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Apple iPhone: Versuch eines Reality Checks

21.06.2007
Ganz Amerika scheint nur auf eines zu warten: Das Erscheinen von Apples Smartphone "iPhone" am 29. Juni. Schick ist das Gerät ohne Frage - aber was taugt es wirklich?

Apples exklusiver Netzpartner AT&T (vormals Cingular Wireless) stellt einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge für die kommenden Monate allein 2000 zusätzliche Arbeitskräfte ein, um dem erwarteten Ansturm von iPhone-Käufern auf seine Filialen Herr zu werden. Die enthusiastischsten Fans werden vermutlich die Nacht vor dem 29. Juni in Schlafsäcken vor AT&T-Läden oder Apple Stores verbringen, um als erste eines der Geräte in Händen zu halten.

iPhone im Dock. Neu: Das YouTube-Icon (zweite Reihe links).
iPhone im Dock. Neu: Das YouTube-Icon (zweite Reihe links).
Foto: Apple

Das iPhone kostet je nach Speicherausstattung (4 oder 8 GB) 500 oder 600 Dollar, und zwar bereits subventioniert über einen Zweijahresvertrag. Es läuft mit einem echten, wenn auch für Handy-Zwecke abgespeckten Mac OS X und wird ausschließlich mit den Fingern über einen Touchscreen bedient. Third-Party-Entwickler sollen AJAX und Web 2.0 nutzen, um Anwendungen für den mitgelieferten "Safari"-Browser zu schreiben (der deswegen eigens auch in einer Windows-Version erschienen ist).

Apple selbst liefert das Gerät mit gängigen Smartphone-Anwendungen aus. Zudem erhält das iPhone einen YouTube-Client für den direkten Zugriff auf die Video-Clips des Google-Portals. Noch nicht bekannt ist, was AT&T für den Daten-Traffic kassieren wird. Für Europa, wo das iPhone erst gegen Ende des Jahres kommen soll, sind überhaupt noch keine Netzpartner oder Preise kommuniziert worden.

Technik: Nebensache?

Apple setzt mit seinen Consumer-Produkten, Musterbeispiel ist die "iPod"-Familie, traditionell auf Design, optimale Benutzerführung und Verzahnung - um nicht zu sagen Zwangsbindung - mit den eigenen Programmen und Services. Nachahmer haben oftmals technisch überlegene Produkte parat, kommen damit aber nicht gegen Apples ausgefuchstes Marketing und den "Coolness-Faktor" des Mac-Herstellers an, der sich wie kaum ein anderer auf das Aufspüren und zeitnahe Vermarkten von Trends versteht. Worum sogar Bill Gates den Apple-Chef Steve Jobs erklärtermaßen beneidet.

Die Konkurrenz schläft nicht - hier das neue "Touch" von HTC.
Die Konkurrenz schläft nicht - hier das neue "Touch" von HTC.
Foto: HTC

Als Setter des Smartphone-Trends kommt Apple aber zu spät, keine Frage - seit Jahren haben alle etablierten Hersteller von Mobiltelefonen solche Zwitter aus Handy und Computer im Programm, was der eigenständigen Gerätekategorie PDA (Personal Digital Assistant) den Garaus gemacht hat. Apple hat also versucht, die Smartphone-Bedienung zu revolutionieren, was man durchaus als gelungen bezeichnen darf. Aber: Auch wenn Steve Jobs behauptet: "Boy, have we patented it", schaut der Wettbewerb dem natürlich nicht tatenlos zu und übernimmt Apples Konzepte, wie zuletzt der enge Microsoft-Partner HTC aus Taiwan mit seinem "Touch" unter Beweis stellte.

Kein UMTS, kein Java, kein Flash…

Apple erzählt uns natürlich nur, was das iPhone alles hat und kann. Zuletzt stellte der Hersteller beispielsweise die unerwartet langen Akkulaufzeiten und die kratzfeste Glasoberfläche heraus. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das iPhone technisch bei weitem nicht auf der Höhe des Wettbewerbs liegt. Nicht zuletzt deswegen, weil das Gerät keinen Mobilfunk der dritten Generation (3G, UMTS) unterstützt. Jedenfalls nicht in der ersten Version, die dieser Tage auf den US-amerikanischen Markt kommt - und AT&T betreibt durchaus ein 3G-Netz.

Außen hui, innen pfui? Schneller als EDGE ist jedenfalls nicht.
Außen hui, innen pfui? Schneller als EDGE ist jedenfalls nicht.
Foto: Apple

Schnellste Verbindungsmöglichkeit ist mithin EDGE (2,5G). Nutzer, die hierzulande bereits mit HSDPA mobil im Netz unterwegs sind, können darüber wohl nur abschätzig den Kopf schütteln. Auf der anderen Seite kann man sich natürlich auch auf den Standpunkt stellen, dass es weiterhin keine Killerapplikation für UMTS gibt und für die allermeisten Handy-Anwendungen auch GPRS vollkommen ausreicht (wir reden hier nicht vom mobilen Internet-Zugang mit dem Notebook via Mobilfunk, aber das ist eben keine Handy-Applikation).

Auch sonst ist das iPhone allerlei Beschränkungen technischer Natur unterworfen, wie Experten der University of Washington zwischenzeitlich im Web schrieben (die Seite ist bereits wieder verschwunden): Das iPhone beherrscht demnach weder Flash noch Java, ist bei Audio und Video auf die von Apples Framework "QuickTime" unterstützten Formate beschränkt, kann in seinem Safari maximal acht Dokumente gleichzeitig laden, beschränkt seine JavaScript-Runtime auf fünf Sekunden und stellt PDF-Dateien ausschließlich mit Apples DisplayPDF-Code dar.

Kein Anschluss ans Unternehmen

Durch die "Konsumerisierung" der IT wird das iPhone in Bälde quasi zwangsläufig auch in Unternehmen auftauchen, eingeschleppt durch Mitarbeiter (und gewiss auch Manager), die sich das Gerät privat zulegen. Diese können zwar Kontakte und Termine dann (neben den einschlägigen Mac-Programmen, die aber in Unternehmen doch eher Mangelware sind) mit Microsoft Outlook abgleichen. Was aber, wenn der Arbeitgeber IBM Lotus Notes/Domino verwendet? Und der HTML-fähige E-Mail-Client des iPhone beherrscht zwar die etablierten Protokolle POP3 und IMAP. Aber Push, das Unternehmen mit RIMs BlackBerry und neuerdings auch Microsoft Exchange längst selbstverständlich nutzen, kann das Apple-Telefon nicht.

Gartner wird Unternehmen in einem bald (voraussichtlich kommenden Montag) erscheinenden Report ausdrücklich davon abraten, das iPhone im Unternehmen einzusetzen. "Wir raten IT-Verantwortlichen dazu, das iPhone nicht zu supporten, weil Apple selbst ebenfalls keinerlei Intention hat, den Unternehmenseinsatz zu unterstützen", sagt Gartner-Analyst Ken Dulaney. "Im Prinzip handelt es sich um einen Handy-iPod mit ein paar anderen Fähigkeiten, und es ist wichtig, dass man ihn auch als solchen behandelt."

Ein Handy-iPod hat nichts im Unternehmen verloren, sagt Gartner.
Ein Handy-iPod hat nichts im Unternehmen verloren, sagt Gartner.
Foto: Apple

Neben der fehlenden Groupware-Integration, die zu einer E-Mail-Weiterleitung an potenziell gefährliche Webmail-Dienste zwinge, fehlten dem iPhone insbesondere Sicherheits-Features wie eine Firewall oder Remote-Management, um etwa Daten zu löschen, wenn ein Gerät verloren gehe oder gestohlen werde. Kollege Randy Giusto von der IDC kann dem nur zustimmen. "Das iPhone ist überhaupt nicht für die IT-Welt positioniert", ergänzt der IDC-Mann. "Das ist ein rein privates Gerät. Die meisten Firmen werden das iPhone in ihrem Netz wohl nicht unterstützen."

Sein Kollege Dulaney findet das iPhone für Firmen auch schlicht zu teuer. Ganz abgesehen von fehlenden langfristigen Wartungs- und Supportzusagen oder mangelnder Integration in Telefonanlagen von Unternehmen. "Firmen werden das nicht kaufen, damit ihre Mitarbeiter Musik einkaufen und Video anschauen können"; glaubt der Gartner-Analyst. "Eine Firma hat eine sehr eingeschränkte Sicht auf das, was sie erledigt haben will. Aus der Consumer-Sicht findet Gartner das iPhone aber sehr positiv, dort wird es das Spiel wirklich ändern."

Mehr Informationen

Apple selbst hat im Vorfeld der iPhone-Einführung inzwischen deutlich ausführlichere Informationen zu dem Gerät ins Netz gestellt. Dort finden sich unter anderem neben technischen Eckdaten (deren Glaubwürdigkeit teils noch zu beweisen ist, speziell was die Akkulaufzeiten betrifft) auch zahlreiche Demo-Videos. Diese vermitteln bereits einen guten Eindruck vom wirklich gelungenen Bedienkonzept, das aber über technischen Schwächen des iPhone und die mangelnde Tauglichkeit für den Unternehmenseinsatz nicht hinwegtäuschen darf. (tc)