Kritiker vermissen die notwendige Flexibilität

CeBIT-Expertenrunde: Was taugen aktuelle ERP-Systeme?

07.03.2008
Während die ERP-Hersteller auf ihre Entwicklungsfortschritte verweisen, bemängeln Kritiker die unzureichende Flexibilität der Software und fordern Nachbesserungen in Sachen Standardisierung und Integrationsfähigkeit.

"Die heutige ERP-Software macht in weiten Teilen den Eindruck, dass sie noch aus dem letzten Jahrtausend stammt", greift Werner Schmidt, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Prüfung von Software (GPS), die Hersteller an. Gerade in Sachen Flexibilität hinkten die aktuellen Programme den Versprechen der Anbieter weit hinterher. Mittelständische Anwenderunternehmen seien jedoch auf flexible Softwaresystem angewiesen, um Prozesse schnell ändern und anpassen zu können. Nur so seien sie in der Lage, auf die ständig wachsenden Geschäftsherausforderungen zu reagieren. Bislang könnten die ERP-Anbieter ihren Kunden lediglich technische Flexibilität bieten.

Martin Jung, Vorstandsmitglied der Deutschen Baan Usergroup (DbuG), bestätigt, dass sich die Mittelständler heute im Markt größeren Herausforderungen stellen müssen als noch vor einigen Jahren. Die Unternehmen seien auch bereit, in eine bessere Prozessunterstützung zu investieren. Alte ERP-Software stoße schnell an ihre Grenzen, wenn es beispielsweise um eine internationalere Aufstellung des Unternehmens gehe. "Hier ist die Softwarebranche gefordert, bessere Lösungen anzubieten. Versprechen, die die Hersteller zum Beispiel mit SOA am Softwarehorizont aufleuchten ließen, sind bislang nicht eingelöst worden."

Bevor die Anwender jedoch einen ERP-Wechsel in Angriff nehmen, sollten sie sich über die eigenen Prozesse klar werden, rät Jung. Diese sollten zudem gut dokumentiert sein, um einen vernünftigen Umstieg in akzeptabler Zeit über die Bühne zu bringen. "Viele Unternehmen wissen gar nicht, wie viele Prozesse sie haben", ergänzt Schmidt. Daher müssten sich die Anwender mehr mit den Inhalten ihres Geschäfts auseinandersetzen, weniger mit der Technik. Diese unterscheide sich zwischen Hersteller A und Hersteller B nur wenig. Wenn es außerdem darum geht, die Prozesse zu verbessern, müssten sich die Verantwortlichen genau fragen, "wonach sie eigentlich genau optimieren".

Die Softwareanbieter weisen eine pauschale Verurteilung ihrer Produkte zurück. Zwar werde teilweise noch Software eingesetzt, die den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht werde, räumt Ralf Gärtner, Marketing-Vorstand der SoftM AG, ein. Allerdings habe es durchaus Entwicklungsfortschritte gegeben. So sei die Flexibilität der Systeme besser geworden, beispielsweise was die Einsatzplattform anbelange. Außerdem habe sich die Funktionsflexibilität durch die Parametrisierung weiter verbessert. Zudem ließen sich Prozesse durch Workflow-Management-Funktionen flexibel gestalten.

Auch Reimund Pölka, Bereichsleiter Produkt-Management von der AP AG, bestätigt, dass die Dynamik im Mittelstand stark zugenommen hat. Wie Gärtner verweist auch der AP-Manager auf verbesserte ERP-Software, um die damit verbundenen Anforderungen der Kunden zu erfüllen. "Hier hat sich bei den modernen ERP-Systemen in den vergangenen Jahren einiges getan."

Allerdings räumen die Anbieter auch Defizite ein. "In Sachen Standardisierung hat die Softwarebranche noch einige Hausaufgaben zu machen", sagt SoftM-Manager Gärtner. Solange die Anbieter mit verschiedenen Standards im Markt unterwegs seien, bleibe die Integration der Systeme schwierig, ergänzt Pölka.

Den Anwenderunternehmen rät der AP-Manager, ihr eigenes Geschäft genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Firmenverantwortlichen müssten sich darüber klar werden, was die Kunden vom Unternehmen erwarteten. Es sei ein Irrtum zu glauben, ein 2000 Seiten dickes Pflichtenheft führe automatisch zum richtigen ERP-Lieferanten. Ein ERP-Projekt müsse außerdem im Unternehmen hoch genug aufgehängt werden.

Ein Umstieg oder eine Migration sollten sich die Firmen jedoch genau überlegen, warnt Gärtner. "Ich bin ein Verfechter des Spruchs: Never change a running system." Es müsse gute Gründe geben, ein laufendes ERP-System zu verändern – und diese sollten wohl bedacht werden. Außerdem müssten die Anwender klare und vor allem quantifizierbare Ziele definieren, wo sie mit einem neuen Produkt hinkommen wollen. (ba)