Nach der Übernahme von Business Objects

Schlechte Nachrichten: SAP will viele Produkte für Business Intelligence und CPM ausmustern

13.03.2008
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Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Nach dem Kauf von Business Objects zeichnet sich bei der SAP die künftige Produktstrategie für Business Intelligence (BI) ab. Auf die Kunden kommen schmerzliche Veränderungen zu.

Entgegen anderslautender Versprechen will die SAP diverse Produkte für Analyse und Reporting ausrangieren. Betroffen sind vor allem unternehmensstrategische Anwendungen für die Finanzplanung und Konsolidierung sowie verbreitete SAP-Endbenutzerwerkzeuge wie die "Bex"-Clients. Nach dem Kauf des BI-Herstellers Business Objects für rund 4,8 Milliarden Dollar im Oktober 2007 hatte dies noch anders geklungen. Damals war von einer parallelen Weiterentwicklung beider Umgebungen die Rede gewesen - und von Synergien.

Noch im Januar hatte Léo Apotheker, stellvertretender Vorstandssprecher von SAP, den wirtschaftlichen Mehrwert beschworen, der sich durch die Bündelung der Angebote beider Hersteller offenbare. Erste Beispiele für künftige Synergien seien eine gemeinsame Business-Intelligence-Plattform, die Werkzeuge für Reporting, Analyse, Datenvisualisierung, Datenintegration und Stammdatenpflege umfasst, sowie ein "Financial Performance Management Package", mit dem sich Lösungen zur Analyse von Profitabilität sowie für Planung, Budgetierung und Konsolidierung aufbauen lassen.

Chaos in den Finanzanwendungen

Doch von einem geordneten und integrierten Angebot für Corporate Performance Management (CPM) und BI kann nicht die Rede sein. Was auf Kunden zukommt, zeigt ein aktueller Bericht des Business Application Research Center (Barc) aus Würzburg. Die Analysten rechnen vor allem bei den Anwendungen für Planung und Konsolidierung mit tiefen Einschnitten für SAP-Kunden. Solchen Produkten kommt oft eine strategische Bedeutung in Unternehmen zu, da sie zur Unternehmenssteuerung (CPM) dienen und die Finanzen regeln helfen (siehe auch den Beitrag "SAP drängt in die Finanzabteilungen").

Harmonisches Beisammensein anlässlich der Übernahme von Business Objects: Henning Kagermann (links)und John Schwarz, CEO Business Objects, beschwören die Synergien zwischen ihren BI-Produkten.
Harmonisches Beisammensein anlässlich der Übernahme von Business Objects: Henning Kagermann (links)und John Schwarz, CEO Business Objects, beschwören die Synergien zwischen ihren BI-Produkten.
Foto: SAP AG

SAP muss daher mit seinen Produktplänen sehr umsichtig vorgehen, um die Kunden nicht auf die Barrikaden zu treiben. Doch bisher gibt es keine umfassende Roadmap. Nur die Scorecard-Anwendung "SEM BSC" wurde abgekündigt. Beim Thema Profitabilitäts-Management setzt SAP bisher auf eine OEM-Vereinbarung mit dem Anbieter Acorn, hat aber jetzt mit "Business Objects Profitability and Cost Management" (vormals ALG ABM) eine weitere Option. Vor allem aber erwartet Barc, dass die Walldorfer bei den eigenen Werkzeugen für Planung und Konsolidierung einen Schwenk vollziehen. SAP hatte zunächst "SEM BPS" und BW BPS entwickelt und schließlich mit "BI Integrated Planning" eine integrierte Komponente für "Netweaver 2004s BI" herausgebracht. Nun erwartet Barc ein Umstieg auf Software von Outlooksoft, einen Anbieter, den SAP noch vor BO übernommen hatte. Diese Lösung werde möglicherweise um die bisherige Planungs-Engine der SAP erweitert.

Die SAP muss aufräumen

Business Objects (BO) hatte allein in den letzten drei Jahren vor der SAP-Übernahme zehn Firmen gekauft, um sein Portfolio für CPM, Datenvisualisierung und ?integration zu ergänzen und seine Reichweite im Markt zu vergrößern (Inea, Advance Info Systems, SRC, Medicene, Infommersion, Firstlogic, ALG, Carstesis, Inxight und Fuzzy Logic). Die SAP, die bei BI lange auf Eigenentwicklungen gesetzt hatte, wollte 2007 durch den Erwerb von Pilot Software und Outlooksoft ihre CPM-Strategie technisch auf neue Beine stellen. Zum Zeitpunkt des Kaufs von BO waren die vielen Zukäufe auf beiden Seiten noch nicht verdaut, die künftigen Produktstrategien nicht geklärt. Marktbeobachter hatten dies stets angemahnt.

Vier Mal Konsolidierung

Umgekehrt rechnen die Analysten nicht damit, dass die von BO beigesteuerten Planungswerkzeuge "Planning XIR" und "Extended Planning", die das Unternehmen mit den Übernahmen von Inea und Cartesis erworben hatte. Ebenso dürfte laut Barc die BO-Anwendung "Performance Manager" gegenüber dem Produkt "Strategy Management" vom SAP-Einkauf Pilot Software keine Chance haben. Offen ist hingegen, auf welches Pferd die Walldorfer im Bereich Konsolidierung setzen. Hier stehen vier Produkte zur Auswahl: das auf SAP-BW basierende "SEM BCS", das von Outlooksoft kommende "BPC" (Business Planning und Consolidation), das ERP-Modul "EC-CS" sowie das von Cartesis stammende Angebot. Auf Anfrage der COMPUTERWOCHE hieß es, dass SAP "in Kürze" ihre Lösungen im Bereich Konsolidierung auf einer gemeinsamen Plattform verschmelzen wolle. BPC von Outlooksoft, das bisher nur unter dem Microsoft SQL Server läuft, soll in SAP Netweaver 2004s BI eingebunden werden.

Bye bye, Bex?

Auch bei den Endbenutzerwerkzeugen für Reporting und Analyse müssen sich Kunden auf erhebliche Veränderungen in der Produktstrategie einstellen. Diesbezüglich hatte SAP kürzlich eine Roadmap veröffentlicht. Demnach haben zumindest drei SAP-Produkte keine Zukunft mehr: das Entwurfswerkzeug "Bex Report Designer", das Tool für Ad-hoc-Abfragen "Bex Web Analyzer" sowie der "Web Application Designer" für den Aufbau von Cockpits und grafischen Oberflächen. Stattdessen arbeitet SAP an einem neuen Produkt, Codename "Pioneer", das Funktionen des Analyse-Tools "Voyager" von Business Objects mit den Bex-Frontends der SAP vereinen soll. Da Pioneer auch ein Excel-Add-in erhält, steht laut Barc auch die Zukunft des populären "Bex Excel Analyzer" in den Sternen. Dieses Frontend nutzen laut der aktuellen Kundenbefragung "BI Survey 7" fast 88 Prozent aller SAP-BI-Kunden.

Crystal Reports für das Berichtswesen

Angesichts dieser Entwicklung ist es fraglich, ob die Bex-Produkte, die SAP dereinst als Tools für sein "Business Information Warehouse" entwickelt hatte, überhaupt Bestand haben. Schon vor der BO-Übernahme hatten sie nicht den erhofften Erfolg bei SAP-Kunden gehabt. Manche Anwender liebten diese Clients, andere hassten sie regelrecht. Dennoch nutzen laut dem BI Survey etwa 64 Prozent aller SAP-Kunden eines oder mehrere dieser Tools für Reporting und Analyse, während die Reporting-Software "Crystal Reports" von BO nur bei etwa fünf Prozent im Einsatz ist. Klar ist hingegen, dass für Ad-hoc-Abfragen künftig dem BO-Client "Webintelligence" sowie für das Reporting den Crystal-Produkten von BO die Zukunft gehört. Letztere hatten die Walldorfer schon früher durch eine OEM-Vereinbarung angeboten, diese dann aber wieder beendet.

Die Überlappungen und Probleme im SAP-Portfolio für BI und CPM finden sich laut Barc-Analyse auch in anderen Bereichen, darunter der BI-Server. Es wird daher für SAP höchste Zeit, dieses Chaos zu beseitigen, um bestehende und potenzielle Kunden nicht zu vergraulen.

Schlechte Noten von den Kunden

An der SAP-Kundenbasis brodelt es. So ergab vor kurzem die renommierte Kundenbefragung "BI Survey 7" (vormals Olap Survey), dass Anwender der BI-Produkte und des Business Information Warehouse (SAP BW) unzufrieden sind. Der Umfrage zufolge wird den SAP-Produkten von den Kunden im Vergleich zur Konkurrenz am wenigsten zugetraut, einen geschäftlichen Nutzen zu erzeugen. Auch liegen die Lizenz- und Implementierungskosten über dem Durchschnitt, und eine SAP BI/BW-Einführung gilt als die langwierigste von allen. Damit nicht genug, wurde der Produktsupport als unterdurchschnittlich bewertet, und technische Probleme traten laut Studie deutlich häufiger auf als mit anderen BI-Produkten. SAP-Kunden gaben an, dass die Software eine schlechte Performance habe, nicht alle benötigten Funktionen biete und nur schwer zu nutzen sei. In puncto Kundenloyalität belegt SAP nur noch Platz neun unter allen BI-Herstellern.

Gegenüber der COMPUTERWOCHE hieß es, man prüfe momentan, in welcher Form man Kunden bei möglichen Migrationen unterstützen könne und welche wahrscheinlichen Migrationsszenarien dabei entstehen. Für Barc ist der SAP-BO-Deal eine weitere Mahnung an Anwender, sich bei der Produktauswahl nicht auf nur einen großen Anbieter einzulassen. Sie sollten sich vielmehr immer nach den besten Lösungen im Markt umsehen (siehe auch "Gartner beurteilt die neuen Schwergewichte im Markt für Business Intelligence").