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Bürgerdialog

Die Kanzlerin, YouTube und die Cannabis-Freigabe

21.11.2011
Bürgerdialog via YouTube im Internet? Die Kanzlerin sucht neue Wege zum jugendlichen User-Publikum - und sieht sich dabei vor allem mit der Frage nach einer Cannabis-Freigabe konfrontiert.

Simsen beherrscht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekanntlich seit langem. Neben dem sicheren Umgang mit den kurzen SMS-Kurzbotschaften via Handy schickt sich die Kanzlerin nun an, stärker als bisher das Internet als Informationsmedium zu nutzen. Am Freitag hatte ein "digitaler Bürgerdialog" - so Regierungssprecher Steffen Seibert - auf der Internetplattform YouTube Premiere. Auf dem YouTube-Kanal der Bundesregierung beantwortet Merkel die ersten vier von knapp 1800 Fragen, die die überwiegend jugendlichen User in den vergangenen vier Wochen einreichen durften.

"Das Internet ist mit Sicherheit keine Modeerscheinung" tut Merkel via Video den Nutzern kund. Seit langem schon gibt es Samstag für Samstag einen neuen Video-Podcast aus dem Kanzleramt, in dem Merkel etwa die Bedeutung des Einzelhandels würdigt, alle Europäer angesichts der Finanzkrise auffordert, "ihre Hausaufgaben zu machen" oder die Leistung türkischer Zuwanderer unterstreicht.

"Fragen Sie die Bundeskanzlerin!" rief ihr Sprecher Seibert im neu eingerichteten YouTube-Internetkanal der Bundesregierung die Internetgemeinde auf. Gleich über 100.000 mal wurde Seiberts Appell in den vergangenen vier Wochen angeklickt. Fast 10.000 Nutzer beteiligten sich am konkreten Fragespiel. Aus den zum Teil identischen Beiträgen wurde ein Katalog mit 1790 Fragen gebastelt. Daraus wiederum durften die User anschließend per Klick die zehn populärsten auswählen - die Merkel nun in drei You-Tube-Spots beantwortet.

Zu den allerersten unter den Top-Ten zählen nicht etwa Fragen nach der Euro-Krise, der Rente mit 67, Mindestlohn oder Problemen mit dem deutschen Bildungssystem. Nein. Ganz oben steht die Frage, was denn die Bundesregierung von einer Cannabis-Freigabe hält und wie offen sie einer Lockerung des Betäubungsmittelgesetzes gegenüber steht.

Dabei darf sich die Kanzlerin in bester Gemeinschaft mit US-Präsident Barack Obama wähnen, der sich bei einer ähnlichen Aktion ebenfalls der Cannabis-Frage konfrontiert sah. In Deutschland hatte Maximilian Plenert vom Deutschen Hanf-Verband die Frage im Internet nach ganz oben gepuscht. Darum rankten sich auch die meisten User-Diskussionsbeiträge.

Doch auf Merkels Antwort zu dieser Top-Frage werden die Nutzer noch ein paar Tage warten müssen. Denn bei ihrem ersten Auftritt am Freitag arbeitete die Kanzlerin zunächst die Fragen zehn bis sieben der Hitliste ab - etwa warum sich ausgerechnet Großverdiener nicht am System der gesetzlichen Krankenkassen beteiligen müssen oder warum Abgeordnete über die Höhe ihrer Diäten selbst entscheiden.

Dabei gerieten Merkels Antworten eher zu einem Erklärstück in Sachen Politik, Staatsbürgerkunde und Geschichte als zu einem Dialog. Auf das "Warum" ging Merkel kaum ein. Zum Nebeneinander von privaten und gesetzlichen Krankenkassen meinte die Kanzlerin, dass das System in Deutschland historisch gewachsen sei und Vorteile wie auch Nachteile habe. Zur Frage einer stärkeren Bürgerbeteiligung und bürgeroffenen Fragestunden im Parlament erläuterte Merkel die unterschiedlichen Aufgaben von Bundestag und Bundesrat in der föderal organisierten Bundesrepublik. Weitere Antwort-Videos werden am 21. und am 23. November freigeschaltet.

Blogger Markus Beckedahl, von den Grünen als Sachverständiger in die Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft berufen, zeigte sich von der Premiere wenig überzeugt. Ein Bürgerdialog werde nur simuliert, da keine Rückfragen möglich seien, kritisierte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Da bietet das Netz sehr viel bessere Möglichkeiten." Diese Aktion mit YouTube-Fragen wäre vor zehn Jahren vielleicht innovativ gewesen, "aber im Jahr 2011 sieht das etwas altbacken aus." (dpa/tc)