2007: Im Markt für ERP-, CRM- und SCM-Lösungen ist der Mittelstand der Antreiber

28.09.2007
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Wachstum gibt es im Geschäft für Business-Software vor allem im Mittelstand. Firmen modernisieren ihre betriebswirtschaftlichen Anwendungen und ergänzen sie mit CRM-Funktionen.

Deutlich mehr Geschäft als in den Jahren zuvor konnten 2006 die Anbieter von Software für Enterprise Resource Planning (ERP) verbuchen. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens IDC hat der europäische und damit auch der deutsche ERP-Markt im vergangenen Jahr deutlich zugelegt. Einerseits hängt dies wie in allen anderen Branchen mit der florierenden Wirtschaft zusammen, andererseits holten Firmen bereits geplante aber verschobene IT-Projekte nach. Ihre Kaufentscheidung hatten Unternehmen aber auch wegen großer Übernahmen im ERP-Umfeld hinausgezögert. Beispielsweise kaufte Infor Global Solutions den Wettbewerber SSA Global auf.

Wachsen wird der ERP-Markt auch weiterhin, allerdings nicht mehr um fast sieben Prozent wie im Ausnahmejahr 2006, sondern um jährlich 5,5 Prozent.

Viele wollen das ERP-System austauschen

"Wachstumstreiber im ERP-Geschäft ist vor allem der Mittelstand", erklärt Frank Naujoks, Research Manager Software beim Marktforschungsunternehmen IDC. Gemeint sind hier vor allem Firmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern. Investieren würden sie in neue Module ihrer bestehenden ERP-Umgebung. Einige trennen sich aber auch von ihrem bisherigen System. Bis 2009 will beispielsweise ein Drittel der von IDC befragten Betriebe aus der Prozessindustrie eine neue ERP-Software einführen. Andere Unternehmen belassen es bei ihrer ERP-Ausstattung, schaffen aber weitere Lizenzen an, um mehr Mitarbeiter als bislang in die betriebswirtschaftlichen Prozesse einzubinden.

Enterprise-Resource-Planning-Software - Marktanteile in Deutschland 2006 nach Umsatz. Quelle: Gartner.

Hersteller

Umsatz (Marktanteile in Prozent)

1. SAP

54,8

2. Infor

5,5

3. Microsoft

3,8

4. Sage Software

2,9

5. Oracle

0,9

6. Exact Software

0,7

7. IFS

0,4

8. Lawson

0,4

9. Agresso

0,3

10. Hyperion

0,3

Nicht selten lösen Anwender, die ein neues ERP-Produkt einführen, heterogene Softwareumgebungen ab. Statt also die Finanzbuchhaltung und die Produktionssteuerung mit Programmen unterschiedlicher Hersteller abzuwickeln, soll künftig eine einzelne, integrierte Business-Software diese Aufgabe übernehmen.

ERP-Tools für das Personal-Management

Zu den von den Firmen zusätzlich erworbenen Modulen zählen solche für das Personal-Management. Unternehmen wollen Stellen online ausschreiben und das Bewerber-Management sowie das Einstellungsverfahren automatisieren. Bedingt durch den demografischen Faktor suchen sie nach Softwarefunktionen, um potenzielle Nachfolger innerhalb der Belegschaft ausfindig zu machen und Talente zu fördern. Andere wünschen sich Methoden zur besseren Personaleinsatzplanung.

Bei Industrieunternehmen nachgefragt sind unter anderem Methoden zur Fertigungsfeinplanung. Damit erhoffen sie sich, Kundenaufträge termintreu zu produzieren und Lagerbestände niedrig zu halten. Zu den Herausforderungen zählt hier, dass auch mittelständisch geprägte Gesellschaften an unterschiedlichen Standorten produzieren. Eine Reihe von Spezialisten bietet Feinplanungskomponenten als Ergänzung zu ERP-Systemen an. SAP hatte in diesem Segment bisher kein Angebot, ging aufgrund der Nachfrage eine Vertriebskooperation mit dem Softwarehaus Visiprise ein und offeriert dessen Produkt.

Bedarf an neuer Business-Software hat ferner die öffentliche Hand. Einerseits sollen die Abläufe effizienter werden, andererseits müssen Behörden ihre Buchführung von der Kameralistik auf die doppelte Buchhaltung umstellen. Mit ihrer oft betagten Software können sie diesen Schwenk mitunter nicht mehr vollziehen. Neben der SAP, die überall mitmischt, will auch das auf Dienstleistungsunternehmen spezialisierte niederländische Softwarehaus Unit 4 Agresso mit deutschen Behörden ins Geschäft zu kommen.

Äußere Einflüsse veranlassen auch viele Versorgungsunternehmen, in betriebswirtschaftliche Standardsoftware zu investieren. Wegen der Deregulierung und des Wettbewerbs müssen sie Geschäftsprozesse straffen beziehungsweise Kosten einsparen.

Der Handel löst veraltete Software ab

Zu den investitionsbereiten Branchen zählt ferner der Handel. Da sich weder die Einkaufspreise unbegrenzt drücken noch die Verkäufe steigern lassen, suchen Unternehmen nach Möglichkeiten, ihre Prozesse kostengünstiger abzuwickeln, vor allem durch Automatisierung. Bestandsführung und Nachbestellungen sollen mit wenig manueller Tätigkeit und damit Personalkosten verbunden sein. Wichtig sind auch Bedarfsvorhersagen, vor allem für den Handel mit Saisonware. Allerdings drehen die Firmen weil sie es ja nicht anders gewohnt sind den Euro zweimal um. Mit Standardsoftware sind Handelsfirmen oft nicht ausgestattet, weshalb Anbieter von ERP-Lösungen mit Branchenausprägung für diesen Wirtschaftszweig gute Geschäfte wittern. Selbst DOS-basierende Software und technisch längst veraltete Kassensysteme sind in dieser Branche noch anzutreffen. Nicht selten wurden die IT-Systeme von den Firmen selbst entwickelt. Interessant sind neue Anwendungssysteme für den Handel unter anderem dann, wenn sich darüber ohne viel Aufwand Filialen steuern sowie Vertriebs- und Bestandsdaten auf einfache Weise einsammeln und bewerten lassen.

ERP-Features sind wichtiger als .NET und Java

Generell gilt, dass mittelständische Unternehmen ihre ERP-Lösungen vornehmlich aufgrund der Funktionen auswählen. Rein technische Eigenschaften wie etwa die Plattform (.NET oder Java) spielen aus Gründen der Zukunftssicherheit und Flexibilität eine Rolle, dominieren aber in der Regel nicht die Entscheidung. Unter den etablierten Herstellern haben viele eine neue Produktgeneration auf den Markt gebracht, die bestehende I-Series-Lösungen sowie Windows- oder Unix-basierende Client-Server-Architekturen ablösen soll. Zwar pflegen Unternehmen die alte Software, wollen den Kunden aber zeitgemäße Technik bieten können, falls er seine IT-Umgebung modernisiert. So agieren auch kleinere Hersteller wie etwa Nissen & Velten aus Stockach, die mit "Nvinity" eine neue .NET-Software anbieten und parallel dazu noch das ältere, Windows-basierende "SQL Business" vertreiben.

Dezentraler ERP-Zugriff per Browser

Moderne Software unterstützt Web-Services, was wiederum eine leichtere Integration mit bestehenden Programmen im Haus sowie mit IT-Lösungen externer Firmen verspricht. Viele Anwender von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware wünschen sich eine Web-Services-Unterstützung, hat das in Hamburg beheimatete Marktforschungs- und Beratungshaus Softselect in einer Studie ermittelt. Befragt wurden 120 deutsche Industrie- und Handelsfirmen unterschiedlicher Größe. Web-Oberflächen sind dann gefragt, wenn ERP-Nutzer aus dezentral organisierten Unternehmen einen Browser-Zugriff auf eine zentral betriebene Software haben sollen.

Wie die Softselect-Untersuchung ergab, interessieren sich zahlreiche ERP-Anwender für eine ergänzende Funktion zum Kunden-Management (Customer-Relationship-Management, kurz CRM). Zu den Käufern zählen dem IDC-Analysten Naujoks zufolge sowohl Firmen, die bisher überhaupt kein CRM-Produkt verwenden, als auch solche, die veraltete Werkzeuge ablösen.

Auch hier haben Fertigungsbetriebe Nachholbedarf. Sie wollen mit solchen Lösungen beispielsweise den Kundenservice verbessern, da für Produzenten der Service rund ums Produkt an Bedeutung zunimmt. Zudem dienen ihnen solche Werkzeuge dazu, gezielter Angebote erstellen zu können. Produktkonfiguratoren beispielsweise helfen dem Vertriebsmann, im Dialog mit dem Kunden das Leistungsprofil eines Produkts abzustimmen.

Banken und Versicherungen verbessern Kundenservice mit CRM

Ebenso greift der Handel bei CRM zu. Naujoks nennt hier zum Beispiel Autohändler, die zwar mitunter von den Herstellern mit Software ausgerüstet werden, doch zusätzlich Bedarf an Kunden-Management-Funktionen haben.

Customer-Relationship-Management-Software - Marktanteile in Deutschland 2006 nach Umsatz. Quelle: Gartner.

Hersteller

Umsatz (Marktanteile in Prozent)

1. SAP

53,0

2. SAS Institute

4,4

3. Oracle

3,9

4. Amdocs

3,1

5. SPSS

2,0

6. Update

1,9

7. Salesforce.com

1,9

8. Intershop

1,8

9. CAS

1,3

10. Dendrite

1,3

Ferner setzen Banken vermehrt auf CRM-Lösungen, da sie in einem zunehmenden Wettbewerbsumfeld ihren Kundenservice aufpolieren müssen. Softwarehersteller reagieren entsprechend: Update Software beispielsweise, ein CRM-Spezialist aus Wien, hofft durch den Kauf des Kölner CRM-Herstellers Orgaplus, sein Geschäft mit dem Finanzgewerbe auszubauen.

Während in den USA CRM-Funktionen zur Miete (Software as a Service, kurz SaaS) gefragt sind, bevorzugen deutsche Unternehmen noch den Softwarekauf. IDC beziffert den Anteil des in Deutschland mit Mietprodukten erzielten Gesamtumsatzes im CRM-Markt auf fünf Prozent. Dabei wird es aber nicht bleiben: In den nächsten Jahren soll den Analysten zufolge der Mietanteil in diesem Segment auf bis zu 30 Prozent anwachsen. Insgesamt prognostiziert IDC dem hiesigen CRM-Markt ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent.

ERP-Anbieter geben im SCM-Segment den Ton an

Nachdem zahlreiche Supply-Chain-Management-Spezialisten übernommen wurden, geben in diesem Marktsegment die ERP-Hersteller den Ton an. Waren die Spezialhersteller den ERP-Vollsortimentern früher eindeutig überlegen, bieten die Anbieter großer Softwaresuiten wie Oracle und SAP mittlerweile viele SCM-Funktionen an. Den Softwareriesen kommt die Strategie großer Unternehmen entgegen, die Anzahl der Lösungslieferanten und damit der Plattformen zu reduzieren. Insbesondere SAP versucht über Micro-Verticals, einen höheren Detaillierungsgrad im SCM-Umfeld zu erlangen. Ein Micro-Vertical könnte in der Handelsbranche beispielsweise Logistikfunktionen für den Lebensmittelhandel umfassen. Trotzdem gibt es noch eine Reihe von Spezialisten, die Nischenbereiche abdecken. Viele davon richten sich an mittelständisch geprägte Firmen, für die eine SAP-Software zu komplex und teuer ist.

Supply-Chain-Management-Software - Marktanteile in Westeuropa 2006 nach Umsatz. Quelle: Gartner.

Hersteller

Umsatz (Marktanteile in Prozent)

1. SAP

30,0

2. Oracle

9,5

3. IBS

5,1

4. Infor

4,6

5. i2 Technologies

2,8

6. cc-hubwoo

2,5

7. JDA Software

2,4

8. Lawson

2,2

9. Ariba

2,2

10. Kewill

1,8

Firmen investieren in Supply-Chain-Management, um ihre Lieferanten enger an sich zu binden. Warenabrufe und Bedarfsvorhersagen sollen möglichst weitgehend automatisiert ausgetauscht werden. Dies setzt neben dem Datenaustausch auch den direkten Zugriff in die IT-Systeme des Partners voraus. Diese als "Collaboration" bezeichneten Geschäftsprozesse finden sich auch innerhalb von Unternehmen, die ihre weltweit verteilten Fertigungsstätten koordinieren wollen.

Die Globalisierung bringt es mit sich, dass immer mehr deutsche Unternehmen ihre Waren weltweit versenden müssen. Software kann ihnen helfen, die Distribution und den Transport von Gütern effizienter zu gestalten und für mehr Transparenz in der weltweiten Lieferkette zu sorgen.

Noch immer hoffen die SCM-Anbieter auf den großen Durchbruch der RFID-Lösungen (Radio Frequency Identification), von dem sie sich neue Kunden und Absatzchancen erhoffen. Hier und da gibt es auch schon Anwendungen, doch einen Boom in Deutschland haben Experten noch nicht ausmachen können. Allenfalls in Nischenbereichen kommt die Funktechnik zum Zuge. "Der Handel nutzt diese Technik für die Lagerverwaltung", so IDC-Experte Naujoks.

Zwar gibt es Nachfrage nach SCM-Lösungen, doch im Vergleich zum CRM- und ERP-Markt wachsen die Umsätze mit SCM-Software und -Wartung vergleichsweise gering mit drei Prozent.