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So werden Standards manipuliert

20.07.2007
Microsoft hat versucht, mittels Partnern die Mehrheit in einem Standardisierungsgremium zu erringen, um Open XML durchzupauken. Die Machtübernahme scheiterte denkbar knapp.

Der Kampf um die Standardisierung von Office-Formaten spitzt sich zu. Das Open Document Format (ODF), welches die Grundlage der Open-Source-Büro-Software OpenOffice und StarOffice ist, hat die ISO bereits als Spezifikation anerkannt und ist damit ein international anerkannter Standard. Microsoft möchte den gleichen Status für sein Open XML (OXML, auch Open Office XML, OOXML). Die European Computer Manufacturers Association (Ecma) hat das MS-Office-Format durchgewinkt. Aber in einem Komitee, das eher die US-amerikanische Position in der internationalen Debatte vertritt, kam es zu einem Machtkampf und einem Eklat.

Im International Committee for Information Technology Standards (Incits) sollte das technische Subkomitee V1 darüber abstimmen, ob des dem Incits-Vorstand OXML zur Standardisierung vorschlägt. Dabei kam es zu einem bemerkenswerten Vorgang: Vor wenigen Monaten bestand das V1-Gremium noch aus sieben Mitgliedern, darunter Microsoft. Als aber am 13. Juli die Entscheidung über OXML anstand, waren es plötzlich 26, und die neuen Mitglieder entpuppten sich größtenteils als Microsoft-Partner. Trotz der radikal veränderten Mehrheitsverhältnisse wurde die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für OXML knapp verfehlt, nämlich um zwei Stimmen.

Den Vorgang beschreibt V1-Mitglied Rob Weir von IBM in seinem Blog so: "Ein wichtiger Faktor für das V1-Votum war die große Zahl von Mitglieder, die sich erst seit kurzem an dem Prozess beteiligen. Es gab ein klares Abstimmungsverhalten: Die älteren V1-Mitglieder votierten für 'Ablehnung mit Kommentaren', während die neuen Mitglieder für 'Ja mit Kommentaren' stimmten. Das ist nicht überraschend, weil die neuen Mitglieder überwiegend Microsoft-Business-Partner sind."

Der Incits-Vorstand hat nun 30 Tage Zeit, sich mit dem negativen V1-Votum zu beschäftigen und eine eigene Position zu formulieren, die dann wieder zur Abstimmung steht. Bis Mitte August dürfte sich ergo der Machtkampf in dieses Gremium verlagern. In der ISO ist die Abstimmung über OXML für den 2. September 2007 terminiert.

Für diese Entscheidung sind Microsoft mit dem V1-Votum keineswegs die Felle weggeschwommen. Gleichwohl reagierte Tom Robertson, General Manager of Interoperability and Standards des Redmonder Konzerns, sehr ungehalten. Der Gegenpartei warf er vor, "der seit zehn Jahren bestehende Standardisierungsprozess soll in Stein gemeißelt werden, und keinem neuen Teilnehmer, keinem frischen Blut und keinen neuen Ideen soll es erlaubt werden, an dem Prozess teilzunehmen". (ls)