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„Digitale Bohème“ oder was es mit den Laptops im Café auf sich hat

02.11.2006
Wo früher Alfred Döblin sein Bier trank, faucht heute der Milchaufschäumer. Draußen, am Rosenthaler Platz, rauscht der Verkehr. Hinter den hohen Fenstern haben es sich die Gäste im St. Oberholz bei Latte Macchiato und Bio-Limonade gemütlich gemacht.

An vielen Tischen leuchtet das Apfel-Logo an den aufgeklappten weißen Laptops. Das Berliner Lokal ist Kaffeehaus, Retrobar und Ersatzbüro in einem, durch das drahtlose Internet, im Fachjargon „Wireless LAN“ genannt. Zehntausende Hotspots, öffentliche Plätze mit teils kostenlosem Online-Zugang, gibt es bereits in Deutschland. Unter Studenten ist der internet-taugliche Laptop mittlerweile selbstverständlich. Das gilt auch für Freiberufler, die Arbeitsort und -zeit selbst wählen können.

Die beiden Berliner Autoren Holm Friebe und Sascha Lobo haben in ihrem Buch „Wir nennen es Arbeit“ (Heyne) ein feuilletonkompatibles Label für das Phänomen gefunden. Als „Digitale Bohème“ bezeichnen sie Kreative und das „Intelligente Leben jenseits der Festanstellung“, wie es im Untertitel heißt. Das Stadtmagazin „Zitty“ bespöttelte die Laptop-Kreativen in einer Titelgeschichte schon als „urbane Penner“. Doch gleich, welches Etikett man wählt, der Trend ist da, wohl nicht nur in Großstädten wie Hamburg oder Berlin. „Menschen sitzen mit ihren Laptops ganztägig im Café und nennen es Arbeit“, haben Friebe und Lobo beobachtet. Beide sind Internet-Profis. Ihr Blog „Riesenmaschine.de“, für das auch Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig schreibt, erhielt kürzlich einen Grimme-Preis.