inhalts ihrer Korrespondenz herauszupicken.

Unterzeichner sind unter anderem das World Privacy Forum, das Electronic Privacy Information Center sowie die Foundation for Information Policy Research. Ein Sprecher von Google erklärte, man analysiere gegenwärtig das Schreiben.

Auch deutsche Datenschützer sorgen sich bereits wegen Gmail. Der geplante Service würde hierzulande gegen die Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen, erklärte etwa Andreas Hermann, Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten in Niedersachsen, gegenüber der "Hannoverschen Allgemeinen": "Das Fernmeldegeheimnis wäre bei einem solchen Internet-Angebot verletzt." Laut Grundgesetz Artikel 10 sind unter anderem Telefonate, Faxe und auch E-Mails strikt vertraulich. Ausnahmen sind nur für Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden zulässig. Aus Sicht Hermanns ist es dabei egal, ob die Mails von Menschen oder - wie bei Gmail - von Maschinen mitgelesen würden. "Das wäre ein sehr großer Schritt in Richtung gläserner Mensch", so der Datenschützer.

Kommentar: Die Bedenken der Daten- und Verbraucherschützer in allen Ehren - aber die ganze Aufregung erscheint mir ein wenig unverständlich angesichts der Tatsache, dass nun wirklich niemand dazu gezwungen wird, Gmail zu verwenden. Wer den Luxus eines 1-Gigabyte-Postfachs mit Google-Suche trotzdem will, der muss mögliche Nebeneffekte halt in Kauf nehmen.

Über Kunden- und Bonuskarten im Handel, deren wahrer Zweck nur das Profiling von Einkaufsgewohnheiten ist, oder Preisausschreiben und Gewinnspiele, die in Wahrheit nur der Adressgewinnung dienen, empört sich kaum jemand derart prominent. Gleiches gilt auch für die Möglichkeit, Handy-Benutzer im Mobilfunknetz zu lokalisieren, oder das Missbrauchspotenzial von RFID-Funketiketten. Bei diesen Techniken, hinter denen die wirtschaftlichen Interessen großer Lobbys stehen, wäre öffentliche Kritik viel eher angebracht. (tc)