Getrennte Wege gehen

Wann und wie der Chef kündigen darf

31.10.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Michael Henn und Christian Lentföhr zeigen auf, was der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beachten muss.

Michael Henn und Christian Lentföhr zeigen auf, was der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beachten muss.

1. Ausschluss/besonderer Kündigungsschutz

Foto: Fotolia, Yantra

Das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund besteht grundsätzlich immer außer in den im Folgenden genannten Sonderfällen insbesondere bei Mutterschutz. Eine ordentliche Kündigung ist gemäß § 15 III TzBfG grundsätzlich nur bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen zulässig. Vertraglich kann jedoch die Möglichkeit einer ordentlichen Kündbarkeit auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen vereinbart worden sein.

Für bestimmte Personengruppen bestehen Kündigungsverbote wie folgt:

1.a) Gemäß § 9 I MuSchG ist jede Kündigung einer Frau während der Schwangerschaft bzw. bis Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Ein nicht von der Arbeitnehmerin zu vertretendes Überschreiten der Zweiwochenfrist (wie z.B. urlaubsbedingte Abwesenheit) ist unschädlich, wenn die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Grundsätzlich ist der Beginn der Schwangerschaft durch Rückrechnung von 280 Tagen von dem ärztlich festgestellten Entbindungstermin zu ermitteln.

Gemäß § 9 III MuSchG kann ausnahmsweise die Kündigung in besonderen Fällen von der zuständigen obersten Landesbehörde (= Landesarbeitsministerium bzw. die von diesem delegierte Stelle, wie meist Gewerbeaufsichtsamt) für zulässig erklärt werden. Die eng auszulegende besondere Zulässigkeit der Kündigung nach § 9 III MuSchG steht je nach Einzelfall im Ermessen der obersten Landesbehörde und umfasst zum Beispiel Ausnahmefälle drückender wirtschaftlicher Belastung des Arbeitgebers oder Vorliegen von erheblichen Verfehlungen der Arbeitnehmerin wie ein im Betrieb begangenes erhebliches vorsätzliches Vergehen wie das Bestehlen einer Kollegin. Nicht jedes Verhalten, das ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung wäre, kann eine Ausnahmekündbarkeit begründen, da das Kündigungsverbot des § 9 I MuSchG grundsätzlich jede Kündigung, sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung verbietet.

Mitteilung der Schwangerschaft

Im Übrigen besteht auch gemäß § 5 MuSchG keine "Pflicht" zur Mitteilung der Schwangerschaft. § 5 MuSchG besagt, dass die werdende Mutter die Schwangerschaft mitteilen "soll".

Wenn eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft bereits mitgeteilt hat, ist jedoch verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich davon zu unterrichten, falls die Schwangerschaft vorzeitig (wie z.B. aufgrund einer Fehlgeburt) beendet ist. Hat die Arbeitnehmerin eine derartige Mitteilung schuldhaft unterlassen, kann der Arbeitgeber jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen sie geltend machen, der wegen angenommener Schwangerschaft nicht beendeten Arbeitsverhältnisses und entsprechender Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden z.B. Vergütungsansprüche bzgl. geleisteter Arbeit entstanden ist. (BAG Urteil vom 18.01.2000 zu 9 AZR 932/98)

1.b) Gemäß dem § 9 MuSchG ergänzend nachgebildeten § 18 I BErzGG darf ein Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit nicht gekündigt werden. Entsprechend dem Kündigungsschutz des § 9 MuSchG kann auch insoweit gemäß § 18 I 2 BErzGG die zuständige oberste Landesbehörde (= Gewerbeaufsichtsamt) ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklären.

Die Unzulässigkeit einer Kündigung bei Elternzeit gilt nach § 18 II BErzGG auch für Arbeitnehmer, wenn sie nach § 18 II 1 Nr.1 BErzGG während der Elternzeit bei ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten oder nach § 18 II 1 Nr.2 BErzGG ohne Inanspruchnahme von Elternzeit bei ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten und Anspruch auf Erziehungsgeld haben bzw. nur wegen überstiegener Einkommensgrenzen keinen Erziehungsgeldanspruch haben, außer es besteht gar kein Anspruch auf Elternzeit nach § 15 BErzGG.

Betriebsratsmitglieder

1.c) Die ordentliche Kündigung von Mitgliedern eines Betriebsrats oder einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ist während deren Amtszeit sowie innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Amtszeit gemäß § 15 I KSchG grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, es lägen Tatsachen vor, die den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen würden und der Betriebsrat hätte der Kündigung i.S.d. § 103 BetrVG zugestimmt.

Gemäß § 15 IIIa KSchG besteht folgender erweiterter Kündigungsschutz:

Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl oder -Bordversammlung einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung bzw. Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn es lägen Tatsachen vor, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen. Dieser Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Kommt es nicht zu der initiierten Wahl, besteht der Kündigungsschutz vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

1.d) Die ordentliche Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses ist nach Ablauf der Probezeit gemäß § 15 II BBiG ausgeschlossen.

1.e) Die Kündigung eines gemäß § 90 I Nr.1 SGB IX mehr als 6 Monate im Arbeitsverhältnis stehenden Schwerbehinderten bedarf gemäß § 85 SGB IX der Zustimmung des Integrationssamts. Eine bei Kündigungserklärung vorhandene Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung ist für den Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX nicht nötig.

Sowohl bei der ordentlichen als auch bei der außerordentlichen Kündigung verliert der Schwerbehinderte jedoch seinen Sonderkündigungsschutz, wenn er dem Arbeitgeber nicht binnen eines Monats nach Kündigungszugang die festgestellte bzw. beantragte Feststellung seiner Schwerbehinderung mitteilt. Nach Urteil des BAG vom 07.03.02 (2 AZR 612/00) reicht für den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX es bereits aus, wenn noch vor Antragstellung des Schwerbehinderten auf Feststellung beim Versorgungsamt der schwerbehinderte Arbeitnehmer den Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung über seine körperliche Beeinträchtigung und über die beabsichtigte Antragstellung informiert hat.