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Ist Geiz doch nicht mehr geil? - Elektronikkette wechselt Slogan

24.10.2007
Schluss mit geizig? Die Elektronikkette Saturn hat ihren jahrelang erfolgreichen Werbeslogan "Geiz ist geil" endlich zur Geschichte erklärt und reagiert damit auf den vermeintlich veränderten Zeitgeist.

Vor allem Besserverdiener geben wieder deutlich mehr für Luxus aus, beobachten auch Konsumforscher und Handelsexperten. Zugleich wird die Kluft zu denen größer, die sich weniger leisten können. Vor allem Rentner und Hartz-IV-Empfänger müssen angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise eher mehr auf den Euro gucken.

"Wir hassen teuer!"? Was auch immer das ist - jedenfalls kein Deutsch...
"Wir hassen teuer!"? Was auch immer das ist - jedenfalls kein Deutsch...

"Das Preisargument spielt weiter eine wichtige Rolle", betont auch Saturn-Chef Roland Weise. Die deutsche Wirtschaft habe sich aber berappelt. Die Verbraucher sind wieder ausgabefreudiger. Auch Saturn setze mehr auf Marken und Qualität. Der neue Spruch "Wir lieben Technik! Wir hassen teuer!" sei daher nur eine logische Weiterentwicklung.

Die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt hatte den von vielen auch als unsäglich empfundenen Spruch 2002 für die zum Metrokonzern gehörende Kette und ihre bundesweit 125 Märkte erdacht und traf damit die Schnäppchenjäger-Stimmung der vergangenen Jahre. Die Botschaft war: "Es ist sogar clever, billig einzukaufen. Dafür musst Du Dich nicht schämen."

Während sich Saturn über die erfolgreichste Kampagne ihrer Werbegeschichte freut, warfen Konsumexperten der Kette immer wieder vor, sie fordere die Verbraucher auf, nur noch billig und nicht mehr Qualität zu kaufen. Auch Verbraucherschützer kritisieren, dass Discounter sowie Bau- und Elektronikmärkte mit ihrer aggressiven Werbung "billig, billig" in die Köpfe der Verbraucher "geradezu einmeißeln".

Der Qualitätsaspekt gewinne wieder mehr an Bedeutung, beobachtet derweil Rolf Bürkl von der GfK-Marktforschung in Nürnberg. "Das heißt aber nicht, dass der Preis keine Rolle mehr spielt. Die Leute kaufen ja weiter auch beim Discounter ein." Der Spruch "Geiz ist geil" habe sich über die Jahre aber ziemlich abgenutzt.

Ein einheitliches Konsumbild sei ohnehin schon lange nicht mehr auszumachen. "Der hybride Konsument kauft morgens die Dinge des täglichen Gebrauchs bei Aldi und abends den teuren Anzug bei Armani". Während Rentner und Arbeitslose den Gürtel eher enger schnallen müssen, machen sich aber die vergangenen Tarifabschlüsse positiv bemerkbar. "In der Metallbranche, bei Chemie und im Bau haben die Leute jetzt mehr Geld in der Tasche", betont GfK-Experte Bürkl.

"Jeder Slogan hat sich irgendwann erschöpft", heißt es auch beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Die Verbraucher sind aber weiter preisbewusst. Allein 40 Prozent der Lebensmittel würden über den Preis, also beim Discounter gekauft. Der Kaufanreiz bleibe zudem Teil des Kauferlebnisses. "Der Reiz besteht ja darin, etwas besonders Schönes für einen guten Preis zu ergattern", betont HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr. Auch nach Einschätzung der Konsumforscher von AC Nieslen wird das "Preisthema" die Verbraucher weiter verfolgen.

Ob die Konsumenten in den kommenden Wochen vor Weihnachten endlich in den vom Einzelhandel so herbeigesehnten Kaufrausch verfallen, bleibt ohnehin noch abzuwarten. Allein die steigenden Öl- und Energiekosten bergen enorme Risiken. "Das Geiz-ist-geil-Konzept hat sich zwar überlebt, das heißt aber nicht automatisch, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben", betont Rolf Pangels vom Handelsverband BAG, der vor allem die großen Warenhäuser in den Innenstädten vertritt. Viele treibe auch die Sorge um, dass ihr Arbeitsplatz doch nicht so sicher ist.

Dass Geiz wohl auch weiter geil bleibt, zeigte sich auch Mitte September, als tausende Berliner einen neu eröffneten Mediamarkt ("Ich bin doch nicht blöd") in der Nacht regelrecht erstürmten und zum Teil unter Polizeischutz zuhauf Laptops und DVD-Spieler wie erbeutete Trophäen aus dem Laden herausschleppten. (dpa/tc)