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Zunächst 20 Großstädte

Google Street View in Deutschland gestartet

18.11.2010
Googles umstrittener Online-Straßenatlas "Street View" ist in Deutschland gestartet.

In der Nacht zu Donnerstag schaltete der Internetkonzern die Panoramaansichten für zahlreiche Straßen in 20 großen Städten wie Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München frei. Für den Vormittag hat Google zu einer Pressekonferenz in Hamburg eingeladen.

Anders als in anderen Ländern war Street View in Deutschland auf heftigen Widerstand von Politikern und Datenschützern gestoßen. Unter anderem Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte den Dienst als Eingriff in die Privatsphäre. Obwohl Google die Straßen schon lange mit seinen Kamerawagen abfotografiert hatte, verzögerte sich der Start immer weiter.

Vorab hatten mehr als 244.000 Haushalte allein in den 20 Städten beantragt, ihre Wohnhäuser auf den Straßenaufnahmen unkenntlich zu machen. Google betont, dies seien lediglich knapp drei Prozent der betroffenen Haushalte - relativ wenig nach der großen Aufregung und Umfragen, in denen zum Teil die Hälfte der Bürger sich gegen den Dienst ausgesprochen hatte.

Die deutschen Straßenansichten bekommen trotzdem zahlreiche Lücken: Wenn auch nur ein Mieter eines Mehrfamilienhauses dies verlangt, wird das ganze Gebäude unscharf dargestellt. Datenschützer sprechen von bundesweit mehr als einer Million Haushalten, wenn der bisherige Anteil der Widersprüche auf das ganze Land hochgerechnet werde.

Google betont, dass Widersprüche gegen Street View jederzeit auch nach dem Start des Dienstes möglich sind. Gesichter und Autokennzeichen werden automatisch unkenntlich gemacht.

Die 20 Städte sind Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal.

Anfang November gab der Internet-Riese bereits einen ersten kleinen Vorgeschmack: Google stellte Panoramabilder von bekannten Sehenswürdigkeiten aus fünf Städten ins Netz und ermöglichte virtuelle Rundgänge durch zehn Fußballstadien sowie die Gemeinde Oberstaufen im Allgäu. Dabei blieb eine eine Panne nicht aus: Auf dem iPhone konnte man bei einigen Blickwinkeln auch manche Gebäude erkennen, die auf Wunsch von Mietern oder Eigentümern unkenntlich gemacht werden sollten.

Google hatte allerdings auch gewarnt, dass dies passieren könnte. Jedes Haus muss auf mehreren Bildern verwischt werden. Nach früheren Angaben stellte der Konzern extra dafür 200 Mitarbeiter ein. Für solche Fälle gibt es auf den Bildern den Link "Ein Problem melden".

Wie man ein Haus in Google Street View verschwinden lässt

Wer nicht will, dass sein Wohnhaus bei Google Street View abgebildet wird, kann dagegen vorgehen. Der Internet- Konzern hat sich verpflichtet, Wohnimmobilien auf Antrag eines Eigentümers oder Mieters unkenntlich zu machen. Dafür werden die Ansichten in Deutschland unscharf dargestellt - mit einem digitalen Pinsel "verwischt", bis sie nicht mehr einwandfrei zu erkennen sind.

Eine andere Möglichkeiten wäre gewesen, die Panorama-Fotos an manchen Stellen einfach nur mit "schwarzen Löchern" zu versehen. Google griff aber mit Rücksicht auf die Darstellung etwa in Navigationsanwendungen auf dem Handy lieber zum Weichzeichner. Auch werden zum Beispiel Geschäfte, die im Erdgeschoss eines betroffenen Hauses liegen, ausgespart.

Google muss für jedes Gebäude gleich mehrere Bilder bearbeiten, damit es aus allen Blickwinkeln nicht zu erkennen ist - denn die Straßenfotos gehen fließend ineinander über. "Das dauert im Normalfall drei bis fünf Minuten, in schwierigen Fällen auch länger", hatte die Leiterin von Googles Hamburger Einspruchsabteilung, Sophie Motylski, der Tageszeitung "Die Welt" erzählt, die im Oktober exklusiv Einblick in den Bearbeitungsprozess erhalten hatte.

Auch nach dem heutigen Start von Street View für 20 große Städte kann man einen solchen Antrag stellen. Dafür gibt es in der linken unteren Ecke des Straßenfotos den Link "Ein Problem melden".

Die Möglichkeit, einen Widerspruch per Post einzulegen, gab es bereits seit April 2009. Der Prozess kam jedoch erst mit der Freischaltung eines Online-Tools im August richtig in Gang: Zwei Drittel der gut 244 000 Anträge aus den 20 Städten kamen übers Internet. Damit niemand ein fremdes Haus aus dem Straßenbild verschwinden lässt, gab es ein Prüfverfahren: Google schickte einen Verifizierungscode an die angegebene Postanschrift sowie eine E-Mail mit einem zur Verifizierung benötigten Link. Außerdem fragte Google nach Details zu den Gebäuden, um sie eindeutig identifizieren zu können.

Für zusätzliches Misstrauen gegenüber Google hatte gesorgt, dass die Kamerawagen bei ihren Fahrten auch Daten aus unverschlüsselten WLAN-Netzen mitgeschnitten haben. Google zufolge war es ein Software- Fehler, der über Jahre nicht entdeckt worden war. Die Daten seien nie ausgewertet worden. Nach Erkenntnissen aus anderen Ländern wurden zum Teil auch ganze E-Mails sowie Internetadressen und Passwörter gespeichert. In Deutschland laufen Untersuchungen von Datenschutzbehörden und Staatsanwaltschaft dazu noch. (dpa/tc)