Zukunft der IP-Netze: Die Latency-Falle

19.09.2006
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Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Service on Demand

Vorstellbar sei aber auch, dass den Anwendern Bandbreite flexibel zur Verfügung gestellt wird - ein Modell, das für Saisonartikel-Hersteller interessant sein dürfte. Konsequent zu Ende gedacht, könnte das Ganze sogar zu einer tageszeitabhängigen Bepreisung führen - vergleichbar mit den Mondscheintarifen der Stromerzeuger.

Der Sprung zu Service on Demand wäre nicht weit - ein Gedanke, mit dem man sich auch bei der Telekom-Tochter T-Systems anfreunden könnte. "Das IP-Netz könnte künftig nur noch ein Träger- protokoll sein, auf dem dann kundenspezifische Services für Mail etc. aufgesetzt werden", zeichnet Ulrich Kemp, Sprecher der Geschäftsführung bei T-Systems, ein mögliches Bild der Zukunft.

Matt Jones, CEO von Cloudshield.
Matt Jones, CEO von Cloudshield.

Allerdings sollten die Anwender nicht unbedingt darauf warten, bis die Provider mit entsprechenden Angeboten auf den Markt kommen, denn etliche der heutigen Probleme in IP-Netzen sind durchaus hausgemacht. So geht man davon aus, dass innerhalb der Unternehmenskommunikation der weniger wichtige TCP/IP-Verkehr durchschnittlich pro Jahr um 25 Prozent zunimmt und dadurch die Performance der geschäftskritischen Anwendungen beeinträchtigt. Zudem, so gibt Michael Hartmann, Territory Sales Manager DACH & Eastern Europe bei Blue Coat Systems zu bedenken, "kommunizieren viele Anwendungsprotokolle wie beispielsweise CIFS oder MAPI sehr ineffizient im WAN, da sie ursprünglich für die Nutzung im LAN entwickelt wurden, und dies schlägt sich in einer hohen Latenzzeit nieder".

Dieses Phänomen fiel in den verteilten Client-Server-Struktu- ren der Vergangenheit kaum auf. Mit dem Trend zur Rezentralisierung und IT-Konsolidierung in wenigen Rechenzentren hat dies nun negative Auswirkungen auf die Performance. Dies wird laut Gerard Bauer, Managing Director Zentral- und Osteuropa bei Riverbed, noch durch eine an- dere Entwicklung verstärkt: Durch die Verlagerung von Standorten nach Osteuropa und Asien entständen häufig Datenverbindungen mit hohen Latenzzeiten.

In solchen Fällen ist den Unternehmen mit einer höheren Bandbreite nicht geholfen. Vielmehr ist ein effizientes Management der verfügbaren Bandbreite gefragt, um das leidige Latenzproblem in den Griff zu bekommen, so dass die Mitarbeiter vor Ort mit zentralen Applikationen wie Einkaufs- oder Inventarprogrammen arbeiten können. Konsequent umgesetzt können die Unternehmen, wie das Beispiel des Elektronikkonzerns LG Electronics zeigt, damit noch ihre Kommunikationskosten deutlich senken. So reduzierten die Koreaner mit Hilfe der Steelhead Appliances von Riverbed ihre Aufwendungen für das WAN um sechs Millionen Dollar.

Was dabei auf den ersten Blick nach Zauberei aussieht, hat seine technischen Wurzeln in den Anfangszeiten der Datenfernübertragung. Bereits damals versuchte man auf den langsamen, unzuverlässigen Modemver- bindungen, die Datenübertragung durch zusätzliche Mechanismen wie Kompression zu optimieren. Nichts anderes machen Hersteller wie Riverbed, Blue Coat Systems oder Ipanema heute auch - nur dass in den IP-Netzen effizientere und ausgeklügeltere Verfahren einge- setzt werden.