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"Mit sensiblen Daten wird sehr freizügig umgegangen"

Social Communitys erschaffen den "gläsernen Menschen"

27.03.2008
Von pte pte
Die Interaktion in sozialen Netzwerk-Communitys erfolgt datenbasiert.

Nutzer, die ihr Profil reichhaltig mit persönlichen Informationen füllen, Bilder veröffentlichen und ausgiebig virtuell kommunizieren, werden zum sozialen Erfolg im Netz. Vielen ist aber nicht bewusst, dass ihre Daten nicht nur ihren virtuellen Freunden zugänglich sind. So können beispielsweise über offene Programmierschnittstellen User-Daten extrahiert und neu kombiniert werden. Solche so genannten Mashups haben einerseits den Erfolg von Web 2.0 mitbegründet, stellen aber andererseits in punkto Datenschutz ein Gefahrenpotenzial dar. Darüber, ob ein derartiges Vorgehen mit sensiblen Nutzerdaten auch rechtlich und ethisch vertretbar ist und wie der Mensch mit den aktuellen technischen Szenarien im Alltag umgehen soll, diskutierten gestern, Mittwoch, eine Reihe von Experten auf der Veranstaltung "Gläserner Mensch dank Social Media?" im Rahmen des österreichischen "net culture lab"-Projekts .

"Wir haben es hier mit einem Grunddilemma zu tun", stellte Jana Herwig, Medienwissenschaftlerin mit Schwerpunkt user generated content, einleitend fest. "Einerseits befinden wir uns in einer aktuellen Situation, in der sich die Menschen zunehmend Sorgen um ihre Privatsphäre machen. Andererseits stellen wir aber auch fest, dass die Bereitschaft der Nutzer, persönliche Informationen im Internet preis zu geben, weiter steigt", erläuterte Herwig. Besonders akut sei diese Problematik im Bereich der Social Communitys. "Hier kommen soziale Funktionen zum Einsatz, die durchaus Sinn machen. Gleichzeitig werden dadurch allerdings sensible Stammdaten berührt, die es ermöglichen, einen Menschen eindeutig zu identifizieren", meinte Herwig und verweist auf ein konkretes Beispiel einer geführten Kommunikation auf dem Netzwerkportal Facebook. "Es gibt Internetdienste, bei denen die User dazu aufgefordert werden, ihre persönlichen Interessen in 144 Zeichen zusammengefasst darzustellen. Derartige Informationen sind natürlich für die Marktforschung sehr interessant", so Herwig.

"Wir finden alle öffentlich im Internet zugänglichen Daten zu einem bestimmten Namen", erklärte Bernhard Lehner, Sprecher der Personensuch-Plattform 123people.com. Dass ein derartiger Suchdienst bei den Nutzern gefragt sei, belege die enorme Nachfrage seit dem Start des Portals. "Es scheint ein großes Bedürfnis der User zu sein, Personendaten im Internet zu finden. Die Zielgruppe ist hier extrem breit", sagte Lehner. Vor allem zur Recherche des persönlichen Hintergrunds eines Menschen werde der Suchdienst oft in Anspruch genommen. "Wir beobachten allerdings auch einen gewissen narzistischen Zugang zu diesem Thema. So suchen rund 50 Prozent der Nutzer nach Informationen zu sich selbst im Netz", schilderte Lehner. Im Vergleich dazu seien die Suchanfragen zu prominenten Persönlichkeiten überraschend gering.

"Personenbezogene Daten unterliegen laut dem österreichischen Datenschutzgesetz einem besonderen Schutz", betonte Jaro Sterbik-Lamina, Research Assistant am Institut für Technikfolgen-Abschätzung. Entscheidend sei allerdings, dass individuelle Selbstbestimmungsrecht des Nutzers. "Jeder kann im Grunde selbst darüber bestimmen, welche Informationen er öffentlich preisgeben will. Die Praxis zeigt, dass mit sensiblen Daten sehr freizügig umgegangen wird", meinte Sterbik-Lamina. Hat ein User sich erst einmal für diesen Schritt entschieden, könne er auch nicht mehr nach Datenschutz verlangen. "Das Datenschutzgesetz kann hier mit der Praxis nicht mithalten. Es werden dringend Denkanstöße für neue Ansätze benötigt. Auch eine internationale Regelung zu dieser Problematik wäre wünschenswert", so Sterbik-Lamina abschließend. (pte)