Eigentum des Arbeitgebers verletzt

Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung

27.02.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wann müssen Arbeitnehmer für Schäden haften? Peter Krebühl stellt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vor.

Wenn Arbeitnehmer schuldhaft gegen ihre Vertragspflichten verstoßen haben und so ein Schaden entstanden ist, können sie von ihrem Arbeitgeber in Haftung genommen werden. Allerdings haften sie nach geltender Rechtsprechung nur begrenzt, abhängig vom Grad des jeweiligen Verschuldens. Wie wichtig diese Schadensbegrenzung ist, macht das Verfahren gegen eine Reinigungskraft deutlich, in dem das LAG Niedersachsen über den Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Kernspintomografen zu entscheiden hatte (Urteil vom 24.04.2009, Az. 10 Sa 1402/08).

Das Eigentum des Arbeitgebers zu beschädigen, kann teuer werden.
Das Eigentum des Arbeitgebers zu beschädigen, kann teuer werden.
Foto: Wilm Ihlenfeld - Fotolia.com

Bei der Frage des Verschuldens unterscheidet die Rechtsprechung generell zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln. Vorsätzlich handelt ein Arbeitnehmer, wenn er nicht nur gegen eine Handlungspflicht, zum Beispiel eine Anweisung oder eine Unfallverhütungsvorschrift verstößt, sondern auch den im Unternehmen eintretenden Schaden zumindest billigend in Kauf nimmt. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Darüber hinaus wird geprüft, ob aus leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit gehandelt wurde. Leichte Fahrlässigkeit ist das typische Abirren, das sich Vergreifen und sich Vertun. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Sorgfalt besonders schwer verletzt und nicht einmal das beachtet wird, was jedem einleuchtet und auch dem Schädiger in seiner persönlichen Situation hätte einleuchten müssen.

In dem vom LAG zu entscheidenden Fall war die Arbeitnehmerin seit vielen Jahren als Reinigungskraft in einer Gemeinschaftspraxis zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 320,00 Euro tätig. Die Arbeitnehmerin hatte eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen.

Gerät falsch bedient

An einem arbeitsfreien Sonntag besuchte die Arbeitnehmerin eine Freundin, die ebenfalls als Reinigungskraft in der Arztpraxis arbeitete und direkt im Praxisgebäude wohnt. Die Arbeitnehmerin hörte einen Signalton, der von dem Kernspintomografen in der Arztpraxis ausging. Sie betrat die Praxis und begab sich zur Steuereinheit des Gerätes. In der Absicht, den Alarmton auszuschalten, drückte die Arbeitnehmerin einen größeren roten Knopf. Die Arbeitnehmerin kannte sich aber weder mit dem Gerät an sich aus, noch konnte sie die englischen Begriffe wie "alarm silence", "system off" oder "magnet stop" einordnen. Durch die Fehlbedienung entstand an dem Kernspintomografen ein Schaden in Höhe von 30.843,01 Euro.

Das LAG Niedersachsen begrenzte die Haftung der Arbeitnehmerin auf einen Betrag in Höhe von 3.840,00 Euro. Die Arbeitnehmerin handelte zwar schuldhaft, nämlich fahrlässig und hat so das Eigentum ihrer Arbeitgeber verletzt. Sie kann sich im vorliegenden Fall aber auf die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung berufen, da ihr Verhalten als betrieblich veranlasst eingestuft wurde. Betrieblich veranlasst sind alle Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer per Arbeitsvertrag übertragen bekommt, oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Die Tätigkeit muss im nahen Zusammenhang mit dem Betrieb und dem betrieblichen Wirkungskreis des Arbeitnehmers stehen. Im vorliegenden Fall fühlte sich die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihren Arbeitgebern zu helfen. Irrelevant ist, dass dieser Vorgang außerhalb ihrer Arbeitszeit geschah.

Dennoch wird das Verhalten der Arbeitnehmerin von den Gerichten als grob fahrlässig eingestuft. Im vorliegenden Fall hätte sie keinesfalls wahllos einen der Knöpfe drücken dürfen, deren Funktion sie nicht kannte, sondern hätte den Arbeitgeber zum Beispiel telefonisch verständigen müssen. Trotzdem ist die Arbeitnehmerin nicht zu vollem Schadenersatz verpflichtet.