UPDATE: Microsofts OOXML-Standard scheitert im ersten Wahlgang

04.09.2007
Während das Unternehmen eine Jubelmeldung über "starke globale Unterstützung" für Office Open XML verbreitet, wurde in der ersten Abstimmungsrunde vor der ISO die notwendige Mehrheit deutlich verfehlt.

Die Strategie der Desinformation aus Redmond geht weiter: Microsoft verbreitet eine Pressemitteilung, laut der 51 Mitglieder der International Organization for Standardization (ISO) für Office Open XML (OOXML) als Standard gestimmt haben. Das wären satte 74 Prozent. Dies ist das Votum der nationalen Standardisierungsbehörden, die ihre Stimme bis zum 2. September abgeben mussten. Doch die Microsoft-Mitteilung ist eine klassische Halbwahrheit. Denn in Wirklichkeit hat OOXML die notwendige Stimmenmehrheit deutlich verfehlt.

OOXML erhielt nach momentan noch unbestätigten Meldungen von den nationalen Standardisierungsgremien mit "P"-Status (Participants) 18 Ja-, 15 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Für eine Annahme des Microsoft-Antrags wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen. Diese wurde klar verfehlt. Auch an einem zweiten Kriterium scheiterte OOXML: Mit 18 Gegenstimmen von allen ISO-Mitgliedern (einschließlich der Länder mit "O"-Status, Beobachter) wurde genau die Sperrminorität von 25 Prozent erreicht.

Damit ist OOXML von der ISO abgelehnt – aber nur in dieser ersten Runde. Das komplizierte ISO-Verfahren macht es möglich, das Dokumentenformat noch zum Standard zu erheben, wenn Microsoft Nachbesserungen macht. Diese müssen dann die Zustimmung jener Länder finden, die jetzt ein "Disappproval with comments" abgegeben haben. Dafür hat Microsoft bis zum 14. Januar 2008 Gelegenheit. Einen Monat später kann auf einem "Ballot Resolution Meeting" bei der ISO in Genf eine neue Abstimmung erfolgen. Microsoft hat schon vor dem Ländervotum angekündigt, notfalls diese Entscheidung herbeiführen zu wollen.

Es wird allerdings nicht einfach. Die vorgelegte OOXML-Spezifikation füllt mehr als 6000 Seiten, das voluminöseste Dokument, das jemals in einem "Fast-Track"-Prozess (Eilverfahren) zum ISO-Standard durchgeboxt werden sollte. Schon das Volumen hat hunderte Einwände provoziert. Allein Brasilien brachte mehr als 60 Änderungswünsche ein. Die französische Standardisierungsinstitution Afnor verlangt eine Aufspaltung des OOXML-Vorschlags in einen "Kern", der im Laufe von drei Jahren mit dem bereits verabschiedeten Standard Open Document Format (ODF, enthalten in "OpenOffice" und "StarOffice") harmonisiert werden soll, und "Extensionen", um die Kompatibilität älterer Microsoft-Dokumentenformate sicherzustellen.

Für Microsoft steht extrem viel auf dem Spiel. Immer mehr Behörden und langfristig auch Unternehmen schreiben die Nutzung von Office-Produkten vor, die internationalen Standards entsprechen. Schon jetzt haben ODF-kompatible Produkte einen Wettbewerbsvorteil. Microsofts hochprofitables Office-Geschäft könnte Schaden nehmen.

Den größten Schaden hat sich das Unternehmen allerdings selbst zugefügt: Einige Länder haben ihr Votum zuungunsten von OOXML geändert, nachdem bekannt wurde, dass Microsoft die Abstimmungen durch Desinformationen, Verfahrenstricks und Mehrheitsbeschaffungen manipuliert hat (mehr dazu hier und hier). Die Reputation nationaler und internationaler Standardisierungsgremien hat dadurch erheblich gelitten. Viele Verantwortliche in diesen Institutionen dürften auf die Redmonder nicht mehr gut zu sprechen sein. (ls)