Enterprise Mobility

Mobile Geschäftsprozesse brauchen die richtige Strategie

12.07.2012
Von Uwe Kerrinnes
Mehr als 600.000 Apps für Smartphones und Tablets bieten die verschiedenen App-Stores inzwischen. Viele davon sollen auch das mobile Arbeiten in Unternehmen unterstützen. Was aber fehlt, sind ganzheitliche Strategien, sagen Experten der Schweizer Universität St. Gallen.

Sie heißen "Quickoffice Pro", "Popplet" oder "Fuze Meeting HD" und sind für wenige Euro schnell aus dem App-Store runtergeladen. Aber auch wenn sie gute Dienste leisten, fehlt ihnen ein entscheidendes Merkmal: Business-Apps sind meist nicht in die Unternehmens-IT integriert, sondern leisten als mobile Insellösungen auf mehr oder weniger Smartphones und Tablets eines Unternehmens ihren Dienst.

Selbst wenn solche Apps von Unternehmen selbst entwickelt werden, so Thomas Walter, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik in St Gallen, lassen sie häufig noch keinen Nutzen für das Gesamtgeschäft erkennen. Standardisierte Prozesse für mobile Vorhaben seien genauso wenig vorhanden wie zentrale, für das Thema zuständige Organisationseinheiten. Vieles geschehe von Fall zu Fall und innovationsgetrieben in einzelnen Abteilungen. "Die daraus resultierenden Prototypen lassen sich kaum auf andere Aufgabenbereiche ausdehnen", so Walter. "Da macht es schon Sinn, über ein einheitliches Vorgehen nachzudenken."

Zumal die Mehrheit in den Geschäfts-Apps einen wichtigen Faktor für höhere Wirkkraft im Arbeitsalltag sieht, wie das St. Gallener Institut in seiner Studie "Mobile Business Solutions 2012" (http://www.business-goes-mobile.de/) festgestellt hat. Die Schweizer Wissenschaftler hatten 350 Entscheider und IT-Verantwortliche aus 20 börsennotierten Unternehmen unter anderem danach befragt, welche Geschäftsprozesse sich aus ihrer Sicht sinnvoll mobilisieren lassen und wie weit sie damit bereits fortgeschritten sind.

Prozesse anstoßen

Noch immer geht es heute primär darum, Informationen unterwegs empfangen zu können, und weniger darum, Prozesse anzustoßen und abzuwickeln. Mitarbeiter können überall E-Mails und Kalender sowie Daten des Kunden abrufen oder digitale Broschüren mit ihm ansehen. Am wichtigsten ist ihnen die zuverlässige Synchronisation aller Informationen zwischen PC und mobilen Endgeräten. Der Abschluss von Verträgen findet aber meist immer noch auf klassischen Wegen statt. Hier liegt für die Projektleiter der Studie noch viel Mobilisierungspotenzial brach. Viele Projekte gingen hinsichtlich der Prozessoptimierung nicht weit genug. Die Mitarbeiter könnten unterwegs vieles einsehen, aber nicht ausführen.

"Selbst eigenentwickelte Apps bieten häufig noch keinen Nutzen für das Gesamtgeschäft." Thomas Walter, Institut für Wirtschaftsinformatik St. Gallen
"Selbst eigenentwickelte Apps bieten häufig noch keinen Nutzen für das Gesamtgeschäft." Thomas Walter, Institut für Wirtschaftsinformatik St. Gallen
Foto: Thomas Walter

Um Geschäftsprozesse zu verbessern, müssten sich mobile Lösungen in die Unternehmens-IT wie aus einem Guss einfügen. Ohne einen systematischen Ansatz seien sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt. "Mobile ist mehr als nur hippe Marketing-Apps", so Thomas Walter. Mobilisierung mache vor allem dort Sinn, wo sie die Werkbank der Geschäftsanwendungen verlängere.

Arbeitszeiten erfassen, Freigaben erteilen, aktuelle Umsätze im Flugzeug auswerten, Verträge vor Ort beim Kunden digital unterzeichnen, Ersatzteile unterwegs bestellen - die Beispiele für eine 1:1-Umsetzung von Geschäftsprozessen aus den Backend-Systemen auf mobilen Endgeräten sind zahlreich.

Unternehmensberater Thomas Lünendonk sieht das genauso: "Je größer und dezentraler ein Unternehmen und der Marktzugang, desto sinnvoller kann es selbst Apps entwickeln und mit den bestehenden Strukturen verbinden. Mitarbeiter im Außendienst müssen zum Beispiel einen Überblick über den Warenbestand und das Preisgefüge haben, um beim Kunden auskunftsfähig zu sein und Bestellungen auszulösen. Dazu müssen diese Informationen einerseits vor Ort verfügbar und andererseits sauber in die Betriebswirtschaft integriert sein." Das reduziere zudem zahlreiche Fehlerquellen, da etwa keine Informationen später erst manuell zusammengeführt werden müssten.

"Je größer und dezentraler ein Unternehmen und der Marktzugang, desto sinnvoller kann es selbst Apps entwickeln und mit den bestehenden Strukturen verbinden." Thomas Lündendonk, Unternehmensberatung
"Je größer und dezentraler ein Unternehmen und der Marktzugang, desto sinnvoller kann es selbst Apps entwickeln und mit den bestehenden Strukturen verbinden." Thomas Lündendonk, Unternehmensberatung
Foto: Lünendonk

Mobile Middleware wie die Sybase Unwired Platform (SUP) und Lösungen für das Mobile Device Management ermöglichen es, zentrale SAP-Applikationen und Eigenentwicklungen mit nahezu beliebigen Endgeräten und Betriebssystemen sicher und mit hoher Verfügbarkeit zu nutzen. Spannend wird es nach Meinung von Hagen Rickmann, Geschäftsführer Service bei T-Systems, aber erst dort, wo Unternehmen mit mobilen Lösungen völlig neue Geschäftsprozesse und Mehrwerte erschließen. "Mit der Umsetzung 1:1 kann ich Zeit sparen, manches bequemer gestalten und eventuell die Servicequalität steigern, aber mit neuen Prozessen verbessere ich auch mein Geschäftsmodell."