2007: Der Markt für IT-Dienstleister - Alles paletti bei Serviceanbietern?

08.10.2007
Der Markt hat sich für IT-Dienstleister aufgehellt. Das Thema Outsourcing/Offshoring sehen die Akteure nicht mehr so verkrampft. Allgemein sind die Erwartungen positiv. Aber die Konkurrenz ist härter geworden.

Der Studie "Marktanalyse IT-Services 2006" zufolge, die die Marktforscher von Berlecon erarbeitet haben, waren die Erwartungen der IT-Dienstleister für die wirtschaftliche Entwicklung durchweg positiv. Im Vergleich zum Vorjahr sahen die befragten knapp 100 IT-Services-Anbieter mit mindestens 50 Mitarbeitern bezüglich Umsatz, Auftragsbestand und Ergebnis deutlich optimistischer in die Zukunft als noch 2005. Nur in einem Punkt bliesen sie Trübsal: Die Preise, die sie für ihre Handreichungen verlangen können, gehen in den Keller.

Marktanteile 2006 IT-Dienstleister nach Umsatz in Prozent (Quelle: Gartner)

1. T-Systems

15,0

2. Siemens IT Solutions & Services

7,2

3. IBM

6,4

4. Hewlett-Packard

3,6

5. Siemens Communications

3,2

6. Accenture

2,7

7. SAP

2,6

8. Fiducia

2,4

9. EDS

1,7

10. Capgemini*

1,4

*in der Printausgabe wurde wegen eines technischen Versehens fälschlicherweise CSC auf Platz 10 geführt.

Entspannung hat sich im vergangenen Jahr auch in Sachen Outsourcing breitgemacht. Das große globale Thema vergangener Jahre hatte auch hierzulande hohe Wellen geschlagen. Die Furcht vor dem Verlust vieler Arbeitsplätze auch durch die Konkurrenz indischer Dienstleister war groß. Nach der Berlecon-Studie glaubte 2005 noch fast jeder vierte der befragten großen IT-Service-Anbieter, der sich auf Softwareentwicklung und Integration spezialisiert hat, dass Offshore-Dienstleister eine ernsthafte Konkurrenz für sie seien. 2006 befürchten das nur noch acht Prozent. Die Sourcing-Diskussion ist nüchterner und gelassener geworden, sagt Berlecon-Analyst Andreas Stiehler.

Auch entspreche das häufig gezeichnete Bild von der national agierenden deutschen IT-Services-Werkstatt, die bald von den aufstrebenden Anbietern aus Offshore-Nationen überrannt wird, nicht den Tatsachen. "Das zeigen die Ergebnisse aus empirischen Studien des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen", sagt Stiehler.

Gesucht: Deutsche Outsourcing-Lösungen

Ohnehin bevorzugten Kunden hierzulande immer noch deutsche Outsourcing-Lösungen, bestätigt auch Gartner-Analyst Michael von Uechtritz. Er stellt fest, dass nach wie vor traditionellen Outsourcing-Dienstleistern der Vorzug gegeben wird. Zumindest, wenn sie beispielsweise in Polen Delivery-Center unterhalten, wo also deutsche Sprachkenntnisse vorhanden sind.

Sein Analystenkollege von IDC, Dan Bieler, kann dem zustimmen. Sourcing und Outsourcing seien nach wie vor politische Themen. Immer noch bestimmten "weiche Aspekte wie der direkte Zugriff auf einen Dienstleister, den man auch sprachlich versteht und der buchstäblich in der Nähe ist, die Sourcing-Diskussion".

Laut Berlecon-Mann Stiehler war 2006 auch das Jahr, in dem die Serviceanbieter begannen, im größeren Stil Global-Delivery-Modelle aufzubauen und damit die Frage zu beantworten, wie man als Dienstleistungsanbieter Offshore- und Nearshore-Modelle konzipieren kann.

Ein besonderes Merkmal der Exportnation Deutschland sei es in diesem Zusammenhang, dass selbst unter den mittelständischen IT-Dienstleistungskunden ein Großteil auch international agiert. Diese Unternehmen wollen ihre Kernsysteme auch im Ausland nutzen und erwarten hier die Unterstützung durch die IT-Dienstleister. Genauso verständlich sei der Wunsch der Kunden, an den oft propagierten Kosteneinsparungen durch Offshoring zu partizipieren, so Stiehler. Warum also nicht die Nutzung von Offshore-Ressourcen beim IT-Dienstleister einfordern oder gleich Leistungen zu Offshore-typischen Preisen? Für national agierende IT-Dienstleister ergebe sich aus diesen Forderungen eine klare Handlungsanweisung: "Wollen sie ihre Kunden nicht an global aufgestellte Wettbewerber verlieren, können sie sich der Internationalisierung kaum entziehen", so Stiehlers Resümee.

Auch Experton-Analyst Burau sieht hier bei den deutschen IT-Dienstleistern eine problematische Beschränkung. Zum Thema globales Sourcing oder Nearshoring hätten viele deutsche IT-Dienstleister noch strategischen Nachholbedarf. Burau: "Die deutschen Anbieter folgen hier zu wenig dem internationalen Trend, sich durch eine intelligente Verteilung und Balancierung der Ressourcen flexibler aufzustellen. Das gilt insbesondere für die ohnehin nicht global agierenden Dienstleister."

Andreas Burau von Experton sieht Probleme bei deutschen IT-Dienstleistern.
Andreas Burau von Experton sieht Probleme bei deutschen IT-Dienstleistern.

Ein Trend, der IT-Dienstleistern schon 2006 zu schaffen machte und der sie auch künftig zunehmend belasten wird, ist die Konsolidierung des Marktes. Trotz Konjunkturaufschwungs in Deutschland befinden sich die Preise, die IT-Serviceanbieter verlangen können, im Keller. Die IT-Budgets steigen zudem nur moderat. Burau, Vorstand und Lead Advisor bei der Experton Group, sieht vor allem "wegen der fortgeschrittenen Konsolidierung in den Hard-, Software- und Reseller-Segmenten die Anbieter aus diesen Bereichen zunehmend ins Serviceumfeld driften. Hinzu kommen "verstärkt ausländische Anbieter, die bislang vorwiegend auf reiferen Märkten wie in den USA oder Großbritannien präsent waren, im deutschen Markt aber noch ungehobenes Potenzial vermuten", argumentiert Burau.

Der Anwender denkt um

"Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, ist klein und dürfte auch in den kommenden Jahren kaum größer werden", bestätigt Stiehler. Auch er sieht Hard- und Softwareanbieter sowie Reseller, deren Margen im angestammten Betätigungsfeld immer kleiner würden und die deshalb "ihr Heil nun im Services-Umfeld" suchen. Ständig kämen neue Anbieter hinzu. Dies zeigten Beispiele wie etwa Fujitsu Services, das sich TDS einverleibte, oder der Hardwareanbieter Dell mit seinem Managed-Services-Angebot.

Noch eine Veränderung ist im deutschen Markt für IT-Dienstleistungen zu konstatieren: Der Anwender verhält sich anders als in früheren Jahren. Er stellt das Thema Kostenreduktion weniger deutlich in den Vordergrund und redet dafür eher von Kostentransparenz und Kostenflexibilität. Das hat Folgen für das Angebot von IT-Dienstleistern. Um nämlich die Forderung von Anwendern nach eben dieser Transparenz und Flexibilität erfüllen zu können, schneidern die Serviceanbieter Offerten, die "einen immer stärkeren Produktcharakter bekommen", sagt Burau. Damit reagieren die IT-Dienstleister auf den Zwang, Lieferstrukturen zu optimieren, um "wiederum Services kostengünstiger und sozusagen mit Standardpreisen aus Katalogen anbieten zu können".

IT-Dienstleister versuchen zudem, ihre Position als strategischer und langfristiger Partner des Kunden zu stärken. Hierzu wollen sie nicht nur Standarddienste oder kundenindividuelle Leistungen übernehmen und erbringen. Vielmehr versuchen sie, sich als Partner von Anwendern zu zeigen, die Unternehmen "bei der Transformation und Weiterentwicklung ihrer Prozesse behilflich sind und ein Gesamtangebot aus Consulting, System-Integrations-Aktivitäten und Outsourcing formulieren", beschreibt Burau die veränderten Ansprüche an IT-Dienstleister.

Kollaboration und Wettbewerb

Das modifizierte Anforderungsprofil an IT-Dienstleister zwingt diese auch zu Handlungsweisen, die in der kapitalistisch und globalisiert ausgerichteten freien Marktwirtschaft vielleicht nicht nahe zu liegen scheinen: zur Kollaboration bei gleichzeitigem Wettbewerb. Burau wie Bieler sehen im Servicemarkt eine bislang nicht da gewesene Form der neudeutsch Coopetition (Co-Operation/Competition).

Experton-Mann Burau sagt, Zusammenarbeit und Wettbewerb auf dem IT-Dienstleistungsmarkt seien vor dem Hintergrund der existierenden Business-Modelle in vielen Fällen heute schon zwei Seiten derselben Medaille. Die Anforderungen der Kunden und die Neupositionierung und Fokussierung vieler IT-Dienstleister mache eine Zusammenarbeit mit ehemaligen Wettbewerbern für bestimmte Themen notwendig.

Neues altes Thema Konvergenz

Solch ein Thema ist laut IDC-Analyst Bieler die zunehmende Konvergenz von Telekommunikation und IT. Das zeige sich etwa am Beispiel der über drei Jahre alten Allianz zwischen HP und British Telecom. "HP hat ganz klar erkannt, wie wichtig das Thema Kommunikation auch für den IT-Dienstleistungsmarkt geworden ist." Beide Firmen hätten deshalb interne Strukturen aufeinander angepasst, Teams gebildet, ein Eskalations-Management etabliert, ferner bessere Service-Level-Agreements (SLAs) entwickelt, Ansprechpartner für Kunden etabliert etc.

"Dieser Trend, dass TK- und IT-Unternehmen im Dienstleistungssektor aufeinander zugehen müssen, ist allgemein zu erkennen", sagt Bieler. Die Anforderungen etwa bei der Sales Force Automation, also der Außendienstanbindung, und dem damit verwobenen Thema Mobility, beschrieben die Konvergenzthematik von IT und TK sehr gut. Auf derlei Betätigungsfeldern seien die Preise anders als sonst auf dem IT-Dienstleistungsmarkt noch nicht verdorben. Hier seien lohnende Claims abzustecken.

Denen widmen sich im Übrigen auch spezialisierte Firmen wie Ubitex, das sich darauf konzentriert hat, bestehende IT-Umgebungen mobil anzubinden. Auch Pironet oder der Remote-Access-Spezialist NTR machen sich das Konvergenzthema als teils sogar nur lokal auftretende IT-Dienstleister zu eigen.

T-Systems: heftig kritisiert

Beim Blick auf die Top-10-Liste der größten in Deutschland tätigen IT-Dienstleister (siehe Kasten) fällt auf, dass es vordergründig fast keine Veränderungen zum Jahr 2005 gibt. Auf den ersten drei Plätzen blieb alles beim Alten. Hewlett-Packard als neue Nummer vier hat den Platz mit Siemens Communications getauscht. Nichts Neues auf den folgenden Rängen. Lediglich CSC als Nummer zehn des vergangenen Jahres ist herausgefallen. Diesen Platz nimmt nun Capgemini ein (in der Printausgabe wurde durch ein technisches Versehen CSC fälschlicherweise statt Capgemini auf Platz 10 aufgeführt). Betonierte Verhältnisse also? Weit gefehlt.

Insbesondere der deutsche Marktführer T-Systems sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt. Dan Bieler von IDC sagt, man könne ziemlich genau sagen, wie sich die Player positionieren und ob deren "Stories passen". Da seien "die Geschichten, die mir IBM, HP oder auch Accenture erzählen, sehr stimmig". Ganz anders T-Systems. Da ist es nach Bielers Meinung "sehr schwer nachvollziehbar, wo die Reise hingehen soll". Bielers kritisches Fazit: "Ich verfolge die Deutsche Telekom und damit natürlich auch T-Systems nunmehr seit Jahren, und mir ist zunehmend unklar, was die Telekom im IT-Umfeld eigentlich erreichen will."

Unsicherheit spielt für Andreas Burau von Experton auch bei Siemens IT Solutions & Services (SIS) eine Rolle. SIS ist die wieder sehr viel enger in den Siemens-Konzern eingebundene Dienstleistungs-Nachfolgeorganisation der Siemens Business Services (SBS). Burau: "Zu den eher weniger erfreulichen Ereignissen gehörten 2006 leider die Entwicklungen bei unseren deutschen IT-Dienstleistern." SIS/SBS beispielsweise präsentiere sich nun nach der Neuausrichtung und Umfirmierung zwar wieder in erheblich besserer Form. "Die lange Ungewissheit über die Zukunft des Unternehmens führte jedoch in der Vergangenheit zur Verunsicherung bei den Kunden und schreckte die potenzielle Klientel ab."

Klare Bekenntnisse

Das sieht Berlecon-Mann Stiehler anders. Seines Erachtens nach gibt es viel Sinn, die ehemalige SBS und jetzige SIS wieder enger an den Siemens-Konzern anzulehnen. "Hier werden die Kernkompetenzen enger an den Konzern gebunden." Was IDC-Mann Bieler bei der Deutschen Telekom vermisst, sieht Stiehler bei Siemens und SIS/SBS erfüllt: "Da gab es ein ziemlich klares Bekenntnis des Konzerns, SBS nicht zu verkaufen und als SIS enger an sich zu binden. Das war eine sinnvolle Entscheidung und das ist positiv zu werten, weil es Sicherheit schafft."

Gartner-Analyst von Uechtritz sieht eine Zweiteilung des IT-Dienstleistungssegments: Zum einen seien das diejenigen Anbieter, die bereits ein Global-Delivery-Modell haben. Die ständen im Durchschnitt besser da als diejenigen, die solch ein Konzept nicht vorweisen können. "Unternehmen wie IBM, HP und Accenture haben solch ein Global-Delivery-Modell." Diejenigen IT-Dienstleistungsanbieter, die sich in Deutschland in einer Transformationsphase befänden, "also hierzulande SIS und T-Systems", dürften es nach Meinung des Gartner-Analysten schwerer haben. Allerdings gibt es da auch das Beispiel Capgemini: "Die durchlaufen immer mal wieder Transformationsbemühungen. Trotzdem liefern sie ansehnliche Wachstumsraten und auch Profite ab".

SAP sieht von Uechtritz in einer "interessanten Position". Es könne nämlich seh r sinnvoll sein, Kommunikationselemente und Mobility-Anwendungen in SAP-Anwendungen zu integrieren. "Hier hätte der IT-Dienstleister SAP beachtliche Chancen." Problem: Die SAP scheint von ihrem Glück noch nichts zu wissen. "Zwar ist die SAP diesbezüglich extrem interessant aufgestellt aber sie widmet sich der Thematik noch nicht im gebotenen Maße", sagt der Gartner-Analyst. SAP könne etwa mit einem Anbieter aus der TK-Branche eine Allianz bilden, um IT- und TK-Anwendungen zu verbinden das Konvergenzthema also wieder, dessen große Bedeutung auch IDC-Mann Bieler für alle IT-Dienstleister betont.

Fazit von Uechtritz: Die Firmen, die eine klare Transformationsstrategie besitzen und sie dann auch verwirklichen, "haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie im Markt wachsen und gute Zahlen erreichen". Und: Dienstleister, die eher aus dem IT-Spektrum kommen, haben Vorteile. "IBM, HP oder EDS sind in diesem Szenario heute sehr gut positioniert."

Wie sehr der IT-Dienstleistungsmarkt in Deutschland in Bewegung geraten ist, bestätigt auch Andreas Burau von Experton. Viele IT-Dienstleister hätten im Zuge der positiven Marktentwicklung ihre Position ausbauen oder zumindest festigen können. "Hierzu zählen sicher viele internationale große Player wie beispielsweise IBM, HP und EDS, aber auch einige kleinere Spieler in Nischen wie etwa Syskoplan im Umfeld von CRM oder die Schweizer Firma Trivadis, die sich als technologieorientierter Dienstleister im Umfeld von SOA gut positioniert hat."

Normaler Reifeprozess

Interessant zu verfolgen sei auch das wachsende Engagement und Interesse indischer Firmen am deutschen IT-Dienstleistungsmarkt. "In den nächsten Jahren werden diese IT-Anbieter in Deutschland immer weniger zu den Exoten zählen, wie wir es heute schon in den USA oder Großbritannien beobachten können", meint Burau.

Auf den Kopf gestellt wird der Markt für IT-Dienstleistungen aber auch 2007 nicht. Berlecon-Analyst Stiehler prognostiziert für dieses Jahr "keinen massiven Umbruch" der IT-Services-Landschaft oder gar in Anlehnung an den emblematisch für Fortschritt benutzten Begriff Web 2.0 die "IT-Services-2.0". Die IT-Dienstleistungsindustrie mache einen Reifeprozess hin zur Industrialisierung durch wie andere Industriesektoren zuvor auch schon.