Softwarefreigabe

Das Drei-mal-drei des Test-Managements

18.06.2008
Von Björn Beermann und Peter de Vries
Wer glaubt, dass sich Abnahmetests an einem Freitagnachmittag erledigen lassen, irrt gewaltig. Sie müssen nicht nur gut vorbereitet werden, sondern auch transparenten Prozessen und Regeln folgen.
Operative Tests müssen muss Prozessen und Regeln folgen, erfordern aber immer wieder pragmatische Lösungen
Operative Tests müssen muss Prozessen und Regeln folgen, erfordern aber immer wieder pragmatische Lösungen
Foto: PA Consulting Group

Fusionsbedingte IT-Verschmelzungen, Release-Zyklen, regulatorische Anforderungen (siehe auch: "Was ist IT-Compliance?") und der Marktdruck fordern den permanenten Wandel der Softwarelandschaften. Oft sind die vorangegangenen Umstellungen noch nicht abgeschlossen, wenn die nächsten Initiativen bereits starten. Zeitdruck und Qualitätsanforderungen wachsen ständig. Und die knappen Entwicklungszeiträume lassen keine Zeit für notwendige Tests.

Die Fachbereiche sind in die IT-getriebene Entwicklungsphase kaum eingebunden. Erst kurz vor dem geplanten "Go-live" werden sie mit den ausstehenden Tests konfrontiert, und nun sollen sie Verantwortung für Abnahme und Einführung übernehmen. Das können sie neben dem Tagesgeschäft nicht leisten.

Zudem liegt der Umsetzungsgrad zu diesem Zeitpunkt meist hinter den Planungen zurück, ohne dass der offizielle Projektstatus dies widerspiegeln würde. Damit ist der Einführungstermin akut gefährdet. Um die Projektziele doch noch zu erreichen, wäre eine effiziente Teststeuerung sinnvoll.

Ambitioniert, aber realistisch planen

An dieser Stelle ist pragmatisches Vorgehen gefragt. Die nötigen Maßnahmen müssen erhoben und abgestimmt werden, wobei der Fokus auf drei Bereichen liegen sollte:

  1. Die Theorie - mit Anforderungsdokumenten, Umsetzungskonzepten, Statusberichten und Testbeschreibungen - bildet die Basis für die Analyse. Fachliche, technische und organisatorische Aspekte werden auf Stimmigkeit und Vollständigkeit abgeklopft. Das ist keineswegs nur eine zeitaufwändige Detailbetrachtung, sondern dient dazu, Abdeckungsgrade, Risiken und notwendigen Ergänzungsfelder abzuleiten.

  2. Der Abgleich mit der Realität ergibt meist einen anderen Stand hinsichtlich umgesetzter Konzepte und gelebter Prozesse. Er ist notwendig, um das reale Gesamtbild zu liefern. Das Ziel liegt in der Identifikation und Bewertung nötiger Maßnahmen, nicht im Aufzeigen von Schuldigen.

  3. Auf Basis von Theorie und Realität verfolgt die Planung sowohl ambitionierte als auch realistische Ziele. Die Interessengruppen aus IT und Fachbereich müssen diese Ziele gemeinsam aufstellen und akzeptieren. Sonst lassen sie sich nicht umsetzen.

Wichtig für die Umsetzung

Die Beteiligten verfolgen unterschiedliche Interessen. Zudem flammen häufig Schuldabwehrdiskussionen auf. Deshalb hat sich in vielen Fällen eine - vom Topmanagement beauftragte - neutrale Projektverantwortung bewährt. Test-Management ist keine Aufgabe für den Freitagnachmittag, sondern benötigt erfahrene Führung und ausreichende Ressourcen

Eine erfolgreiche Umsetzung muss wiederum drei Ebenen berücksichtigen:

  1. Partnerschaftliche Kooperation zwischen IT und Fachbereichen ist essenziell. Schuldzuweisungen und "Schwarze-Peter-Spielchen" haben dabei nichts zu suchen. Beide Seiten müssen geeignete Ressourcen bereitstellen, die neben dem Tagesgeschäft am Test-Management mitarbeiten können und vor allem auch wollen.

  2. Transparente Testprozesse und -werkzeuge vereinfachen die Tests. Zudem regeln sie Aufgaben, Ergebnisse und den jeweiligen Status. Damit machen sie geordnete und effiziente Tests erst möglich.

  3. Ein straffes Projekt-Management mit klaren Verantwortungen und Durchsetzungsmöglichkeiten ist sowohl auf der IT- wie auf der Fachbereichsseite unersetzlich. Es füllt die Planung mit Leben und ermöglicht den Teams ein effizientes Arbeiten

Kooperation führt aus der Sackgasse

Die partnerschaftliche Zusammenarbeit darf nicht erst in der Testphase beginnen. Wenn die Entwicklung in den Test übergeht, geraten die auf Tagesgeschäft ausgerichteten Fachbereiche sowie die technologie- und projektorientierte IT plötzlich unter Druck. Schon entstehen gegenseitige Schuldzuweisungen und unklaren Aussagen zu Status, Anforderungen und Möglichkeiten.

Der Weg aus dieser Sackgasse führt über abgestimmte Maßnahmen und Planungen. Gemeinsam verstandene und gelebte Verantwortung eines gleichberechtigten Führungsteams ist der Schlüssel zum Erfolg. Es gilt, heterogene Unternehmenskulturen und manchmal sogar geografisch verteilte Partner frühzeitig einzubinden. Abweichende Fokussierung und unterschiedliche Arbeitsweisen lassen sich durch abgestimmte Zeit-, Ressourcen- und Lieferzusagen ausgleichen. Von allen Partnern muss pragmatisches und proaktives Handeln eingefordert werden. Mut zum Risiko wird gefördert, gemeinsam erreichte Ziele werden belohnt. Für alle Probleme sind nicht die Schuldigen, sondern die notwendige Gegenmaßnahme zu definieren.

Die Fachbereiche sollten akzeptieren, dass IT Systeme nicht fehlerfrei entwickelt werden können und kleine Fehler keine großen Katastrophen bedeuten. Dafür müssen die Entwicklungsteams die Systeme so weit vorgetestet haben, dass die Bugs weitgehend beseitigt sind und der wirkliche Funktionstest beginnen kann.

Und ganz wichtig: Nicht der angestrebte Fertigstellungstermin bestimmt die Testfreigabe, sondern die ausreichende Entwicklungsqualität. Nur dadurch entsteht Akzeptanz, also auch die Bereitschaft für ressourcenintensive Tests.

Prozesse sind das Rückgrat

Partnerschaftliche Zusammenarbeit ist keine schnöde Phrase. Sie bedarf klarer Regeln und effektiver Werkzeuge. Alle Prozessschritte sind an den Anforderungen des Kunden auszurichten. Der spätere Nutzer macht die Qualitätsvorgaben, aus denen die Abnahmekriterien, Testfälle und -daten abgeleitet werden. Von Anfang an muss klar sein, dass mit Erreichen dieser Kriterien der Test abgeschlossen und das System eingeführt wird. Der Test darf keinem "Moving Target" hinterherlaufen.

Im Rahmen der Testprozesse werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die Partner verteilt und mit Regeln zu Qualitätserwartungen, Termintreue und proaktiver Kommunikation unterlegt. Testwerkzeuge wie "Bugzilla", "Gnats", "Ozibug" oder "Elementool" können die Kommunikation positiv unterstützen, indem sie notwendige Inhalte und Schritte einfordern und dokumentieren. Sie ersetzten aber keineswegs die Besprechung von Details.

Aufeinander aufbauende Stufen

Um die Kommunikation und den Aufwand zu steuern, sollte der Testumfang in kontrollierbare Teilschritte untergliedert werden.
Um die Kommunikation und den Aufwand zu steuern, sollte der Testumfang in kontrollierbare Teilschritte untergliedert werden.
Foto: PA Consulting Group

Um die Kommunikation und den Testaufwand zu steuern, sollte der Gesamtumfang in kontrollierbare Teilschritte untergliedert werden. Aufeinander aufbauende Teststufen mit abnahmerelevanten Kontrollpunkten ermöglichen Zwischenerfolge. So lassen sich der Testfortschritt aufzeigen und die Motivation steigern.

Die ersten Tests weisen nur einen geringen Umfang auf. Hier tritt anfangs eine Vielzahl meist systematischer Fehler auf, die sich jedoch kurzfristig reduzieren lassen. Jeder Testfortschritt verringert dann die Anzahl der Fehler; umso mehr Wert kann auf die integrative Prüfung gelegt werden.

Bei diesen aufeinander aufbauenden Stufen ist jedoch sicherzustellen, dass erfolgreiche Tests der Vorstufe auch zu einer fehlerfreien Basis für die Folgestufe führen. Die Regressionstests müssen ebenfalls über die verschiedenen Stufen stimmig ineinander greifen. Sie lassen sich ebenfalls durch Werkzeuge automatisieren.

Aktives Change-Management

Darüber hinaus sollte Klarheit über folgende Tatsachen bestehen:

  1. Nicht alle Fehler lassen sich eindeutig aus den Anforderungen ableiten. So entsteht schnell eine Grauzone zwischen fehlerhaft umgesetzten und lückenhaft gestellten Anforderungen. Es wird kaum gelingen, alle Nachbesserungen im ersten Release umzusetzen, auch wenn das ursprünglich so vorgesehen war. Nur eine gemeinsame Priorisierung durch IT und Fachbereiche ermöglicht es, den Testumfang wirklich zu beherrschen. Das Führungsteam muss dafür sorgen, dass die definierten Prozesse und Regeln eingehalten werden Allerdings wird operatives Testen immer wieder pragmatische Lösungen benötigten.

  2. Klassisches Projekt-Management ist auch beim Test-Management von Nutzen. Dabei sollte die Projektleitung doppelt besetzt werden - aus IT und Fachbereich. Nur mit einer gemeinsamen und gleichberechtigten Verantwortung lassen sich die notwendigen Maßnahmen in allen beteiligten Bereichen durchsetzen. Selbstredend sind die frühe Einbindung der Stakeholder und die Unterstützung durch das Topmanagement unerlässlich.

  3. Aktives Change-Management ist nötig, um die künftigen Nutzer an die neue Lösung heranzuführen. Im Rahmen des Test erleben die meisten von ihnen die neuen Funktionen und Prozesse zum ersten Mal. Auch wenn das nicht unbedingt Bestandteil des Test-Managements ist, soll hier darauf hingewiesen werden: Schulungen sind keine überflüssiger Luxus, sondern erforderlich, um effiziente Tests zu ermöglichen und die Funktionen frühzeitig in die Organisation zu tragen. Widerstände gegen veränderte Geschäftsprozesse, Rollen und Abhängigkeiten binden erhebliche Management-Kapazitäten - auch in der Testphase. (qua)