Microsoft schottet Vista und Office ab

05.07.2007
Von Hans  Dürrmeier
"Mit Silverlight, LINQ und Visual Studio 2008 (Orcas) werden wir das beste Toolset für unsere Plattformen anbieten", so will Somar Somasegar, Chef der Redmonder Developer Division, der Konkurrenz die Luft aus den Segeln nehmen. Mit ihm sprach Hans Dürrmeier.

CW: Ende Mai wurde "Silverlight" offiziell angekündigt. Können Sie die Rolle der neuen Technik erklären?

SOMASEGAR: Stellen Sie sich Silverlight als ein Plug-in für den Browser vor, mit dem sich interaktive Rich-Media-Inhalte über das Web ausliefern lassen. Als Plattformen wollen wir Windows XP und Vista sowie Apple Macintosh unterstützen. Browser-seitig soll Silverlight im Internet Explorer, in Firefox und Safari laufen. Im Bereich der mobilen Geräte werden wir sicher auch Opera unterstützen. Ob weitere Browser und Plattformen hinzukommen, ist eine Frage des Anwenderinteresses und nicht der Technik. Im Moment geht es uns darum, dass Entwickler und Web-Designer, die mit Silverlight arbeiten, eine möglichst große Benutzerbasis für ihre Anwendungen erreichen.

CW: Neben Version 1.0 gibt es bereits eine Version 1.1 von Silverlight. Beide befinden sich aber noch in der Testphase. War das so geplant?

Somar Somasegar
Somar Somasegar

SOMASEGAR: Release 1.0 ist dazu da, dass sich Entwickler einen Eindruck von den realisierbaren Rich-Media-Inhalten verschaffen können. Die erwähnte Interaktivität wird mit der .NET-Unterstützung von Version 1.1 erreicht. Das vollständige Bild ergibt sich also erst mit dem 1.1-Release.

CW: Mit Silverlight richten Sie sich erstmals nicht nur an die angestammte Microsoft-Klientel. Glauben Sie, dass Anwender zum Beispiel aus dem Flash-Lager umsteigen werden?

SOMASEGAR: Wir sehen einen ausgeprägten Trend in Richtung Web-basierender Anwendungen, die im Browser ausgeführt werden. Für diese Entwickler haben wir mit Silverlight und den neuen Expression-Tools ein sehr attraktives Angebot, das sich auch für Designer eignet.

CW: Im Moment gibt es diese Tools aber noch nicht. Wer Silverlight-Anwendungen schreiben möchte, muss warten, bis Expression Blend 2 oder Visual Studio 2008 offiziell verfügbar sind. Das soll aber frühestens zum Jahresende der Fall sein.

SOMASEGAR: Mit der Veröffentlichung der Vorabversion von Silverlight 1.0 auf der Mix07-Konferenz Anfang Mai haben wir auch eine Vorabversion von Blend 2 sowie eine Erweiterung für die Beta 1 von Visual Studio 2008 freigegeben. Die Werkzeuge stehen also zur Verfügung. Version 1.0 von Expression Blend enthält allerdings keine Silverlight-Unterstützung.

CW: Neben Silverlight ist "LINQ" ein weiteres Thema, auf das sich Entwickler in Zukunft einstellen müssen. Datenbankschnittstellen gibt es einige. Welche Probleme löst LINQ, die von den bislang zur Verfügung stehenden Techniken nicht behoben werden?

"LINQ ist nicht die nächste Version von ADO.NET "

SOMASEGAR: In der Vergangenheit gab es beim Datenbankzugriff zwei Sichten, die zu einer unterschiedlichen Semantik führten: zum einen war dies die Sicht auf den Programmcode, zum anderen die auf Daten beziehungsweise den Zugriff darauf. Daten waren bislang aber nicht das, was wir einen Bürger erster Klasse in Bezug auf die Datentypen nennen würden. LINQ wird diese Sichten zusammenführen und zum Beispiel Datenbankabfragen direkt aus dem Quellcode heraus ermöglichen. Programmierer haben es dann nur noch mit einer Semantik zu tun.

CW: Wie hängt LINQ mit der Datenbankschnittstelle ADO.NET zusammen? Handelt es sich um deren nächste Version?

SOMASEGAR: LINQ ist nicht die nächste Version von ADO.NET, aber es hängt mit der Schnittstelle insofern zusammen, als es mit LINQ to SQL eine Verbindung zu ADO.NET gibt.

CW: Müssen Programmierer bei LINQ wieder alles neu lernen, oder ist die Technik lediglich eine Option?

SOMASEGAR: Die Programmierer werden feststellen, dass mit LINQ Datenbankabfragen sehr viel einfacher werden. Aber es ist nur eine Option.

CW: Wird LINQ nur innerhalb von Visual Studio zur Verfügung stehen, oder hat Microsoft vor, es auch in anderen Anwendungen einzusetzen?

SOMASEGAR: LINQ wird mit Sicherheit in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen, nicht nur in Visual Studio. Die verschiedenen Produktgruppen bei Microsoft werden sich LINQ anschauen und entscheiden, inwieweit sie es verwenden möchten. Das SQL-Server-Team arbeitet zum Beispiel an einem Projekt namens Entity Framework, mit dem sich Entitäten unabhängig vom Datenbankschema definieren lassen. Für das Entity Framework wird LINQ to Entity eine Möglichkeit schaffen, Abfragen gegen ein solches Schema vorzunehmen. Beides soll es zusammen mit der nächsten Version von SQL Server geben.

CW: Ist LINQ also auch ein Ersatz für einen typischen objektrelationalen Mapper?

SOMASEGAR: LINQ geht weit über die Möglichkeiten eines OR-Mappers hinaus. Die Funktion eines OR-Mappers bieten wir mit LINQ to SQL an. LINQ ist aber ganz allgemein dazu gedacht, im Prinzip beliebige Datenquellen aus der Programmiersprache heraus abfragen zu können. Im Moment unterstützen wir relationale Daten und XML, weitere Typen von Datenquellen werden dazukommen.

CW: Inwieweit haben Firmen wie Oracle, IBM oder SAP die Gelegenheit, ihre Datenquellen über LINQ verfügbar zu machen?

SOMASEGAR: Im Zusammenhang mit dem kommenden Entity Framework und LINQ to Entity wird es ein offenes Provider-Modell geben, so dass Firmen wie Oracle Plug-ins für ihre Datenbanken schreiben können und Entwickler in der Lage sind, LINQ-Abfragen gegen Oracle-Datenbanken abzusetzen. Lediglich für LINQ to SQL haben wir uns entschieden, dass es nur ein Provider-Modell geben soll, nämlich das für SQL Server.

CW: Microsoft arbeitet bereits seit längerem an einem Nachfolger von Visual Studio 2005. Was sind die wichtigsten Neuerungen, die mit Orcas beziehungsweise jetzt Visual Studio 2008 einhergehen?

SOMASEGAR: Mit Visual Studio 2008 verbinde ich drei wichtige Aspekte. Zunächst soll es das beste Toolset für unsere Plattformen Vista und Office 2007 bereitstellen. Für Vista bieten wir einen grafischen Designer für WPF-Anwendungen (Windows Presentation Foundation), für Office 2007 gibt es mit Visual Studio Tools for Office die Möglichkeit, die neuen UI-Elemente für eigene Anwendungen einzusetzen und Add-ins auf Anwendungsebene erstellen zu können. Für Web-Entwickler halten wir die Integration von Ajax und Ajax Extensions vor. Für Entwickler, die SOA-basierende Anwendungen erstellen möchten, existiert eine Integration der Windows Communication Foundation mit Windows Workflow.

Der zweite Aspekt ist, dass wir mit Visual Studio 2008 die Entwicklerproduktivität weiter erhöhen wollen. Dazu gehört das bereits erwähnte LINQ, aber auch die Möglichkeit, neben der Version 3.5 auch die Versionen 3.0 und 2.0 des .NET-Frameworks als Zielplattform auszuwählen.

"Alle Varianten von Visual Studio sollen gleichzeitig ausgeliefert werden"

Ein dritter Aspekt besteht darin, dass die "Team System Edition" von Visual Studio 2008 die nächste Ebene für unsere Application-Lifecycle-Management-Tools darstellt. Es gibt wichtige Verbesserungen sowohl bei der Performance als auch bei der Skalierbarkeit. Die Database Professional Edition ist fester Bestandteil von Visual Studio Team System und damit ein integraler Bestandteil unserer ALM-Produktlinie.

CW: Werden Visual Studio und Visual Studio Team System dieses Mal gleichzeitig ausgeliefert?

SOMASEGAR: Alle Varianten von Visual Studio sollen gleichzeitig ausgeliefert werden. Die lokalisierten Versionen erscheinen 60 Tage später. Aber bevor wir weiter über Termine reden: Niemand wird sich später an den Tag erinnern, an dem wir Visual Studio 2008 ausgeliefert haben, aber jeder wird sich daran erinnern, wann es Probleme mit der Version gab. Uns ist sehr daran gelegen, das Feedback unserer Kunden aus der Beta 1 und Beta 2 in die Entwicklung einfließen zu lassen. Aus diesem Grund nennen wir auch keine konkreteren Termine. (ue)