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Oracle positioniert sich als "Informationsarchitekt"

07.12.2004
Kein Wort zu Peoplesoft verlor Chuck Phillips in seiner OpenWorld-Keynote - stattdessen erläuterte er Oracles Vision für flexible, integrierte IT-Systeme.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Oracles President Charles "Chuck" Phillips hat gestern mit seiner Keynote-Ansprache die Hausmesse OpenWorld in San Francisco eröffnet. Dabei ließ er kontroverse Themen, vor allem die geplante Übernahme von Peoplesoft, außen vor und konzentrierte sich stattdessen auf einen abstrakteren Überblick über Oracles Vision für flexible, integrierte IT-Systeme.

Der Hersteller wird seine rund ein Jahr alte "Data-Hub"-Suite, mit der Kunden ihre Daten für spezifische Einsatzszenarien mit Hilfe von Oracle-Produkten synchronisieren können, ausbauen und um vier neue Hubs erweitern. Geplant sind Hubs für die Fertigungsindustrie, die öffentliche Verwaltung sowie zwei für Finanzdienstleister. Sie bauen wahrscheinlich auf Oracles Datenbank mit Konnektoren zu Third-Party-Anwendungen von beispielsweise SAP oder Peoplesoft auf. Einen Termin für die Verfügbarkeit nannte Oracle nicht.

Das Unternehmen wird überdies Entwickler zertifizieren, die das bauen, was Phillips in seiner Rede als "Informationsarchitektur" bezeichnete - eine Infrastruktur aus Data Hubs, Grid-Technik und "Anwendungen für das Informationszeitalter". Eine solche Zertifizierung gehe deutlich über die eines Datenbank-Administrators oder Application-Server-Programmierers hinaus, erklärte Phillips. "Wir wollen, dass Sie erfahrener werden - sie können Meister der Plattform sein", sagte er zu den Entwicklern im Publikum.

Neben der Zertifizierung plant Oracle gemeinsam mit den Partnern Intel, Dell, Novell und Red Hat eine Roadshow durch 40 US-amerikanische Städte, um dort "Die Architektur der Zukunft" zu präsentieren. Entwickler sollen sich dort darüber informieren können, wie sie am besten Applikationen erstellen sollten. "Die Idee dahinter ist, dass es eine neue Architektur auf Basis von Commodity-Computing und preiswerten Servern gibt. Wir müssen den Leuten sagen, wie sie da hin kommen", so Phillips weiter.

Die Architektur der Zukunft tritt damit gewissermaßen die Nachfolge der früheren Initiative "VOS" an, in deren Rahmen sich Oracle gemeinsam mit Veritas und Sun Microsystems bemüht hatte, seinen Kunden vorintegrierte Lösungen anzubieten.

Phillips erklärte außerdem, Oracle bemühe sich darum, seine Partnerschaft mit dem Datenbank-Wettbewerber Microsoft auszubauen. Oracle ist bereits dem Visual Studio Industry Partner Program beigetreten, und Phillips erklärte, er sei "optimistisch hinsichtlich verschiedener Initiativen", auch wenn er dabei nicht näher ins Detail gehen wollte.

Die oben erwähnten Anwendungen für das Informationszeitalter definierte der Oracle Mann als Applikationen, die gute, komplette und erreichbare Informationen liefern, das Ganze selbstverständlich zeitnah, konsistent über alle Anwendungen und mit einer zentralen Sich auf den Kunden.

Oracles Kernkompetenz gruppiere sich um Informationen, die dem Anwender über die Datenbank, die E-Business-Suite, Portal und E-Mail geliefert würden. Darunter liege das Grid, das dafür sorge, dass vorhandene Server-Kapazität möglichst optimal genutzt werde.

Informationszeitalter-Anwendungen, Data Hubs und die Informationsarchitektur gleichen im Wesentlichen den übrigen Middleware-Initiativen aus der Branche, die allesamt vom Paradigma der Verbundanwendung (Composite Application) ausgehen - eine Applikation greift dabei auf Dienste oder Systeme anderswo zurück, die als Web-Services bereitgestellt werden. Nicht zuletzt die SAP hat treibt ihrer Integrationsplattform "NetWeaver" dieses Konzept voran.

Phillips verschmähte allerdings die Plattform des Konkurrenten und erklärte, Oracle könne bereits Produkte und Referenzkunden vorweisen, wohingegen die Walldorfer noch immer ihre Produkte aus einem komplizierten Mix von Java und Abap zusammensetzten. "Diese Strategie wird sehr hart. Da sie aber ihre Architektur verkomplizieren, begrüßen wir dies von ganzem Herzen", so Phillips.

In einer an die Keynote anschließenden Pressekonferenz erklärte der Oracle-President noch, sein Unternehmen sei nicht sicher, wie hoch der Prozentsatz der Kundenbasis sei, die inzwischen auf das rund ein Jahr alte neueste Datenbank-Release "10g" umgestiegen sei. Derzeit kaufe die Hälfte der Kundschaft bereits die neueste Version, so Phillips.

Zum Übernahmestreit um Peoplesoft erklärte er, man befinde sich gegenwärtig in einer abwartenden Position, da Richter Leo Strine vom Delaware Chancery Court entscheiden müsse, of Peoplesoft seine "Giftpillen" abschaffen müsse, die eine Übernahme verhindern sollen. "Wir wollen nicht die nächsten zehn Schritte annehmen, bevor uns dieses Stück Information fehlt", erklärte Phillips. Er betonte erneut, dass Oracle im Erfolgsfall beide Codebasen weiterpflegen und Peoplesofts Bestandskunden supporten, sich aber bei Neuausschreibungen auf seine eigenen Applications fokussieren werde. (tc)