CW-Interview mit Cisco und Lancom

IPv6-Migration - Vor- und Nachteile

06.06.2012
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Amazon, Google und Microsoft gehen voran: Ihre Web-Seiten sind jetzt auch per IPv6 erreichbar. Mathias Wietrychowski, Manager Systems Engineer bei Cisco, und Eckhart Traber, Pressesprecher bei Lancom, diskutieren über die Vor- und Nachteile einer IPv6-Migration.

CW: Große Internet-Player wie Amazon und Co. haben zum World IPv6 Launch am 6. Juni mit ihren IPv6-Netzen den operativen Betrieb aufgenommen. Müssen Unternehmen jetzt nachziehen?

WIETRYCHOWSKI: Unternehmen sollten sich 2012 mit diesem Thema beschäftigen, um zumindest eine IPv6-Präsenz zu haben. Das bedeutet für mich, dass ein Unternehmen über IPv6 zu erreichen ist. Zudem tut sich eine Firma unter Image-Aspekten nicht unbedingt einen Gefallen, wenn sie nur IPv4 spricht. Des Weiteren kommt der Business-Faktor hinzu, wo nicht das Branding "ich bin per IPv6 erreichbar" im Vordergrund steht.

Eckhart Traber, Pressesprecher bei Lancom.
Eckhart Traber, Pressesprecher bei Lancom.
Foto: Eckhart Traber

TRABER: IPv6 wird in den kommenden Jahren den aktuellen Adressstandard IPv4 ergänzen. Dies ist aufgrund des rasanten Wachstums des Internets notwendig, um weiterhin allen Unternehmen, Internetnutzern und IP-fähigen Endgeräten eine Online-Präsenz und den Zugang zum Internet ermöglichen zu können. Ein akuter Handlungsbedarf trifft aber aktuell nur den asiatischen Raum. Speziell in Europa müssen Unternehmen unmittelbar noch nichts unternehmen. Die Situation wird sich aber bald ändern.

CW: Gilt das für alle Unternehmen?

Mathias Wietrychowski, Manager Systems Engineer bei Cisco.
Mathias Wietrychowski, Manager Systems Engineer bei Cisco.
Foto: Cisco

WIETRYCHOWSKI: Das ist unabhängig von der Unternehmensgröße. Grundsätzlich sollt der Entscheider überlegen, ob er IPv6 dringend zur Kommunikation braucht. Wir wissen, dass man in verschiedenen Weltregionen in Sachen IPv6 aufgrund der IPv4-Adressknappheit sehr viel weiter ist als in Europa. Das gilt etwa für Asien oder Südamerika, also überall dort wo IPv4 aufgrund der Entwicklung nicht die dominierende Rolle gespielt hat.

Deshalb ist es für viele Unternehmen von elementarer Bedeutung auch per IPv6 erreichbar zu sein, wenn sie in diesen Regionen Geschäftsbeziehungen unterhalten. Einer unserer Kunden sah sich beispielsweise bereits mit der Anforderung eines asiatischen Zulieferers konfrontiert, der ganz klar verlangte, wir brauchen IPv6 zur Kommunikation. Hier stellt sich dann die Frage nach der Notwendigkeit einer Migration gar nicht mehr.

TRABER: Mit Sicherheit nicht. So wird die rein regional tätige Schreinerei in Deutschland zunächst noch auf IPv6 verzichten können. Ein international tätiges Unternehmen sollte sich dagegen jetzt schon auf eine teilweise Migration ihrer Internet-Router vorbereiten. Netzwerk-Komponenten, die nur im internen Netzwerk genutzt werden, müssen jedoch überhaupt nicht ausgetauscht werden und können ohne Probleme bis zum Ende ihrer Lebensdauer mit IPv4 genutzt werden.

CW: Welche Gefahr droht, wenn ein Unternehmen nicht migriert?

WIETRYCHOWSKI: Ein Unternehmen sollte sich vor allem überlegen, wie wichtig IPv6 für das Business ist. Bestehen Geschäftsbeziehungen zu Ländern, in denen IPv6 eine Rolle spielt? Laufe ich Gefahr Aufträge zu verlieren, wenn ich kein IPv6 kann? Werden diese Fragen mit Ja beantwortet, sollte ein Unternehmen eine IPv6-Migration ins Auge fassen. Ein anderer Punkt sind die mobilen Endgeräte, die über kurz oder lang IPv6 sprechen werden. Spätestens dann wird es interessant, wenn der Mobile Provider IPv6 einsetzt und das mobile Endgerät des Mitarbeiters ebenfalls IPv6 verwendet und dann auf die unternehmenseigene IPv4-Infrastruktur zugreifen soll. Natürlich geht das auch mit NAT und Super-NAT, aber diese Techniken stoßen auch an ihre Kapazität. Das erhöht den Aufwand und damit die Betriebskosten, womit IPv4 irgendwann einfach zu teuer wird.

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