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Second Life leert sich

Ich bin dann mal weg: Firmen fliehen aus Second Life

13.02.2008
Von Handelsblatt 
Vom "Second Life" versprachen sich Unternehmen viel: Das Tor in eine neue Welt des Online-Marketings sollte die virtuelle Welt eröffnen. Wer noch keine Präsenz besaß, galt schnell als "out". Inzwischen ist die Stimmung gekippt, das Rennen um die schnellste Flucht aus Second Life eröffnet.

DÜSSELDORF. Am heutigen Mittwoch schließt die Deutsche Post ihre Filiale in der Online-Welt "Second Life", deren Hype vor etwa einem Jahr begann. Zuvor zogen sich schon bekannte US-Firmen wie der Computerhersteller Dell oder die Hotelkette Starwood aus dem virtuellen Leben zurück. Bereits im August 2007 stellte auch Adidas seine Aktivitäten im "Second Life" ein. Als Fehlschlag will man das Experiment in Herzogenaurach trotzdem nicht sehen: "Der Auftritt war ein Teil unseres E-Marketing-Mix. Dort findet eine rasend schnelle Entwicklung statt", heißt es aus der Konzernzentrale gegenüber "Handelsblatt.com". Auf einer eigenen Insel verkaufte das Unternehmen virtuelle Sportschuhe für je 50 Linden Dollar an die Bewohner der Online-Welt. Dabei gingen laut Adidas 25.000 Paar Schuhe über die Online-Ladentheke.

Angaben zu den Kosten will niemand nach außen kommunizieren. Überhaupt scheint dem Sportartikelhersteller der Ausflug in die digitale Welt des zweiten Lebens heute eher unangenehm: Das ganze sei ja schon lange her, detaillierte Gründe für den Rückzug will man nicht nennen. Dabei zeigte sich Unternehmenssprecher Oliver Brüggen noch im September 2007 zufrieden mit dem Auftritt seines Unternehmens im zweiten Leben.

Der Turm der Deutschen Post: "Das Ziel ist erreicht worden."
Der Turm der Deutschen Post: "Das Ziel ist erreicht worden."

Auch die Deutsche Post will trotz der nun bekanntgeworden Entscheidung nicht von einem Fehler sprechen. "Das Ziel ist erreicht worden", sagt Unternehmenssprecher Uwe Bensien im Gespräch mit Handelsblatt.com. "Mit der virtuellen Onlinepräsenz wollten wir eine neue Form des Marketings intensiv erforschen und neue Zielgruppen gewinnen". Die virtuelle Postfiliale, welche dem Bonner Post Tower nachempfunden war, besuchten jedoch nur rund 10.000 digitale Einwohner. Sie konnten den Besuch dazu nutzen, reale Postkarten gegen Linden-Dollar zu versenden. Wie viele "Second Life"-Bewohner davon Gebrauch machten, konnte Bensien allerdings nicht sagen.

Grundsätzlich sieht der Unternehmenssprecher aber noch Potential in dieser neuen Form des Marketings. Nur sehe die Deutsche Post die Zukunft nicht mehr unbedingt konkret in Linden Labs "Second Life". "Die Plattform hat mit vielen technischen Problemen zu kämpfen. Die Bedienung ist noch zu kompliziert. Bei vielen Anwendern reicht die Rechenleistung nicht aus", so Bensien. Damit spricht er aus, was offenbar viele Unternehmer denken und was auch durch Zahlen bestätigt wird: Zu den Spitzenzeiten waren teilweise bis zu 40.000 virtuelle Einwohner gleichzeitig online. Seit einiger Zeit ist diese Zahl rückläufig. Insbesondere die Kluft zwischen der Anzahl der registrierten und der tatsächlich aktiven Nutzer wird dabei immer größer.

IBM, das seinen Mitarbeitern sogar Vorschriften für das Verhalten in virtuellen Welten macht, hat in den Online-Spielwelten "Entropia Universe" und "There" bereits neue virtuelle Heimaten gefunden. Gerade Entropia Universe scheint bei den Nutzern gut anzukommen. Nach Angaben des schwedischen Herstellers Mindark haben sich bereits rund 600.000 virtuelle Einwohner bei der Plattform registriert. Allerdings bleibt offen, wie viele davon wirklich aktiv sind. Bei There.com ist der Getränkeriese Coca-Cola engagiert. Auch Sony stieg im März 2007 mit einer eigenen Variante eines grafisch aufpolierten zweiten Lebens in den Ring. Die Nutzung von "Home" ist zwar kostenlos, bleibt jedoch den Käufern der relativ teuren Spielekonsole "Playstation 3" vorbehalten.

Noch buhlen also verschiedene Internet-Welten um virtuelle Einwohner und Unternehmen. Bisher konnte keine der Alternativwelten eine marktbeherrschende Stellung erreichen. Klar scheint nur, dass Linden Labs "Second Life" zwar einen Trend begründet hat, die Nutzer langfristig aber technisch ausgereiftere Plattformen suchen. Wohin die digitale Völkerwanderung Unternehmen und Nutzer am Ende treibt, bleibt eine spannende Frage.