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Tinkebell und Pinkeltje

Tierischer Hass im Internet wegen "Handtaschenkater"

26.05.2009
Hass im Internet ist grenzenlos. "Wegsperren und exekutieren sollten sie dich!", schrieb eine Hausfrau und nach eigenen Angaben "liebevolle" Mutter von zwei Kindern aus Amerika. "Stirb, Hure! Ich werde dich lange leiden lassen", drohte ein 17-jähriger Hardrock-Fan aus dem holländischen Dorf Naaldwijk.

Tausende anonyme Hass-Mails aus aller Welt hat die niederländische Künstlerin Tinkebell bekommen, seit sie ihrem todkranken Kater Pinkeltje den Hals umdrehte und eine Handtasche aus ihm machte. Jetzt hat sie einige hundert dieser E-Mails als Buch veröffentlicht - zur Überraschung der "Hass-Mailer", die sich für unerkennbar hielten, mit deren Namen und Kontaktdaten.

Rasch ist das kürzlich in den Niederlanden in limitierter Auflage von 1000 Exemplaren erschienene Buch "Dearest Tinkebell" zum Kultobjekt geworden. "Es nimmt dem Phänomen von Hass-Mails die Abstraktheit", sagt die 1979 geborene Konzeptkünstlerin mit dem bürgerlichen Namen Katinka Simonse. "Man hört jeden Tag, dass jemand übers Internet anonyme Drohungen bekommt. Jetzt wird deutlich: Es könnte deine Nachbarin sein oder auch dein eigenes Kind."

Das Hass-Mail-Buch sieht Tinkebell als Fortsetzung ihrer von jeher auf Provokation basierenden Kunst. "Ich benutze Kontroversen als Material", sagt sie. Vor allem mit Haustier-Installationen hat die Absolventin des renommierten Amsterdamer Sandberg-Instituts seit 2004 immer wieder Debatten ausgelöst. Ihr erklärtes Ziel ist die Entlarvung einer "doppelten Moral": Die Liebe zum Kuscheltier auf der einen und die Ignoranz gegenüber den Qualen industriell verwerteter Tiere auf der anderen Seite.

So drohte Tinkebell im Sommer 2007, mit einer öffentlichen Installation 60 Küken durch einen Schredder zu jagen, um auf die massenweise Vernichtung männlicher Küken in der industriellen Eierproduktion hinzuweisen. 2008 schritt die Polizei ein, als sie in einer Amsterdamer Galerie 100 Hamster in Tretmühlen zeigte. "Gegen einen Hamster im Tretrad sagt niemand etwas, aber gegen 100 plötzlich doch", konstatierte sie.

Den weitaus größten Wirbel löste sie aber 2004 mit der Präsentation von Kater Pinkeltje als Handtasche aus. Sie wollte damit, hieß es zu Erklärung, hinterfragen, wieso eine Gesellschaft die Verarbeitung eines solchen Haustieres zu einem Produkt nicht akzeptiert, zugleich aber die Herstellung von Produkten aus Millionen von Nutztieren gedankenlos hinnimmt.

Die Aktion ging freilich daneben. Auch nach Jahren erntet sie mit dem Bild des tragbaren "Handtaschenkaters" immer wieder heftige Kritik - bis hin zu Todesdrohungen in Hass-Mails. Dass viele davon nun nicht mehr anonym sind, hat Tinkebells Freundin und Kollegin Coralie Vogelaar durch monatelange akribische Sucharbeit möglich gemacht. Sie hat tausende E-Mail-Adressen von anonymen Hass-Mailern von einer eigens entwickelten automatisierten Suchmaschine mit Angaben in Google, Yahoo! und vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, LinkedIn oder auch Twitter abgleichen lassen.

"Warum bringst du nicht auch deine Mutter um und machst eine Geldbörse aus ihr?", hieß es in einer der anonymen E-Mails, der sich plötzlich Namen, Telefonnummern und Gesichter zuordnen ließen. "Ich hoffe, du krepierst in Schmerzen und brennst in der Hölle!", schrieb ein anderer Hass-Mailer, der nicht gedacht hätte, dass er jemals bloßgestellt werden würde.

Bei ihrer Suche stieß Vogelaar auf ein Phänomen: "Die Verfasser anonymer Hass- und Droh-Mails sind nicht selten exhibitionistische Typen, die Hunderte Fotos von sich im Netz platzieren und alles Mögliche über sich selbst berichten." Mit Klagen von enttarnten Hass-Mailern rechnen die Frauen nicht. "Die würden wir dann natürlich sofort wegen Bedrohung anzeigen", sagt Pinkeltjes Ex-Frauchen. (dpa/tc)