Aufsteigen oder weitere Erfahrungen sammeln?

Welcher Karriereweg der beste ist

30.01.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wie lange Führungskräfte auf der aktuellen Position bleiben und wann sie wechseln sollten, sagt Dr. Georg Kraus.

Wie lange sollen unsere Kandidaten für Top-Positionen auf einer Stelle verweilen, bevor sie die nächste Funktion übernehmen - sei es um breitere Erfahrung zu sammeln oder die nächste Stufe der Karriereleiter zu erklimmen? Vor diesen Fragen stehen Führungskräfteentwickler immer wieder.

Das Durchschnittsalter der Vorstandsvorsitzenden der Dax-30-Unternehmen beträgt circa 53 Jahre. Und sie sind im Schnitt bereits fünf Jahre im Amt. Mit knapp 48 wurden sie also zum CEO ernannt. Und um dorthin zu kommen, mussten sie im Schnitt sechs Karriereschritte durchlaufen. Bei einem Eintrittsalter nach dem Studium von knapp 26 Jahren, bedeutet dies: Ein CEO braucht circa 22 Jahre Zeit, um nach "ganz oben" zu gelangen. Pro Karrierestufe stehen ihm also knapp 3,7 Jahre zur Verfügung. Ist eine solche Verweildauer in den einzelnen Stationen zu kurz oder zu lang?

Wie kann heute eine kontinuierliche Karriere aussehen?
Wie kann heute eine kontinuierliche Karriere aussehen?
Foto: Fotolia, Karin Jehle

Unternehmen sollten eine gewisse Kontinuität auf der Führungsebene in ihrer Organisation sicherstellen. Zudem sollten Führungskräfte auch die Konsequenzen für ihre Entscheidungen "tragen". Zugleich spricht jedoch der geplante Karriereverlauf der Kandidaten für Top-Positionen oft gegen ein zu langes Verweilen in einer Funktion. Dieses "zweischneidige Schwert" bringt Personalleiter und Unternehmensführer immer wieder in Dilemmata. Deshalb seien die Pros und Contras einer langen Verweildauer in einer Führungsposition im Folgenden näher ausgeführt.

Pro Kontinuität

Entscheidungen "ausbaden": Wenn eine Führungskraft im Schnitt nur 3,7 Jahre in einer Funktion ist, ergibt sich in der Regel folgendes Wirkungsszenario:

  • Erstes Jahr: Kennenlernen der Funktion und des Geschäfts.

  • Zweites Jahr: Grundsatzentscheidungen treffen und Neuausrichtungen vornehmen.

  • Drittes Jahr: Umsetzung.

  • Viertes Jahr: Abschied.

Die "Ernte" von neuen Weichenstellungen kann aber selten schon nach ein, zwei Jahren "eingefahren" werden - insbesondere, wenn es um grundsätzliche Neuausrichtungen geht. Deshalb lassen sich oft folgende Phänomene beobachten:

  1. Der Fokus des Handelns wird auf kurzfristige Erfolge gelegt. Der Manager geht primär Themen an, die ihm spätestens im zweiten oder dritten Jahr Erfolge versprechen. Längerfristige Themen werden eher lauwarm angepackt.

  2. Viele Top-Manager haben noch nie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen erlebt. Wenn diese sich ergaben, waren sie schon im nächsten Job. Sie konnten so zwar viel Erfahrung im Projektmanagement und "Sanieren" sammeln, eher wenig aber mit dem kontinuierlichen Aufbauen und Wachsen lassen. Für zahlreiche Manager gilt: Sie wären schlechte Bauern, da sie den Keimling jeden Tag aus der Erde ziehen, um zu schauen, ob er schon gewachsen ist.