Portale

Microsoft vor IBM und SAP

15.12.2006
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Bei Benutzerführung, den gebotenen Anwendungen und der Backoffice-Integration offenbaren sich die Unterschiede. Vor allem das SAP-Produkt ist hier verbesserungsfähig.

Unternehmen wollen heute mit Portallösungen die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter, Partner und Kunden bündeln und fördern. Sie versprechen sich hiervon wirtschaftliche und strategische Vorteile. Dies setzt aber voraus, dass Anwender alle notwendigen Geschäftsinformationen für ihre tägliche Arbeit erhalten, aus der Umgebung heraus Arbeitsabläufe anstoßen und ihr Wissen miteinander teilen können (und wollen). Wie gut Portalsysteme diese Kollaboration ermöglichen und fördern, hat jetzt eine Untersuchung des Münchner IT-Dienstleisters Pentasys gezeigt. Getestet und verglichen wurden das "IBM Websphere Portal 6.0" unter Windows, der "Microsoft Office Sharepoint Server", Beta 2, sowie das "SAP Netweaver 2004s Enterprise Portal 6.0, SP 9" unter Windows. Diese Produktlinien sind laut Verfasser am weitesten verbreitet und eignen sich gleichermaßen für die Integration von Prozessen, Inhalten und Teamwork. Daher könne man sie als "Collaboration-Plattformen" bezeichnen (siehe Kasten "Bewertungskriterien").

Hier lesen Sie ...

  • welche grundsätzlichen Unterschiede es zwischen den Portalsystemen gibt;

  • welche Besonderheiten es gibt;

  • wo sie ihre Stärken und Schwächen haben.

Unterschiede an der Basis

Auffällige Unterschiede zeigten sich im Test - sowohl hinsichtlich der Funktionen als auch bei der Benutzerfreundlichkeit.
Auffällige Unterschiede zeigten sich im Test - sowohl hinsichtlich der Funktionen als auch bei der Benutzerfreundlichkeit.

Grundsätzlich unterscheiden sich die Produkte durch ihre Basistechnologie, nämlich .NET (Microsoft) und Java (IBM, SAP). Beide Programmierplattformen befänden sich laut Pentasys mittlerweile der gleichen Entwicklungsstufe, doch erforderten sie vom Anwender sehr unterschiedliche Kenntnisse und gerieten damit zum Auswahlkriterium. Dabei gingen die Abweichungen so weit, dass selbst Unternehmen mit Java-Erfahrung sich nicht ohne weiteres in der SAP-Welt zurechtfinden könnten, weil sie zusätzliches herstellerspezifisches Basiswissen brauchten.

SAP-Wissen nötig

Das SAP Enterprise Portal (EP) ist zunächst vor allem für die Unternehmen interessant, die es zusammen mit der Netweaver-Plattform lizenziert haben. Dabei ist zwischen den Versionen "Core" und "Enterprise Portal" zu unterscheiden, die im Funktionsumfang erheblich differenzieren. Deren zentrale Komponente ist der "SAP Web Application Server", der seit 2001 neben Abap (Advanced Business Application Programming) auch die Java 2 Enterprise Edition (J2EE) nutzt. Eine Besonderheit in der Benutzerschnittstelle ist die patentierte Funktion "Drag&Relate". Mit ihr können iViews (Komponenten der Portalumgebung) von anderen iViews aus gestartet werden, wobei sie über "Business Objects" in Beziehung zueinander stehen. Dies löst das häufige Problem der Kommunikation zwischen Portlets in einer Portalumgebung. Sind umfangreiche praktische Erfahrungen mit Netweaver vorhanden, wird sich der Anwender auch mit dem Enterprise Portal wohl fühlen. Dies ist aber bisher nur für eine kleine Gruppe der SAP-Kunden der Fall, da die Mehrheit noch die ERP-Versionen 4.6c oder 4.7 ohne Netweaver einsetzen. Die Dokumentation für das Portal sei zudem weniger verständlich und detailliert als es bei den Konkurrenzprodukten von IBM oder Microsoft der Fall ist. Anwendern ohne Erfahrung oder ohne Pläne, Netweaver-basierende Releases zumindest mittelfristig einzuführen, empfehlen die Autoren die beiden anderen Produkte.

Im IBM-Kosmos

Das IBM Websphere Portal ist Bestandteil der Websphere-Produktfamilie. Als klassisches J2EE-Produkt hat es für Java-Entwickler keine wirklichen Hürden. Die Dokumentation sei außergewöhnlich detailliert und umfangreich sowie leicht zugänglich, berichten die Tester. Als Besonderheit enthält das Websphere Portal eine "Transcoding Technology", die für eine korrekte Darstellung von Portalinhalten sorgt. Dadurch könnten auch Handheld-Geräte und andere mobile Clients Web-basierende Informationen optimiert und effizient empfangen. Andererseits macht es IBM durch die Vielfalt des Websphere-Portfolios dem Anwender oft nicht leicht, das Angebot zu durchschauen.

Microsoft überrascht

So sei allein die Portalsoftware in vier Versionen mit wachsendem Funktionsumfang erhältlich. Dies sei besonders ärgerlich, wenn verschiedene Websphere-Produkte für eine umfassende Lösung wie ein Collaboration-Portal zusammenzustellen sind. So müssen neben dem eigentlichen Portal weitere Software lizenziert und ihr künftiges Zusammenspiel verstanden und definiert werden.

Bewertungskriterien

Folgende Aspekte machen eine Portallösung zur Collaboration-Plattform. Sie wurden mit Noten von eins bis drei bewertet. Die Kriterien können Unternehmen auch grundsätzlich bei der Portalauswahl helfen:

  • Sicherheit, Rechte, Rollen: Gibt es ein echtes Single-Sign-on? Wie spielt das Portal mit Directory Services zusammen? Wie granular ist das Rechte- und Rollenkonzept?

  • Groupware-Funktionen: Was wird geboten? Wie ist die Anbindung an "Microsoft Exchange" und "Lotus Notes"? Wie spielen Teamkalender und persönlicher Kalender zusammen?

  • Prozesse und Workflows: Welche Methoden und Tools werden geboten? Gibt es Standard-Workflows? Werden Prozesse überwacht?

  • Enterprise-Content-Management: Gibt es Funktionen für die Verwaltung von Web-Seiten, Dokumente und Verträge/Unterlagen? Lassen sich E-Mails archivieren?

  • Integration: in Office? In Unternehmensanwendungen (SAP etc.)? Gibt es Standardschnittstellen? Lassen sich Metadaten verwalten (Katalog)? Lassen sich Berichtslösungen einführen?

  • Suche: Wie umfassend und benutzerfreundlich sind die Funktionen? Gibt es Hilfen bei der Suche wie "Highlithing" von Fundstellen oder Suche in den Suchergebnissen?

  • Business Intelligence: Lassen sich BI-Funktionen und Excel einbinden? Ist es möglich, ein Dashboard aufzubauen?

  • Branding, Personalisierung: Wie flexibel und individuell anpassbar ist das Layout?

  • Entwicklung: Welche Entwicklungsumgebung wird geboten? Wie gut werden mobile Anwendungen unterstützt?

  • Administration: Wie verständlich und einfach ist die Installation? Wie sieht die Verwaltungsoberfläche aus? Ist ein Monitoring des Systems möglich? System- und Softwarevoraussetzung.

Eine Überraschung war für Pentasys der neue Microsoft Office Sharepoint Server 2007, der sich laut Tester erheblich von seinem Vorgänger unterscheidet. Angefangen von der Installation bis zum Aufbau von Prototypen (zum Zeitpunkt der Untersuchung noch auf Basis der Beta 2) habe das Produkt und seine Architektur die Tester überzeugt und weise anders als sein Vorgänger "industrial strength" auf. In der einfachen Bedienung spiegelten sich die Erfahrungen von Microsoft im Endanwender-Bereich wider. So sei die Verknüpfung mit Microsoft Office Tools konkurrenzlos gut, die Integration der Portalkomponenten unkompliziert und das Handling für Entwickler einfach. Die Lernkurve werde schnell durchlaufen, und die Produktivität sei hoch, kurz, das Produkt sei einfach und vollständig, loben die Autoren.

Neben dieser grundsätzlichen Einordnung und Bewertung der drei Angebote als Collaboration-Portal sind laut Tester weitere Details zu berücksichtigen (siehe Tabellen "Ergebnisse"). Hierbei unterscheiden sie zwischen "weichen" Fakten, also bis zu einem gewissen Grad subjektiven Einschätzungen wie dem Bedienkomfort, und "harten" Fakten, sprich: den Produkt-Features. Dabei zeigten sich vor allem bei den "Soft Facts" größere Unterschiede. Hierzu rechnen die Tester die Aspekte Bedienkomfort (Usability), Verfügbarkeit von Produktinformationen und -dokumentation, Literatur sowie die Dauer und Komplexität der Installation und Konfiguration.

Studie

Die Untersuchung "Portalsoftware von IBM, Microsoft und SAP als Collaboration Plattform" des Münchner IT-Dienstleisters Pentasys vergleicht drei führende Portalsysteme. Hierzu wurden Testinstallationen aufgebaut und die vorhandenen Dokumentationen ausgewertet. Ziel war es, die Portalprodukte anhand von weichen (Benutzerführung) und harten Kriterien (Features) in ihrer Eignung als Collaboration-Plattform einzuschätzen, eine erste Orientierung zu geben. Neben den kommentierten Ergebnissen finden sich auch Produkt-Features aufgelistet. Bezug: 0611/97 31 50 (Agentur Dripke).

Durchschnittlich bis exzellent

Während IBM und Microsoft in allen Punkten als sehr gut oder zumindest gut bewertet wurden, erhielt das SAP-Portal nur mittelmäßige Noten. So sei die Plattform vor allem in ihrer Benutzerführung gewöhnungsbedürftig, und die erhältlichen Produktinformationen und -dokumentation fielen in Qualität und Umfang eher durchschnittlich aus. Das Literaturangebot ist gut, das der Konkurrenten aber "exzellent". Bei der Installation und Konfiguration seien die Unterschiede hingegen geringer, wenn auch der Einarbeitungsaufwand für das Enterprise Portal größer sei.

Mit Blick auf die gebotenen Produktfunktionen weisen alle Portale eine vergleichbare Reife auf, mit einem leichten Vorsprung des Microsoft-Angebots vor IBM und SAP (siehe Tabellen "Ergebnisse"). Die Aussage basiert auf Testinstallationen bei Pentasys und einer Auswertung der verfügbaren Produktdokumentation. Im Detail finden sich indes auch ein paar Stärken und Schwächen: Danach konnte der Office Sharepoint Portal Server insbesondere bei der Office-Integration punkten. Bei der Anbindung an Unternehmensanwendungen bietet IBM die meisten Schnittstellen, und SAP verlangt für externe Systeme eine Lizenzierung des Integrations-Servers "SAP IX". Zusatzsoftware ist beim SAP-Portal auch für Business Intelligence nötig, die gebotenen Content-Management-Funktionen seien laut den Testern sogar unterdurchschnittlich. Grundsätzlich müssen Anwender zudem den Lieferumfang bei IBM und SAP beachten, da beide Hersteller ihre Produkte in verschiedenen Versionen verkaufen.