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Produktionsende: Letztes Handy bei BenQ Mobile

31.01.2007
Der letzte deutsche Handyhersteller BenQ Mobile stellt vier Monate nach der Firmenpleite seine Produktion ein.

Im niederrheinischen Werk Kamp-Lintfort sollte am Dienstagabend das letzte Handy aus Restbeständen fertig gestellt werden. Unterdessen haben sich noch nicht alle Interessenten für die ehemalige Siemens-Handy-Sparte mit ursprünglich mehr als 3000 Beschäftigten verabschiedet. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Es gibt noch Gespräche, aber wir machen uns keine großen Hoffnungen", sagte eine Sprecherin von Insolvenzverwalter Martin Prager. Auch die Hamburger Firma Bacoc, die ein Angebot für das insolvente Unternehmen in Aussicht gestellt, dann aber nicht vorgelegt hatte, gehöre offiziell noch zum Kreis der Interessenten.

Prager hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Chancen für einen Neustart des Unternehmens sinken, je mehr Zeit zwischen der Insolvenz und einer Übernahme verstreicht. Nach Ansicht eines IG- Metall-Sprechers ist ein neuer Investor nicht in Sicht. In den vergangenen Wochen waren verschiedene Rettungsmodelle für die frühere Siemens-Handy-Sparte in der Diskussion. Die Gespräche mit den potenziellen Investoren blieben aber ohne ein greifbares Ergebnis.

Siemens hatte sein Handy-Geschäft 2005 inklusive einer Mitgift von mehreren hundert Millionen Euro an den taiwanischen Elektronikkonzern BenQ Corp. abgegeben. Nach Umsatz- und Marktanteilsverlusten hatte die neue Mutter dem Unternehmen aber im vergangenen Jahr den Geldhahn zugedreht und die deutsche Tochter so in die Pleite geschickt. Ende September 2006 stellte BenQ Mobile Insolvenzantrag. Von den einst über 3000 Mitarbeitern ist der Großteil in zwei Auffanggesellschaften in Nordrhein-Westfalen und Bayern gewechselt. In Kamp-Lintfort waren zuletzt 165 Mitarbeiter in der Auslaufproduktion tätig. Betriebsrat und IG Metall wollten sie mit Blumen verabschieden.

Das Ende der Handy-Produktion in Kamp-Lintfort bedeutet aber nicht das Ende der Handy-Produktion in ganz Deutschland: Der US-Konzern Motorola baut in Flensburg UMTS-Handys für den europäischen Markt zusammen. Der finnische Handy-Weltmarktführer Nokia fertigt in seinem Werk in Bochum ebenfalls Mobiltelefone für den europäischen Markt. Deshalb erhalten zahlreiche Handys weiterhin ein "Made in Germany".

Rosen und Tränen zum Abschied

Vor dem gläsernen Einganstor von BenQ Mobile in Kamp-Lintfort spielten sich am Dienstag herzzerreißende Szenen ab. Mitarbeiter des insolventen Handy-Herstellers fielen sich weinend in die Arme, versuchten sich gegenseitig zu trösten. Einige fluchten laut, andere waren vor Betroffenheit ganz still. Sie waren angetreten zur letzten Schicht in dem niederrheinischen Werk, das zu Spitzenzeiten mehr als 2000 Beschäftigte zählte und bis vor wenigen Monaten einer der größten Arbeitgeber in der Stadt und Region war.

Andere Mitarbeiter kamen hinzu, "um auch selbst noch mal hiervon Abschied zu nehmen", wie eine Frau Mitte 40 meinte. Mitglieder des Betriebsrates hatten mehrere Hand voll Rosen besorgt, um sie als symbolische Geste den 165 Kollegen zu überreichen, die noch mit der Auslaufproduktion Arbeit hatten. "Wo heute die letzte Schicht ist, wollten wir die Mitarbeiter noch mal überraschen, uns noch mal austauschen", sagte die Betriebsratsvorsitzende Heike Deppner.

"Ich hab die letzten zwei Nächte nicht geschlafen. Man hat hier alles gegeben für den Standort. Im Herz ist das unser Werk", sagt BenQ-Mobile-Mitarbeiter Peter Bachmann. Die Perspektiven in der Stadt würden nach dem Berliner Steinkohlekompromiss, der ein Ende der Förderung 2018 vorsieht, nicht gut aussehen. "Mein Vater hat immer gesagt, geh auf'n Pütt, da ist es sicher. Aber da seh' ich hier auch schwarz", meint er. Der andere große Arbeitgeber in Kamp-Lintfort ist weiter die Zeche West unweit des Handy-Werks.

Allerdings gibt es auch einzelne wie Thorsten Guddack, die nach vorn schauen. Der 41-jährige arbeitet seit 1989 bei Siemens/BenQ Mobile. "Das hat sich seit Oktober gezogen, da hat man mit abgeschlossen. War schön, bei der Auslaufproduktion noch alte Kollegen zu sehen. Für mich geht's weiter, ich fang Donnerstag bei einem neuen Arbeitgeber an - Softwareproduktion in der Automobilindustrie."

Viel Hoffnung auf Rettung besteht nicht mehr - auch "wenn niemand versteht, warum sich niemand ernsthaft für so einen qualifizierten Standort interessiert", sagt der IG-Metall-Bevollmächtigte für den Kreis, Ulrich Marschner. Schuld am Niedergang hat aus seiner Sicht der Münchner Technologiekonzern Siemens, der seine Handy-Geschäft im Jahr 2005 an den taiwanischen Elektronikkonzern BenQ abgab.

Klare Signale gebe es von Seiten der Interessenten nicht mehr, schildert Gesamtbetriebsrat Michael Leucker. "Es melden sich zwar immer wieder Interessenten, gestern auch bei mir, aber ich weiß nicht, wie qualifiziert die sind", schildert er. Land und Bund müssten helfen, fordert Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt. "Aber dass hier die Lichter ausgehen, das ist Unsinn - wir werden um jeden neuen Arbeitsplatz kämpfen", unterstreicht er. (dpa/tc)