"SOA bedeutet den Tod von ERP"

29.08.2006
Die wachsende Nutzung Service-orientierter Architekturen (SOA) wird zum Verschwinden des ERP-Markts führen, prognostiziert Bruce Richardson von AMR Research.

Mit drastischen Worten beschreibt der US-amerikanische Analyst den "Tag des jüngsten Gerichts" um das Jahr 2010: "SAP- und Oracle-Kunden werden dann aufhören, Anwendungen von ihren ERP-Anbietern zu kaufen." Stattdessen heuerten sie billige Systemintegratoren aus Indien oder Osteuropa an, um maßgeschneiderte "Composite Applications" entwickeln zu lassen, die auf den vorhandenen ERP-Backbones aufsetzen.

ERP ist zu teuer

SAP und Oracle hätten Milliardensummen investiert, um ihre immer mächtiger werdenden Produkte Web-Services-fähig zu machen, argumentiert Richardson. Nach seiner Einschätzung fallen die Ergebnisse bislang bescheiden aus. So habe SAP gerade die ersten 500 "Enterprise Services" angekündigt, von Oracle stehen detaillierte Pläne noch aus. Bis zu 30000 Web-Services benötige SAP, um seine komplette Suite mit allen Branchenerweiterungen als Software-Services bereitzustellen, schätzt SAP-Vorstand Shai Agassi.

Zwischen 2010 und 2012 begännen Kunden, ihre alten ERP-Systeme als aufgeblähte Basisstrukturen zu begreifen, deren Wartung viel zu teuer sei, so Richardson. In diesem Szenario werde das Management eine drastische Reduzierung der Wartungskosten fordern. Hier liege die Chance für indische und osteuropäische Systemintegratoren: Mit ihren zwischenzeitlich aufgebauten "Business Process Platforms" auf Basis moderner Tools und Techniken könne es ihnen gelingen, große Teile der installierten ERP-Systeme zu ersetzen. Dabei spielten Dienstleistungen für das Business Process Outsourcing (BPO) eine wichtige Rolle.

Etablierte IT-Serviceanbieter wie Accenture oder IBM würden diesen Markt indes kaum freiwillig den Neueinsteigern überlassen, erläutert der Analyst.

IBM greift an

Erst kürzlich etwa kündigte Accenture an, in den kommenden drei Jahren 450 Millionen Dollar in seine SOA-Entwicklung zu investieren. Die Übernahme von MRO Software durch IBM zeige, dass auch der weltgrößte IT-Konzern dabei sei, nicht nur Infrastruktursoftware zu vermarkten sondern in das Geschäft mit Kerngeschäftsprozessen einzusteigen. Auch IBMs Kauf des US-amerikanischen Softwareherstellers Webify passt zu dieser Strategie.

Das Unternehmen bietet Software und Services an, mit denen Kunden schneller SOA-Applikationen einführen können. Zum Angebot gehören hunderte vorgefertigte und auf Standards basierende Werkzeuge und Frameworks für branchenspezifische Aufgaben. IBM sehe eine hohe Nachfrage nach branchenspezifischen SOA-Lösungen und Dienstleistungen, erklärte Peggy Vaughan, Chefin des Beratungsgeschäfts bei IBM Global Services.

Vor diesem Hintergrund sieht Richardson die Softwarebranchen an einem Wendepunkt, vergleichbar mit der Entwicklung weg vom Mainframe und hin zu Client-Server-Architekturen: "SOA wird dazu führen, dass heutige ERP-Systeme wie die Mainframe-Anwendungen von gestern aussehen." (wh)