ERP-Backend soll enger an das Frontend rücken

IBM und SAP verknüpfen Lotus Notes mit der Business Suite

21.01.2008
Unter dem Codenamen "Atlantic" wollen IBM und SAP bis Ende des Jahres eine Software auf den Markt bringen, die Lotus Notes mit dem ERP-Backend verknüpft. Nach der Kooperation mit Microsoft gewinnt der deutsche Softwarehersteller damit den zweiten Frontend-Spezialisten.

Atlantic soll für eine engere Integration von Lotus Notes mit SAPs Business Suite sorgen. Das gaben beide Hersteller im Rahmen der aktuell stattfindenden IBM-Konferenz "Lotosphere" in Orlando, Florida, bekannt. Anwender seien damit in der Lage, aus IBMs Collaboration-Tool heraus direkt auf Daten und Prozessinformationen im ERP-Backend von SAP zuzugreifen. Die Lösung adressiert in erster Linie die so genannten Information-Worker, die auf Basis schnell verfügbarer Geschäftsinformationen Entscheidungen treffen müssten. Beispielsweise könnten Manager vor der Genehmigung von Reiseanträgen aus Notes heraus auf SAP-Reports zugreifen, um sich die aktuelle Situation ihrer Kostenstelle anzeigen zu lassen.

"Firmen suchen neue Wege der Zusammenarbeit und eine Möglichkeit, Geschäftsprozesse besser zu managen", erläutert Mike Rhodin, General Manager IBM Lotus and Collaboration, die Hintergründe der Zusammenarbeit. Für SAP gehe es in erster Linie darum, den Kunden eine möglichst breite Palette von Desktop-Tools bieten, von denen aus auf die eigene ERP-Lösung zugegriffen werden kann, ergänzt Vishal Sikka, Chief Technology Officer (CTO) von SAP. Nicht zuletzt dürfte für beide Anbieter jedoch im Vordergrund stehen, durch die verbesserte Integration mehr Nutzer für die eigenen Anwendungen zu gewinnen und damit das Lizenzgeschäft anzukurbeln. Erst vor wenigen Tagen hatte Konzernchef Henning Kagermann im Zusammenhang mit der Übernahme von Business Objects als Marschroute vorgegeben, die Zahl der Anwender für die eigenen Programme drastisch zu erhöhen (siehe auch: SAP will Zahl seiner Anwender in Unternehmen deutlich erhöhen) . SAP und IBM beziffern die Zahl der gemeinsamen Firmenkunden weltweit auf 13.000.

Anlaufen dürfte das Geschäft jedoch frühestens Ende des Jahres. Laut den bislang vorliegenden Plänen soll Atlantic im vierten Quartal 2008 auf den Markt kommen. Die Lösung soll durch IBM und SAP vertrieben werden. Release 1 von Atlantic wird nach Angaben der Hersteller SAP Workflows, Reporting und Analytics unterstützen. Darüber hinaus sind verschiedene Pakete geplant, um die Integrationslösung an unterschiedliche Nutzerrollen anzupassen und SAP-Rollen mit dem Lotus-Notes-Client zu synchronisieren. Außerdem wollen die Softwareanbieter Werkzeuge ausliefern, mit deren Hilfe sich diese Rollen erweitern und anpassen lassen.

Ganz überraschend kommt die Zusammenarbeit zwischen SAP und IBM indes nicht. 2006 hatte IBM bereits mit den Notes-Versionen 7.0.1 und 7.0.2 eine engere Kopplung mit der SAP-Welt vorgestellt (siehe auch: Lotus Notes und Mysap kommen sich näher). Beispielsweise konnten Anwender bereits mittels Self-Service-Funktionen persönliche Informationen im SAP-System aktualisieren. Außerdem war es möglich, auf SAP-Komponenten wie Customer-Relationship-Management (CRM) und Human Resources (HR) zuzugreifen und daraus Informationen in das Notes-Adressbuch und den Kalender zu verschieben.

Ob Atlantic von Beginn an auch in einer deutschen Version herauskommen beziehungsweise diese erst im nächsten Jahren folgen wird, vermochten die IBM-Verantwortlichen noch nicht zu sagen. Auch über die Preise der Software bewahrten die Anbieter noch Stillschweigen.

Für SAP ist Atlantic nicht die erste Kooperation mit einem Frontend-Spezialisten. Im Jahr 2005 hatten die Walldorfer mit dem Projekt "Mendocino" eine engere Verzahnung der Softwarewelten von Microsoft und SAP angekündigt. Herauskam die Software "Duet", die es den Nutzern von Microsofts Office-Applikationen erlaubt, aus ihrer gewohnten Arbeitsumgebung heraus auf SAP-Daten zuzugreifen, diese zu bearbeiten und zurück ins SAP-System zu schreiben.

Doch die Integration dauert offenbar länger als ursprünglich geplant (siehe auch: SAP verschiebt Duet-Fahrplan). Im vergangenen Dezember räumten die SAP-Verantwortlichen ein, dass sich der Duet-Fahrplan verzögert. Das für Mitte 2007 angekündigte und dann auf Ende des Jahres verschobene Release Duet 1.5 wird demnach erst im zweiten Quartal 2008 auf den Markt kommen.

Der Auslieferungsplan für Duet wurde geändert, um eine optimale Abstimmung der Entwicklungsarbeit von SAP und Microsoft sicherzustellen, begründete der deutsche Softwarekonzern die Verschiebung. Außerdem werde Version 1.5 mit Funktionen angereichert, deren Auslieferung eigentlich erst mit Release 2.0 geplant gewesen seien. Duet 2.0 wird nach SAP-Angaben dafür ausfallen. Das auf 1.5 folgende Release 3.0 soll mit dem neuen Office von Microsoft auf den Markt kommen. Wann das sein wird, steht jedoch noch nicht fest.

Auch hinter dem Erfolg der Integrationslösung steht nach wie vor ein Fragezeichen. SAP zufolge setzen derzeit weltweit rund 250 Firmen Duet ein, eine Zahl, die seit April vergangenen Jahres stagniert. Experten zufolge steht das zu starre Lizenzmodell einer weiteren Verbreitung im Wege. Anwender benötigen neben einer Duet- auch eine SAP-Lizenz, um von Office aus auf das SAP-Backend zugreifen zu können. Diese Regelung ist jedoch für User kaum rentabel, die diese Funktion nur sporadisch nutzen – beispielsweise zur Budgetprüfung einzelner Reiseanträge. Experten fordern daher flexiblere Lizenzmetriken beziehungsweise eine Art "Light-Lizenz", um die Nutzung von Duet für Unternehmen interessanter zu machen.

Vor diesem Hintergrund wird man abwarten müssen, wie sich SAP und IBM mit Atlantic im Markt platzieren. Technisch gesehen dürfte die Integration zwischen Lotus Notes und SAPs Business Suite für den beiden versierten Softwareexperten kaum Probleme bereiten. Die interessantere Frage ist jedoch, wie die Integrationslösung unter dem Gesichtspunkt Lizenzierung vermarktet werden wird. Die Antwort bleiben beide Anbieter jedoch bislang schuldig. (ba)