US-Kommunikationsforscher

"Apple ist die neue Weltreligion"

02.08.2010
Von pte pte
Apple ist eine Religion, Steve Jobs ihr Papst und seine Jünger glauben nur noch, statt vernünftig zu denken.

Zu diesem Schluss kommen US-Kommunikationsforscher in der Zeitschrift "New Media & Society". Anlass ist zweifelsohne die Erwartungshaltung, mit der die Welt dem iPhone 4 entgegenfieberte. "Apple erzeugt religionsähnliches Verhalten und Gefühle von seinen Fans. Diese vertrauen seinen Produkten, ganz gleich welche technischen Mängel es aufweist", erklärt Studienautorin Heidi Campbell per Blog.

Apples Geschichte habe viele Elemente einer traditionellen Religion, so die Begründung. "Es entstand in einer einfachen Garage, ähnlich wie der Stall in Betlehem. Steve Jobs trägt messianische Züge, wenn er von seiner Firma gefeuert wurde und zurückkehrte, um sie zu retten. Zudem hat Apple einen bösen Widersacher, der zunächst von Microsoft und nun von Google dargestellt wird", so Campbell. Apple pflege dieses Image penibel, gestalte seine minimalistischen, weißen Stores als "Kirchen der Hightech-Generation" und stilisiere seine Produkte zu religiösen Kultobjekten. Das iPhone 4 ist für Campbell das "Jesus-Phone".

Apple-Outing wie bei Religionsbekenntnis

"Hightech-Produkte wurden früher mit ihren Features beworben. Heute zählt die Emotion", berichtet der Schweizer Markenexperte Stefan Vogler im pressetext-Interview. Erst durch Apple sei dieser Fokus des Marketings in den Bereich Business-to-Consumer gelangt. "Der Sympathieaufbau gelang lange Zeit durch das Bild des Davids, der gegen den Riesen Goliath kämpft. Durch exklusives Design und Nutzerorientierung hat Apple aus technischen Produkten Konsumprodukte des Alltags gemacht, die nicht mehr aus dem Leben wegzudenken sind."

Auch Vogler schließt sich Campbells religiöser Interpretation an. "Apple ist wahrscheinlich eine der wenigen verbindenden Weltreligionen", so der Experte. Hinweise dafür sieht er in den Apple-Fans, die zu Telekom-Läden pilgern und dort campieren. "Apple-Produkte vermitteln Status, besonders wenn jeder bei einem Meeting sein Handy auf den Tisch legt. Wer nicht zur Apple-Community gehört, wird beinahe ausgeschlossen. Zudem löst es genau wie die Mitteilung des religiösen Bekenntnisses Diskussionen aus, wenn man sich als Apple-Käufer outet."

Noch tiefer geht der Wiener Gestaltungs- und Wirkungsforscher Peter Fleissner in seiner Analyse. "Technik ist aus magischen Praktiken erst hervorgegangen, indem es die Traumwelt allmählich real gemacht hat", so der Experte gegenüber pressetext. Werbekampagnen laden laut Fleissner die Hightech-Artikel mit Erwartungen auf. "Wünsche entstehen, bei denen es aber nicht mehr um individuelle Bedürfnisse geht. Ziel ist nur mehr der Nachvollzug der Werbebotschaften." Bedenklich sei dabei, dass statt der zwischenmenschlichen Dimension nur mehr die Ebene Mensch und Gegenstand bedient werde. (pte)