Mobile TV - das WM-Chaos

29.05.2006
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Broadcast statt Streaming

Letztlich ist vom heutigen Stand der Technik her eine Rundfunktechnik besser geeignet, um Millionen Handy-Nutzer gleichzeitig mit Fernsehen zu versorgen, als eine Mobilfunktechnik, bekennt Pressefrau Marion Stol- zenwald von Vodafone. Siegmund Redl, Senior Director Business Development bei Qualcomm, sieht es ähnlich: "Für die Mobilfunker ist es billiger, 1 MB Fernsehen über Broadcast statt UMTS zu transportieren." Schließlich wollen die Mobilfunkbetreibe, angesichts der Milliarden-Hypothek für die UMTS-Lizenzen ihre Netze lieber mit höherwertigen Datendiensten auslasten als mit TV-Sendungen.

Vorteil DMB

Als mobile Broadcast-Verfahren für das Handy-TV stehen derzeit weltweit die drei Techniken T-DMB, DVB-H und das von Qualcomm entwickelte MediaFlo zur Diskussion. Hierzulande liegt dabei T-DMB, auch schlicht als DMB bezeichnet, zum Auftakt der Fußball-WM mit 1:0 in Führung. Lediglich für diese Technik wurden bereits bundesweit entsprechende Sendelizenzen vergeben. Lizenzinhaber ist die Mobiles Fernsehen Deutschland GmbH (MFD) mit Sitz in Köln und Düsseldorf. Diese will ab dem 31. Mai in ausgewählten WM-Städten mit der Ausstrahlung von Fernseh- und Rundfunkprogrammen beginnen. Das TV-Programm erstellt die MFD dabei unter anderem in Zusammenarbeit mit dem ZDF, MTV, der ProSieben-SAT.1-Gruppe und verschiedenen TV-Produktionsgesellschaften. Dabei wird ein TV-Abo vermutlich zehn Euro pro Monat kosten und beispielsweise über Debitel erhältlich sein. Der Mobilfunk-Provider will mit seinem Angebot in acht WM-Städten starten und die vom ZDF übertragenen Spiele ausstrahlen.

Während die MFD die Entscheidung der deutschen Medienpolitik zugunsten von DMB in ihrer Eigenwerbung damit feiert, "dass Deutschland weltweit zu den ersten Nationen gehört, die über diese innovative Technologie verfügen wird", lästert die internationale IT-Branche, Deutschland hätte sich für die schlechteste der zur Wahl stehenden Handy-TV-Lösungen entschieden. So hätten nicht technische Argumente im Vordergrund gestanden, sondern lediglich der politische Aspekt, die im Zuge des Eureka-Projekts der EU getätigten Millioneninvestitionen in das Digitalradio DAB (Digital Audio Broadcast) endlich rechtfertigen zu können. Bislang erwies sich DAB, das auf 80 Prozent der Fläche in Deutschland verfügbar ist, mit 100 000 Nutzern als Flop. Durch die Einführung von DMB, aus technischer Sicht eine Erweiterung von DAB um visuelle Inhalte, könnte der DAB-Technik aber neues Leben eingehaucht werden. So sind beispielsweise DMB-Empfänger in der Lage, auch DAB-Signale zu decodieren.