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Red-Hat-Chef Szulik: "Novell kauft sich eine Strategie"

07.11.2003
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Für Matthew Szulik gibt es keinen Zweifel: Suse ist jetzt wie Novell ein "proprietärer Anbieter", vergleichbar mit Microsoft. Red Hat hingegen fühle sich der der Open-Source-Idee und der Community verpflichtet. Mit dem Red-Hat-Chef sprach CW-Redakteur Ludger Schmitz .

CW: Was halten Sie von der Übernahme von Suse durch Novell?

Matthew Szulik: "Wir hätten nichts dagegen, wenn uns jemand zu den richtigen Konditionen Geld gibt."

SZULIK: Die Herausforderung für sie besteht darin, ein Unternehmen, dessen Umsatz zu 100 Prozent auf proprietärer Software basiert, mit einer Firma zu integrieren, die eine Kombination von proprietärer und Open-Source-Software vertreibt. Die Frage ist, ob sie mit dieser Kombination ein erfolgreiches Geschäftsmodell aufziehen können.

CW: Gibt es Auswirkungen auf Red Hat?

SZULIK: Sicher wird Suse wegen der Größe von Novell ein stärkerer Wettbewerber. Aber die Kombination von Novell und Suse bleibt letztlich eine proprietäre Softwarefirma hinsichtlich ihrer Entwicklungsmethoden und Vertriebswege. Wir vermarkten eine Open-Source-Architektur für Unternehmen. Es geht um zwei grundsätzliche Unterschiede und Herangehensweisen, wie man Software entwickelt, ausliefert und ihren Preis gestaltet: Der eine ist proprietär, der andere Open Source.

CW: Wird der Novell-Suse-Deal Konsequenzen für Red Hats Produktstrategien und Marketing haben?

SZULIK: Wir stehen nicht nur Novell-Suse, sondern auch Microsoft gegenüber. Gemein haben beide eine proprietäre Herangehensweise an Software und Business. Wir hatten signifikanten Erfolg am Markt mit Partnern wie IBM, Dell, Hewlett-Packard, Oracle und anderen. Und wir müssen ihnen gegenüber sicher einen noch besseren Job machen, weil der Wettbewerb härter wird. Wir haben unser Produktangebot gut aufgestellt. Ich glaube, es wird ein guter, fruchtbarer Wettbewerb.

CW: Werden sich Ihre Beziehungen zu Suse verschlechtern?

SZULIK: Nach dem, was ich in den letzten fünfeinhalb Jahren bei Red Hat erlebt habe, pflegen die Entwickler eine gute Zusammenarbeit. Aber manchmal leisten sich höhere Manager Reibereien. Ich mag das nicht; ich versuche, mich auf die Kunden zu konzentrieren.

CW: Würde es Red Hat begrüßen, wenn ein größerer IT-Anbieter bei Ihnen einsteigen würde?

SZULIK: Wir hätten nichts dagegen, wenn uns jemand zu den richtigen Konditionen Geld gibt. Aber darum geht es nicht. Unsere finanzielle Situation ist gut. Wir sind profitabel und haben über 300 Millionen Dollar auf der Bank. Eher suchen wir nach Möglichkeiten für Übernahmen. Wir konzentrieren uns darauf, unsere Firma vom Offline- zu einem Online-Business umzuorientieren. Wir wollen keine Kapitalspritze, wir wollen noch mehr Kunden.

CW: Werden sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Linux-Distributionen am Markt verändern?

SZULIK: Wir haben immer noch zwei große Player. Novell hat einfach eine günstige Gelegenheit ergriffen. Eine Firma versucht, sich eine Strategie zu kaufen. Sie ist opportunistisch. Sie hat das Wachstum und die zunehmende Akzeptanz von Open-Source-Software beobachtet und will daran teilhaben - zu einem sehr hohen Preis.

CW: Ist die Übernahme ein Anzeichen dafür, dass Business-Power und Geld über Open-Source-Enthusiasmus siegt?

SZULIK: Ich hoffe nicht. Wir von Red Hat haben uns immer dafür verantwortlich gefühlt, etwas an die Community zurückzugeben. In Werten: 21 Prozent unseres Umsatzes fließt zurück. Es gibt viele Firmen, die davon reden, etwas zur Open-Source-Gemeinschaft beizutragen. Mit der Zeit wird sich herausstellen, wer wirklich einen Beitrag leistet, und die Community wird der Richter sein. Man wird Firmen finden, die nur ihren Vorteil aus Open Source gezogen haben.

CW: Die Linux-Gemeinde hat nicht so negativ auf die Übernahme reagiert, wie zu erwarten war.

SZULIK: Die Community ist mehr an der technischen Position von Open Source interessiert als an Business-Fragen. Sie konzentriert sich auf die Fertigstellung des Kernels 2.6 oder den GCC-Compiler 3.4. Die Community wird Novell schlicht als eine proprietäre Firma ansehen, die ihre finanzielle Stärke ausspielt, um ein Unternehmen zu übernehmen.

CW: Red Hat hat selbst Gespräche mit Suse über eine Übernahme geführt. Haben Sie nie daran gedacht, dass niemand eine Linux-Firma will, die ähnlich dominant positioniert ist wie Microsoft?

SZULIK: Eine Übernahme von Suse war eine alte Idee, die mehr als einmal aufgekommen ist. Aber wir haben ja wohl eine andere Größe als Microsoft. Unsere Jahresumsätze sind vielleicht so hoch wie Microsofts Einnahmen in zwei Wochen.

CW: Nochmals, haben Sie nie gedacht, dass eine Übernahme von Suse eine Gefahr für Linux sein könnte?

SZULIK: Wir haben das in Erwägung gezogen. Und wir glauben an die Kraft des Wettbewerbs. Sie wird uns zu einem besseren Unternehmen machen; sie wird uns zwingen, bessere Produkte zu entwickeln. Aber es gab auch andere Gründe, warum wir die Übernahmeidee nicht weiter verfolgt haben: Lieber konzentrieren wir uns auf den Ausbau unseres Geschäfts. Wir wollten es nicht mit den komplexen Problemen einer multikulturellen Integration zweier Unternehmen zu tun bekommen.