Social Enterprise und Social Business

Mehr soziale Vernetzung wagen

14.11.2012
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Rheinmetall: Connections verknüpft Offenheit und Vertraulichkeit

Markus Bentele, Rheinmetall: "Die Frage, ob man das Social Business einführen sollte, stellt sich meines Erachtens nicht. Es ist sinnvoll, zahlt sich aus und schafft eine moderne Arbeitsumgebung."
Markus Bentele, Rheinmetall: "Die Frage, ob man das Social Business einführen sollte, stellt sich meines Erachtens nicht. Es ist sinnvoll, zahlt sich aus und schafft eine moderne Arbeitsumgebung."
Foto: Rheinmetall

Für Rheinmetall ist die Balance aus Transparenz, Offenheit und Vertraulichkeit eine besondere Herausforderung. Einerseits steht der Konzern, der Kunden aus der Verteidigungs- und Automobilbranche mit Hightech beliefert, in der Pflicht, Daten vor unberechtigten Zugriffen zu schützen. Andererseits muss er sich auf dem umkämpften Recruiting-Markt den Wissensarbeitern und Jungakademikern als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, der seinen Beschäftigten zeitgemäße Arbeitsmittel bereitstellt. Last, but not least ist die Produktion von Hightech ein Geschäft mit Spezial-Know-how, und "Wissen ist Macht, aber Wissen teilen ist mächtiger", weiß Markus Bentele, Corporate CIO bei Rheinmetall.

Bentele hat die Ausgewogenheit im internen Konzernportal "Gate²" mit entsprechenden Social- Business-Funktionen abgebildet. Diese zentrale Anlaufstelle für mehr als 11.000 Rheinmetall-Mitarbeiter basiert auf IBMs Enterprise-2.0-Lösungen "Connections", "Quicker" und "Sametime". Nutzer können sich mittels Activity- und News-Stream informieren, über ein integriertes Instant Messaging miteinander kommunizieren, Diskussionsrunden eröffnen oder ihnen beitreten sowie einen eigenen Blog und ein Wiki betreiben. Darüber hinaus öffnen Funktionen wie Yellow Pages, Tagging und Microblogging die Möglichkeit zur synchronen Kommunikation und Zusammenarbeit. "Wir haben die Innovationen und Erfahrungen von Social Media genommen und ins Unternehmen übertragen", lobt Bentele die Plattform.

Die durch soziale Netze veränderte Kommunikation folgt seiner Einschätzung zufolge einer natürlichen Evolution des asynchronen Informationsaustausches, der mit dem Briefverkehr begonnen hat, von der schnelleren E-Mail in weiten Teilen ersetzt wurde und später durch SMS und Instant Messaging erneut dynamischer und kürzer wurde. "Twitter oder Instant Messaging etablieren die Kurznachricht, sie verzichten auf Betreffzeile und Anrede. Der Austausch ist dabei nach wie vor oft asynchron, die Zeit zwischen Frage und Antwort wird aber extrem verkürzt. Zunehmend wird aber der Dialog unmittelbar, also synchron und ist dabei eine sehr einfache Dialogform", beschreibt der Rheinmetall-CIO die Veränderung.

Die neuen Kommunikations-Tools, das räumt er ein, schützen nicht vor der viel beklagten Informationsflut, es ändert sich aber der Konsum von Inhalten. Social Business biete den Anwendern eine Plattform für schnelle Fragen und Antworten. Auf diese Weise können Unternehmen der zunehmend kurzen Taktung in der Entscheidungsfindung gerecht werden. Das Angebot ist unverbindlich, Empfänger von Nachrichten können reagieren oder nicht, je nach Wichtigkeit und Bedeutung. Die Entscheidung obliegt ihnen selbst.

"Ich gehöre noch zur E-Mail-Generation und bin in meiner Informationsverarbeitung kognitiv analytisch geprägt. Die junge Social-Media-Generation erfasst Inhalte ganzheitlich und kann mit den Informationsangebot viel lockerer umgehen. Der Übergang ist eine Herausforderung, darf aber nicht dazu führen, Social Business zu ignorieren," so Bentele. Rheinmetall überlässt die Wahl der Kommunikationsmittel den Mitarbeitern, und die Erfahrung zeigt, dass keineswegs nur die jungen Kollegen sich im Enterprise 2.0 bewegen. Stiften neue Tools einen Nutzen für den Job, werden sie von Mitarbeitern unabhängig vom Alter eingesetzt.

Zugute kommt Rheinmetall eine offene und enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, die dem gemeinsamen Steuergremium den Freiraum gibt, neue Dinge auszuprobieren. Zudem gewährt das Management seinen Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss. Wortbeiträge und Diskussionsrunden werden nicht zensiert, Kollegen können sogar mit eigenen Beiträgen einen News-Feed füttern. Die einzige Bedingung lautet: Anonyme Wortbeiträge sind tabu. Rheinmetall ist bislang mit dieser Offenheit seit der Einführung erster Collaboration-Funktionen vor zehn Jahren gut gefahren. Eine ernsthafte Verfehlung hat es seit dem Start nicht gegeben, die namentliche Beteiligung diszipliniert und schafft Respekt für den Gegenüber.

Profile stellen Know-how dar

Herzstück der Installation ist die Komponente "Profile" als Yellow Page mit Vernetzungsfähigkeit. Sie ist vergleichbar mit dem B2B-Portal Xing und stellt Mitarbeitern eine Möglichkeit bereit, sich zu präsentieren. Hier können sie ihre Projekterfahrung, Ausbildung und Qualifikation posten, können sich taggen und so ihr Know-how öffentlich machen. Wer Blogs und Wikis betreibt, kann sie auf seiner Profilseite anderen Mitarbeitern öffnen. Das alles ist freiwillig, denn Bentele glaubt nicht daran, dass eine Pflicht zum vollständigen Profil verlässliche und sinnvolle Ergebnisse hervorbringt.

Die Auslandsniederlassungen sind zum Teil aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht oder nur teilweise eingebunden, weil einige Inhalte nicht die Ländergrenzen verlassen dürfen. "Social Business hat den gesetzlichen Verordnungen zu folgen, die oft erlebte Freizügigkeit der Social-Media-Welt kann hier nicht praktiziert werden", warnt Bentele.

Trotz solcher Grenzfälle gibt es für Bentele keine Alternative zum Enterprise 2.0. Der allgemeine Trend zum Social Media ist nachhaltig, die entsprechenden Funktionen und Tools werden von sehr vielen Menschen genutzt und geschätzt. Die Unternehmen dürfen diese Entwicklung in ihrer internen Kommunikation nicht ignorieren, zeigt sich Bentele überzeugt. "Die Frage, ob man das Social Business einführen sollte, stellt sich meines Erachtens nicht. Es ist sinnvoll, zahlt sich aus und schafft eine moderne Arbeitsumgebung", bilanziert der Rheinmetall-CIO.