Im Prinzip geht es auch ohne Itil
Trotzdem stellt sich die berechtigte Frage, ob es nicht auch ohne Itil geht. Oder anders ausgedrückt: Worauf verzichten Unternehmen, die sich dem Itil-Trend verschließen? Generell sind alle Optimierungsziele auch über alternative, unternehmensintern entwickelte Konzepte - und damit ohne einen Itil-Ansatz - erreichbar. So wie im Softwarebereich auch andere als die Standardsysteme eine Bedeutung haben, sind für die Prozessgestaltung im IT-Service-Management individuell entwickelte Methoden oder Best Practices möglich.
Das wird von Unternehmen durchaus auch so gelebt - zumindest in Teilbereichen. Problematisch werden die eigenen Best Practices aber dann, wenn beispielsweise eine Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern angestrebt ist. Dann besteht die Gefahr, dass die eigene Begriffswelt und die individuellen Prozessstandards nicht mit der des Partners kompatibel sind. Die am Markt anerkannte und vielfach adaptierte Itil-Terminologie löst dieses Problem.
Kein Rezept mit Erfolgsgarantie
Logischerweise stellt kein Regelwerk ein Rezept mit Erfolgsgarantie dar. Nicht die reine Prozessgestaltung führt zum Ziel, sondern die Art, wie Prozesse gelebt, gesteuert und kontinuierlich verbessert werden. Allerdings haben Itil-freie Strukturen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer deutliche Nachteilel.
Pauschal betrachtet, fehlt es ihnen an einer ausreichenden Grundordnung für die komplexen ITSM-Strukturen. Oder konkreter: Ohne ein durchgängiges ITSM-Regelwerk, wie Itil es darstellt, gibt es keine konzeptionelle Basis für die vier wesentlichen Gestaltungskomponenten:
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Leistungseffizienz,
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Prozessqualität,
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Wirtschaftlichkeit und
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IT-Governance.
Damit wächst die Gefahr, dass die Wettbewerbsanforderungen des Unternehmens an die IT nur unzureichend erfüllt werden oder die Marktfähigkeit zumindest von nachhaltig labilen Verhältnissen beeinträchtig wird.
Zusätzlich leidet die Positionierung des ITSM als übergreifender Aspekt unter dem Fehlen eines umfassenden Rahmenwerks. Tatsächlich trägt Itil zur Emanzipation des IT-Service-Managements bei. Nach den bisherigen Beobachtungen haben die ITSM-Verantwortlichen damit auch in den Augen der Chefetagen ein vertrauenswürdiges Instrument an die Hand bekommen. Es verleiht ihnen strategische Durchsetzungskraft und hilft der IT, sich als Business Enabler mit substanziellen Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Renditequalität zu etablieren. ITSM-Verantwortliche ohne Itil-Ausrichtung müssen auf diese Hilfestellung verzichten.
- Das sollten Sie bei ITSM vermeiden
Sie lassen sich von billiger Software blenden und denken nicht voraus: Über die acht häufigsten Fehler von CIOs beim Service Management. - 1. Lastenhefte sind nicht zukunftsorientiert:
In der Regel beschreiben Lastenhefte den aktuellen Funktionsbedarf einer ITSM-Lösung. Da IT-Organisationen die vorhandene IT-Landschaft jedoch laufend durch technologische Innovationen und neue Prozesse erweitern, muss die Entscheidung für ein ITSM-Tool in die Zukunft gerichtet sein und auch mögliche neue Anforderungen für die nächsten zwei bis drei Jahre erfassen. - 2. IT-Betriebskosten werden unterschätzt:
Bei Business-Applikationen werden Folgekosten von Beginn an in die Projektplanung einbezogen. Immerhin machen sie rund ein Viertel der Implementierungskosten aus. Nicht so bei ITSM-Software. Insbesondere der Personalbedarf für den laufenden Betrieb wird unterschätzt. IT-Organisationen von Konzernen brauchen in der Regel ein Team von vier bis fünf Mitarbeitern. Auch Outsourcing kostet Geld. - 3. ITSM-Tools sind keine Out-of-the-Box-Systeme:
Um Werkzeuge für das IT-Service-Management sinnvoll zu nutzen, müssen diese ständig mit Daten aus den Business-Systemen gefüttert werden, die zugleich laufend zu pflegen sind. Ebenso wichtig ist die Betreuung der Schnittstellen zwischen den ITSM-Tools und den angeschlossenen IT-Systemen. Oft sind das mehr als 100. - 4. All-in-One-Ansatz statt:
IT-Verantwortliche wollen in der Regel alle Anforderungen an das IT-Service-Management durch integrierte ITSM-Produkte eines Herstellers abbilden. Die Vorzüge: einfache Implementierung und direkte Integration, geringere Projektkosten und weniger Bedarf an Spezial-Know-how. Diese Vorteile werden jedoch mit erheblichen Leistungseinschränkungen erkauft, weil kein Werkzeug ein Top-Spezialist auf jedem Gebiet sein kann. - 5. Die Auswahl von ITSM-Tools erfolgt emotional statt rational:
CIOs führen zwar die klassischen Schritte bei der Evaluierung von ITSM-Werkzeugen durch - Erstellung des Anforderungsprofils, Ausschreibung, Proof of Concept mit ausgewählten Anbietern. Die Entscheidung für ein Tool erfolgt jedoch meist aus dem Bauch heraus, etwa nach dem Look-and-Feel der Benutzeroberflächen. - 6. Unternehmen tappen in die Preisfalle:
Erfahrungsgemäß machen die Softwarekosten nur ein Drittel der gesamten Aufwendungen aus. Zwei Drittel der Kosten - meist Summen in sechsstelliger Höhe - verschlingt die Projektrealisierung mit internen oder externen Ressourcen. Letztere können IT-Verantwortliche durch geschicktes Verhandeln und unter Nutzung des Wettbewerbs der Anbieter um 50 bis 70 Prozent gegenüber dem Listenpreis reduzieren. - 7. Investitionssicherheit wird zu wenig beachtet:
Unternehmen beziehen in die Auswahl des künftigen ITSM-Lieferanten kaum Aspekte wie Weiterentwicklung der ITSM-Lösung und Investitionssicherheit ein. Das könnte sich später einmal rächen. Wichtige Bewertungskriterien, die Aufschluss über die Zukunftssicherheit einer Lösung geben, sind zum Beispiel die Größe der Entwicklungsmannschaft, das F&E-Budget sowie Fusions- oder Übernahmeprozesse beim Hersteller. - 8. Tool-Gläubigkeit statt Prozessorientierung:
In der Praxis tritt beim ITSM die Prozesssicht häufig in den Hintergrund. Stattdessen dominieren funktionale und technische Aspekte. Effizienzsteigerungen lassen sich jedoch nur durch optimierte Prozesse, die durch ITSM-Lösungen angemessen unterstützt werden, erzielen und nicht umgekehrt.