Persönlichkeitsrechte

De Maizière zieht "rote Linie" im Datenschutz und bleibt gelassen

01.12.2010
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die "rote Line" zum Datenschutz gezogen.

Künftig sollen Verbraucher besser vor Verletzungen der Persönlichkeitsrechte im Netz geschützt werden. Nach der hitzigen Debatte um Street View rät der Minister zu Gelassenheit - und bringt damit die Datenschützer erst recht gegen sich auf.

Es könnte das Gesellenstück von Thomas de Maizière (CDU) als "Internet-Minister" werden. Nach seiner Gesetzesinitiative sollen die Bundesbürger künftig vor der ungewollten Veröffentlichung von Persönlichkeitsprofilen im Internet geschützt werden. Auch bei unerwünschten Bewegungsprofilen kennt der Bundesinnenminister kein Pardon - genauso wenig bei Fotos und Daten, die einen Betroffenen "in ehrverletzender Weise beschreiben oder abbilden".

Doch im Gegensatz zu den Vorstellungen von Datenschutzbeauftragten und auch Politikern aus dem eigenen Lager will de Maizière die "rote Linie" nicht zu eng ziehen. Er baut stattdessen auf die Eigenverantwortung der Unternehmen - und handelt sich damit harsche Kritik von Datenschutzbeauftragten ein.

Der Präsident des Branchenverbands BITKOM, August-Wilhelm Scheer, überreichte dem Minister am Mittwoch in Berlin einen Datenschutz-Kodex, hinter dem Unternehmen wie Google, Microsoft, die Deutsche Telekom, die Deutsche Post und etliche Spezialanbieter stehen. In der Selbstverpflichtung bietet die Branche an, eine "Zentrale Informations- und Widerspruchsstelle im Internet" zu den Geodatendiensten einzurichten.

Hier können die Bürger vom zweiten Halbjahr 2011 an Widerspruch gegen die Darstellung ihrer Häuser im Internet einlegen. Das Papier lehnt sich in weiten Teilen an Zugeständnissen an, die Google den Datenschützern im Zusammenhang mit seinem Panorama-Kartendienst Street View gemacht hat.

In einem wichtigen Detail weicht der Kodex aber von der Street-View-Regelung ab. So sollen künftig die Verpixelungen von unerwünschten Bildern nicht mehr an den Rohdaten vorgenommen werden, was bei Street View die Verschleierung von Gebäuden unwiderruflich macht. Scheer verwies auf den Fall der Bundesgeschäftsstelle der Grünen am Platz vor dem Neuen Tor in Berlin, die gegen den Willen der Partei bei Street View verpixelt wurde. "Wenn in einer Wohnung einige Studenten die Verpixelung beantragen und nach sechs Monaten wieder ausziehen, müssen die Nachmieter in der Lage sein, die schöne Fassade ihres Hauses stolz im Internet zeigen zu können."

Dass die Selbstverpflichtung der Branche in diesem wichtigen Punkt hinter den Vereinbarungen der Datenschutzbeauftragten mit Google zurückbleibt, stößt dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Johannes Caspar, bitter auf. Außerdem vermisst Caspar ein Vorab-Widerspruchsrecht, das Google den Bürgern vor dem Start von Street View noch eingeräumt hatte. "Sind die Daten erst einmal online, haben die Betroffenen ihre Verfügungsgewalt bereits verloren." Caspar forderte "klare rechtsstaatliche Vorgaben", deren Einhaltung von den Aufsichtsbehörden auch überwacht und durchgesetzt werden könnte.

Bei einem anderen Streitpunkt, dem von Datenschützern geforderten zentralen Widerspruchsregister, mussten sich Caspar und seine Kollegen eine Vorlesung vom BITKOM-Präsidenten und Informatik- Professor Scheer in Sachen "Datensparsamkeit" anhören. "Der mögliche Schaden eines Zentralregisters ist größer als der Nutzen", sagte Scheer. "Wir würden damit nur einen neuen Datenkraken schaffen."

Bundesinnenminister de Maizière hält ohnehin Themen wie die mögliche Live-Erkennung von Gesichern durch Internet-Handys oder Profilbildungen durch eine Analyse von Suchmaschinenanfragen für heikler als Google Street View. Auch wenn Standortdaten in Smartphones mit einem GPS-Empfänger aufgezeichnet und übermittelt werden, müsse man das als "Vorstufe zur Erstellung von Bewegungsprofilen" sehen und dafür eine Einwilligung des betroffenen Nutzers vorlegen. Solche Einverständniserklärungen dürften auch "nicht im Kleingedruckten auf Seite 756 versteckt" werden.

Im regierungsinternen Schaulaufen um die Rolle als bester Datenschützer und profiliertester Internet-Minister sieht sich de Maizière auf der Siegerseite - auch wenn er Fragen zur Rolle von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch nicht beantworten wollte. "Wahr ist, dass ich im Sommer mit meiner Position noch ziemlich alleine darstand. Inzwischen findet meine Position viel Zustimmung." (dpa/tc)