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Aktie auf Weg zu Rekordtief

Infineon sieht Zukunft düsterer

07.02.2008
Der Halbleiter-Konzern Infineon blickt sorgenvoller in seine eigene Zukunft. Nicht nur das Kerngeschäft mit Steuerungschips für Auto- und Industrieanwendungen sowie für die Kommunikationstechnik schwächelt, auch von der Speicherchip-Tochter Qimonda drohen weitere Belastungen.

Zwar sei es weiterhin Ziel, "im Geschäftsjahr 2009 eine EBIT-Marge von zehn Prozent zu erreichen", sagte Konzernchef Wolfgang Ziebart am Donnerstag. Das Erreichen dieses Ziel würde allerdings durch die "Unwägbarkeiten der globalen Wirtschaft" und "die ungünstige Entwicklung des Wechselkurses" erschwert. Infineon hat bereits die Prognosen für das laufende zweite Quartal und das Jahr 2008 zurückgenommen.

Die Anleger sahen angesichts eines bereits schlecht gelaufenen ersten Geschäftsquartals rot: Die Aktie stürzte im Handelsverlauf um mehr als 18 Prozent ab und erreichte ein Tagestief von 5,42 Euro. Zuletzt war das Papier im März 2003 so schwach bewertet gewesen. Bis zum Allzeittief von 5,03 Euro aus dem Oktober 2002 ist es nur noch ein kurzes Stück. Analyst Günther Hollfelder von der UniCredit nannte den Ausblick "enttäuschend", sein Kollege Thomas Becker von der Commerzbank verwies auf die Gefahren aus der weiterhin hohen Qimonda-Beteiligung.

Hoffen auf Besserung bei Quimonda

Die Speicherchip-Tochter hatte mit ihrem Rekordverlust auch die Mutter tief in die roten Zahlen gerissen. Von Oktober bis Dezember verbuchte Infineon einen Verlust von knapp 400 Millionen Euro. Grund des Qimonda-Debakels waren die dramatisch gefallenen Preise für Computer-Speicherchips (DRAM). Infineon-Chef Ziebart sagte zwar, es gebe "sehr viele Anzeichen" für eine Erholung der Preise. Doch ob die Preise "jetzt, im nächsten Quartal oder im übernächsten Quartal" wieder stiegen, könne er nicht sagen.

Bis zum Frühjahr 2009 will sich Infineon von der Mehrheit an Qimonda trennen. Bis dahin werden etwaige Verluste aber noch konsolidiert. Doch das ist nicht das einzige, was den Börsianern Sorge bereitet: Sie rechnen auch mit einem weiteren Abschreibungsbedarf auf die Qimonda-Anteile. In den Büchern steht das in den USA gelistete Unternehmen zu zwölf Dollar je Aktie. An der Börse liegt der Wert derzeit allerdings bei 5,17 Dollar. "Es besteht grundsätzlich das Risiko, dass der Anteil an Qimonda weiter abgeschrieben werden muss", sagte Finanzchef Peter Fischl. Er wollte sich aber nicht festlegen, wann dies geschieht.

Verkaufsgespräche dementiert

Viele Börsianer hatten auf einen baldigen Komplettverkauf von Qimonda gehofft. Entsprechende Spekulationen kursieren seit einiger Zeit am Markt. Vorstandschef Ziebart bestritt Gespräche mit dem US-Speicherchip-Hersteller Micron Technology. Dass Infineon ob des Einbruchs seiner eigenen Aktien selbst Ziel einer Übernahme werden könnte, glaubt Ziebart nicht. Derzeit müsste ein Investor noch gut vier Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Münchener zu kaufen.

Auch im Kerngeschäft läuft es bei Infineon derzeit mau. Zwar gelang dem Unternehmen im ersten Quartal vor Zinsen und Steuern (EBIT) mit plus 65 Millionen Euro der Sprung in die schwarzen Zahlen. Doch sank der Umsatz im Vergleich zum vorangegangenen Quartal auf 1,1 Milliarden Euro. Bis zum Ende des Geschäftsjahres im September soll der Umsatz unter Herausrechnung von Qimonda im "hohen einstelligen Prozentbereich" wachsen, wobei Infineon noch vor kurzem "bis zu zehn Prozent" in Aussicht gestellt hatte; vor Zinsen und Steuern wollen die Münchener einen Gewinn ausweisen.

Dickes Minus bei COM erwartet

Besonders schlecht sieht der kurzfristige Ausblick für die kleinere Sparte Kommunikation (COM) aus. Neben einem Umsatzrückgang erwartet der Konzern im laufenden zweiten Geschäftsquartal auch ein operatives Minus von 30 Millionen Euro. Dabei betonte Ziebart, dass der Bereich ebenso wie das darin enthaltene Mobilfunkgeschäft unter Herausrechnung von Sondereffekten im ersten Quartal profitabel war: "Wenn man bedenkt, dass uns mit BenQ Mobile unser Hauptkunde weggebrochen ist, können wir auf diese Leistung schon ein wenig stolz sein."

Ziebart hatte die Sparte nach der Insolvenz von BenQ Mobile nicht geschlossen, sondern durch Zukäufe ausgebaut. Er gewann unter den Herstellern von Mobiltelefonen viele neue Kunden und punktete dabei vor allem mit multifunktionalen Steuerungschips für Billighandys. "Ab dem dritten Quartal wächst COM wieder", sagte Ziebart. Den Durchhänger begründete er mit saisonalen Schwächen. Analysten zeigten sich verwundert angesichts guter Ausblicke von anderen Branchengrößen.

Die einzig profitable Sparte von Infineon war im ersten Quartal abermals Auto und Industrie (AIM). Allerdings fielen Umsatz und operativer Gewinn im Vergleich zum vorangegangenen Quartal, was nicht zuletzt an rückläufigen Bestellungen der US-Autobauer gelegen hatte. Hier sieht der Konzern Besserung, rechnet gleichzeitig aber mit einem saisonal bedingten Abflauen der Nachfrage nach Chips für Computer und Unterhaltungselektronik. Unterm Strich rechnet Infineon mit einem Umsatz von 743 Millionen Euro im zweiten Quartal - bei jedoch gut einem Drittel weniger Gewinn (zuletzt 93 Mio Euro). Im Gesamtjahr sollen Umsatz und Gewinn leicht zurückgehen.

Enttäuschung ohne Ende: Infineon im Sturzflug

Die Infineon-Aktionäre sind eigentlich hartgesotten. In den vergangenen zwölf Quartalen hat der Konzern elfmal einen Nettoverlust verbucht. So waren auch die Erwartungen für den Start ins neue Geschäftsjahr niedrig angesetzt, zumal die Speicherchip-Tochter Qimonda bereits tiefrote Zahlen veröffentlicht hatte. Dennoch schaffte es der Konzern, die Investoren mit der Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag auf dem falschen Fuß zu erwischen: Um satte 19 Prozent rauschte der Kurs zeitweise in die Tiefe und lag mit 5,40 Euro schon nah am Allzeittief aus dem Jahr 2002 von gut fünf Euro. Zum Vergleich: Ihr Hoch hatte die Aktie im Jahr 2001 bei mehr als 92 Euro markiert; allein in den letzten sechs Monaten hat sich der Wert weit mehr als halbiert.

Verantwortlich für das Kursdebakel war weniger der Nettoverlust von 396 Millionen Euro. Der war nach den schwachen Qimonda-Zahlen erwartet worden. Für Missstimmung sorgte vor allem die Lage in der Kommunikationssparte COM. "Ich bin enttäuscht, dass der Turnaround bei COM nicht gelungen ist", sagte Infineon-Spezialist Theo Kitz stellvertretend für viele Analystenkollegen. Denn die Sparte schnupperte zwar - wie von Vorstandschef Wolfgang Ziebart versprochen - nach jahrelangen Verlusten im ersten Quartal 2007/08 (30. September) an der Gewinnschwelle. Dabei handelt es sich allerdings offenbar nur um eine Stippvisite: Im Gesamtjahr rechnet Ziebart bei COM mit einem Verlust vor Steuern und Zinsen. "Das ist schon ungewöhnlich, dass man sich mühsam an den Breakeven heranarbeitet und dann gleich wieder in die Verlustzone zurückfällt", sagte Kitz.

Infineon-Chef Ziebart muss inzwischen mit Gegenwind kämpfen. Zwar wird seine mühselige Sanierungsarbeit der vergangenen Jahre allseits anerkannt. Allerdings muss er nun beweisen, dass Infineon ohne die Belastung durch Qimonda im neuen Kerngeschäft mit Speicherchips in eine bessere Zukunft aufgebrochen ist. Auf einer Telefon-Pressekonferenz musste sich Ziebart erstmals fragen lassen, ob er angesichts des Rückfalls von COM in die Verlustzone nicht an persönliche Konsequenzen denke. Das wies Ziebart von sich, zumal die Sparte ja im abgelaufenen Quartal ihr Ziel erreicht habe.

Mit Kritik meldete sich am Donnerstag auch das Beratungsunternehmen Oliver Wyman zu Wort. Infineon habe zwar seine Kernaktivitäten neu definiert, Qimonda ausgegliedert und Pläne für die Auslagerung von Fertigungskapazitäten. "Noch keine Strategie ist bei der Anpassung des Geschäftsmodells mit Blick auf Organisation, Prozesse und Strukturen erkennbar", mäkelten die Berater. Ein Vorwurf, der Ziebart erzürnte: "Die Studie ist völliger Nonsens."

Verantwortlich für den Kurseinbruch dürfte auch der vage Ausblick gewesen sein. Dabei rechnet Infineon nicht nur mit Rückschlägen im laufenden Quartal. Auch das Ziel für das kommende Geschäftsjahr stellte Ziebart in Frage. Man wolle zwar weiterhin vor Steuern und Zinsen eine Gewinnmarge von zehn Prozent erreichen, sagte der Vorstandsvorsitzende. Allerdings verwies er auch auf die ungewisse Zukunft der Weltkonjunktur, den schwachen Dollar und die Lage bei COM. Für die angepeilten zehn Prozent Rendite gelte: "Das ist nicht eine Prognose, die wir geben, sondern ein Ziel, das wir verfolgen." (dpa/tc)