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SAP gegen Oracle - Branchenkompetenz entscheidet

29.07.2005
Vertikale Märkte sind aus Sicht von Oracles Finanzchef die Schauplätze im Kampf zwischen seiner Firma und der SAP. Greg Maffei zweifelt außerdem am behaupteten Wachstum der Walldorfer.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Oracles Finanzchef Greg Maffei hat anlässlich einer Diskussion mit Finanzanalysten skizziert, in welchen Bereichen die beiden großen verbliebenen Konkurrenten im Markt für Business-Software, SAP und Oracle, künftig aneinander geraten werden. Laut Maffei wird Branchenkompetenz eine zentrale Rolle spielen. Während in den horizontalen Märkten kein klarer Gewinner zu sehen sein werde, könne sich die Wettbewerbssituation in vertikalen Märkten anders entwickeln. In jeder Branche werde über kurz oder lang einer der beiden Player die Oberhand gewinnen.

Oracle rüstet sich seit einiger Zeit, um durch Übernahmen einzelne Märkte besser adressieren zu können. Für 650 Millionen Dollar kaufte der Datenbankriese den auf Retail-Software spezialisierten Anbieter Retek (siehe auch: "Oracle gewinnt Bieterkampf um Retek"), an dem auch SAP interessiert war. Geschätzte 200 Millionen gab das Unternehmen außerdem für ProfitLogic (siehe auch: "Oracle kauft Retail-Spezialisten ProfitLogic") aus, ein ebenfalls auf den Einzelhandel konzentriertes Softwarehaus. Und wie erst vor wenigen Tagen die "Financial Times" meldete, verhandelt Oracle auch mit der US-Großbank Citigroup über die Übernahme einer Mehrheit an i-flex Solutions (siehe auch: "Oracle greift nach i-flex-Mehrheit"). Diese indische Softwarefirma liefert eine der führenden Softwareplattformen für Banken.

Sowohl der Einzelhandel als auch der Finanzsektor gelten als lukrative Märkte, die bislang noch von keinem der beiden großen Player erschlossen werden konnten - weder mit Branchen- noch mit horizontalen Lösungen. Während Oracle versucht, durch Zukäufe sehr schnell Angebote für vertikale Märkte bieten zu können, setzt SAP vorerst weiterhin auf Eigenentwicklung. Die Walldorfer betonen zwar, sie könnten sich durchaus Zukäufe vorstellen, allerdings werde man nicht um jeden Preis zuschlagen.

Ähnlichkeiten weisen Oracle und SAP nicht nur in ihren Bemühungen um Branchen-Know-how auf. Beide Player verfolgen außerdem Initiativen, um eine Softwarearchitektur auf der Basis einer Service-orientierten Architektur (SOA) zu realisieren. Wie der Nachrichtendienst "Computerwire" ausführt, sieht Oracle dabei Vorteile für sich im Bereich der Middleware. President Charles Phillips sagte demnach, aufgrund der im Markt etablierten Application-Server-Plattform müsse das Unternehmen mit seiner "Fusion"-Middleware nicht bei Null beginnen. Sie sei von Kunden und Händlern breit akzeptiert. SAP dagegen betrete mit seiner "Business Process Platform" Neuland.

Auf Basis der Fusion-Middleware entwickelt Oracle das "Project Fusion", in dessen Rahmen die Business-Anwendungen auf eine Service-orientierte Architektur überführt werden sollen. Allerdings wird Oracle, ähnlich wie SAP, eine Reihe von Releases benötigen, ehe der Sprung in die SOA-Welt geschafft ist. Doch laut Phillips sind Middleware und Applikationen bei Kunden und im Handel gleichermaßen im Einsatz beziehungsweise bekannt, während SAP mit Netweaver ein Produkt bringe, für das es keine Erfahrungen im Markt gebe und das noch kaum Unterstützung durch Drittanbieter genieße.

Einen weiteren Seitenhieb gegen die Walldorfer setzte Maffei. Aus seiner Sicht ist fraglich, ob SAP derzeit wirklich in dem Maße wächst, wie es das Management behaupte. Wenn SAP große Deals abschließe, werde der Umsatz über zwei bis drei Jahre verteilt. Heute lebe SAP von Umsätzen aus Verträgen, die das Unternehmen schon vor längerer Zeit abgeschlossen habe. Maffei betonte außerdem, die gegenwärtigen Einnahmen sagten bei SAP nichts darüber aus, ob die Kunden dem Unternehmen in neue Produktwelten folgten. (hv)